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Wissenschaft
Idan Dershowitz, Professor für Hebräische Bibel und Exegese an der School of Jewish Theology der Universität Potsdam, hat Archivmaterial entdeckt und untersucht, das nahelegt, dass die sogenannten Shapira-Fragmente nicht wie lange angenommen von ihrem Finder gefälscht worden waren. Bei den Ende des 19. Jahrhunderts aufgetauchten Fragmenten könnte es sich, wie Dershowitz‘ Analyse des rekonstruierten Textes zeigen, um einen Vorläufer des Buches Deuteronomium aus der Zeit des ersten Jerusalemer Tempels – und damit um ein proto-biblisches Buch – handeln.
Damit wäre er der bei Weitem längste hebräische Text, der je aus dieser frühen Zeitepoche entdeckt wurde, was einschneidende Konsequenzen für das Verständnis der Bibel nach sich ziehen dürfte. Die Ergebnisse seiner Forschung hat Idan Dershowitz nun in der „Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft“ veröffentlicht.
Im Jahr 1883 präsentierte der Antiquitätenhändler Moses Wilhelm Shapira der Wissenschaft mehrere geschwärzte Lederfragmente, als deren Fundort er eine von Beduinen entdeckte Höhle nahe dem Toten Meer angab. Bei dem Inhalt dieser Fragmente schien es sich um eine eigenständige Version des biblischen Buches Deuteronomium zu handelt. Sollte das Britische Museum die Echtheit der Fragmente bestätigen, würde Shapira mit ihrem Verkauf angeblich bis zu einer Million Pfund verdienen. Während einige der Fragmente untersucht wurden, stellte man andere aus und zog damit zahlreiche Schaulustige an, sogar der damalige Premierminister William Gladstone besichtigte sie. Doch die Begeisterung währte nur kurz, da bald ein einstimmiges Urteil herrschte: Die Fragmente seien Fälschungen und Shapira selbst diesbezüglich unmittelbar verdächtig. Nur kurze Zeit später nahm er sich das Leben.
Nach der sensationellen Entdeckung der Schriftrollen vom Toten Meer Mitte des 20. Jahrhunderts kamen einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wieder auf die Shapira-Fragmente zu sprechen und erwogen, es könne sich um eine antike Kurzfassung des Deuteronomiums handeln. Doch leider waren die Fragmente zu diesem Zeitpunkt längst verschollen und die Beweislage reichte nicht aus, um den wissenschaftlichen Konsens einer Fälschung zu erschüttern.
Idan Dershowitz hat sich nun der Shapira-Fragmente angenommen und zeigt in einer neuen Untersuchung, dass diese Dokumente tatsächlich nicht nur uralt, sondern auch von weit größerer Bedeutung sein könnten, als bislang angenommen worden ist. „Die Komposition, die in diesen Fragmenten bewahrt ist – ich nenne sie die ‚Abschiedsworte Moses‘ (‚Valediction of Moses‘) –, basiert nicht, wie stets vermutet, auf dem Buch Deuteronomium“, erklärt der Experte für Hebräische Bibel und Exegese. „Im Gegenteil: Die ‚Abschiedsworte Moses‘ scheinen eine weit frühere Version des Deuteronomiums darzustellen.“ Damit handele es sich hierbei um ein proto-biblisches Buch, wie es in dieser Form noch nie zuvor gesehen worden sei.
In Berlin entdeckte Idan Dershowitz Archivmaterial, das die vorherrschende Ansicht, Shapira habe die Manuskripte gefälscht, untergräbt. In seiner philologischen Analyse des rekonstruierten Textes legt Dershowitz dar, dass es sich um einen Vorläufer des Deuteronomiums aus der Zeit des ersten Jerusalemer Tempels handeln dürfte. Damit wäre er der bei Weitem längste hebräische Text, der je aus dieser frühen Zeitepoche entdeckt wurde, was einschneidende Konsequenzen für das Verständnis der Bibel nach sich ziehen dürfte.
Dershowitz’ Artikel zum Thema wurde gerade in der Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft veröffentlicht. Sein Buch, das eine kommentierte kritische Textausgabe sowie deren umfangreiche Analyse enthält, wird in Kürze unter dem Titel „The Valediction of Moses: A Proto-Biblical Book“ erscheinen.
Zur Untersuchung:
Idan Dershowitz, The Valediction of Moses: New Evidence on the Shapira Deuteronomy Fragments, Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, DOI: https://doi.org/10.1515/zaw-2021-0001
Zum Buch:
Idan Dershowitz: The Valediction of Moses. A Proto-Biblical Book, https://www.mohrsiebeck.com/en/book/the-valediction-of-moses-9783161606441
Kontakt:
Prof. Dr. Idan Dershowitz, Professur für Hebräische Bibel und Exegese, Institut für Jüdische Theologie (Sekretariat)
E-Mail: dhansel@uni-potsdam.de, vorpahl@uni-potsdam.de
Medieninformation 18-03-2021 / Nr. 019
Daniel Vorpahl/Matthias Zimmermann
Universität Potsdam
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Tel.: +49 331 977-1474
Fax: +49 331 977-1130
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Prof. Dr. Idan Dershowitz, dhansel@uni-potsdam.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch
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