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Stress kann ein schleichendes Gift sein, das bei jedem unterschiedlich stark wirkt. Doch was genau geschieht im Arbeitsalltag mit Lehrkräften, Polizisten oder IT-Mitarbeitern, wenn sie Belastungen ausgesetzt sind? Welche Ressourcen haben sie, um damit zurecht zu kommen, und wie lassen sie sich stärken? Das untersucht die Psychologin Regina Schmid von der Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) für verschiedene Berufsgruppen mit innovativen Methoden – unter anderem durch mobile EKG-Messung. Sie ist Mitarbeiterin der Professur für Psychologische Diagnostik und Interventionspsychologie (Prof. Dr. Joachim Thomas).
Wollen Psychologen etwas über das Stressempfinden von Probanden und die Folgen von psychischen Belastungen erfahren, müssen sie sich bislang auf klassische Fragebögen oder Experimente stützen. Doch eine künstliche Laborsituation beeinflusst die Aussagekraft und bei Befragungen ist die Rückschau auf etwa eine Arbeitswoche anfällig für Erinnerungsverzerrungen. Regina Schmid hingegen untersucht Belastungen und Beanspruchungsreaktionen, wenn sie entstehen – im Arbeitsalltag von Klinikpersonal, Lehrerinnen und Lehrern oder Polizeikräften: „Wir nutzen dabei ambulante Methoden, mit denen wir über einen längeren Zeitraum Daten sammeln können. Die Probandinnen und Probanden werden dabei mit einem Brustgurt ausgestattet, der über mehrere Tage hinweg kontinuierlich ihre Herztätigkeit aufzeichnet.“ Zusätzlich erhalten sie ein Smartphone mit einer App, die sie mehrmals täglich kurz befragt: Welche Art der Tätigkeit stand in den vorhergehenden zwei Stunden an? Gab es Zeitdruck? Wie fühlt sich die aktuelle Belastung im Job an? „Wir können so über einen langen Zeitraum subjektive Angaben sammeln und diese dann bei der Auswertung mit den physiologischen Daten des EKG zusammenführen“, erklärt Schmid.
Von besonderem Interesse ist dabei für sie die so genannte Herzratenvariabilität (HRV). Diese beschreibt Unterschiede in einer Größenordnung von Millisekunden zwischen zwei Herzschlägen. Ein gesundes Herz schlägt – anders als landläufig angenommen – nicht wie ein Metronom. „Im Gegenteil: Eine große Variabilität zwischen den Herzschlägen ist ein Zeichen für die Anpassungsfähigkeit des Organs an verschiedene Anforderungen“, so Schmid.
Um eine Fehlinterpretation der Herzschläge zu vermeiden, werden verschiedene Einflüsse berücksichtigt, zum Beispiel, ob ein besonders intensiver Sport betrieben wird oder Vorerkrankungen vorliegen. Die Teilnehmenden – zuletzt über 100 Lehrkräfte – werden außerdem zu persönlichen Eigenschaften, Verhaltensweisen und Einstellungen befragt: Ist Arbeit ein wichtiger Lebensinhalt? Sind sie leicht aus der Ruhe zu bringen?
„Die Auswertung der Smartphone-Befragung und der HRV-Werte zeigt, dass manche Teilnehmende gar nicht merken, wie angespannt sie sind. Sie schätzen ihr Wohlbefinden subjektiv anders ein als es die Herztätigkeit vermuten lassen würde. Bei solchen Personen ist die im wörtlichen Sinn gemeinte Achtsamkeit geringer ausgeprägt“, schildert Schmid. Probandinnen und Probanden, die wiederum aufmerksamer mit sich selbst sind, haben mehr Übereinstimmungen zwischen den HRV-Daten und dem subjektiven Empfinden, das sie in der täglichen Befragung angegeben haben.
Wer außerdem über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet eine hohe Herzratenvariabilität aufweist, können Belastungen – wie Schmids Ergebnisse zeigen – weniger anhaben: „Diese Personen haben eine ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstregulierung und empfinden die Anforderungen ihrer Arbeit als nicht so erschöpfend wie diejenigen mit einer geringen Variabilität der Herzrate.“
Sowohl Achtsamkeit als auch die Herzratenvariabilität sind jedoch keine feststehenden Variablen, die unveränderlich sind. Vielmehr bieten die bisherigen Erkenntnisse der Psychologin Anknüpfungspunkte etwa für die betriebliche Gesundheitsvorsorge. „Die Herzschlagfolgen lassen sich langfristig durch einen gesunden Lebensstil und körperliche Bewegung positiv beeinflussen. Ein Bewusstsein für mehr Achtsamkeit wiederum lässt sich durch gezielte Trainings vermitteln“, so Schmid. Denn nicht alle Anforderungen eines Berufsfeldes ließen sich grundlegend ändern: Lehrkräfte seien per se mit Erwartungen von Eltern und Schülern konfrontiert, Klinikpersonal erfahre Zeitdruck und trage Verantwortung für das Leben anderer. Deshalb gelte es, Ressourcen zu stärken, welche die Personen aus sich selbst heraus nutzen können.
Für Nachfragen zu diesem Projekt steht Ihnen Regina Schmid (regina.schmid@ku.de; wissenschaftliche Mitarbeiterin der Professur für Psychologische Diagnostik und Interventionspsychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt) zur Verfügung.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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