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30.03.2021 14:57

Durchblick bei komplexen Fertigungsprozessen

Britta Widmann Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Produktionsanlagen zu optimieren, damit diese energieeffizienter arbeiten oder weniger Ausschuss liefern, ist häufig schwierig, weil die Produktqualität von sehr vielen Parametern abhängt. Fraunhofer-Experten haben im Fraunhofer-Leitprojekt ML4P ein Verfahren und Softwaretools entwickelt, die industrielle Produktionsprozesse umfassend analysieren und wunschgemäß anpassen. ML4P eignet sich für viele verschiedene Industriezweige. Es wird vom 12. bis 16. April 2021 auf der Hannover Messe Digital Edition vorgestellt.

    Produkte »Made in Germany« genießen mehr denn je weltweit ein hohes Ansehen. Sehr gute Produktqualität bedeutet aber nicht unbedingt, dass die Herstellungsprozesse, die dahinterstecken, gänzlich perfekt wären. Ganz im Gegenteil: Viele Prozesse haben auch heute noch Optimierungsbedarf. In manchen Fällen gilt es, Energie zu
    sparen oder den Ausschuss zu verringern; in anderen soll die Produktion flexibler an die Nachfrage angepasst werden. Schwierig bleibt es auch, stets eine hohe Produktqualität sicherzustellen, wenn die Eigenschaften der Werkstoffe von Charge zu Charge wechseln.

    Die Komplexität von Produktionsanlagen knacken

    Doch viele eingespielte Herstellungsprozesse sind zu komplex, als dass man sie mal eben an die neuen Erfordernisse anpassen könnte. Einfach, weil zu viele Einflussgrößen zu berücksichtigen sind, als dass Menschen die Zusammenhänge durchschauen könnten. Aus diesem Grund haben sich vor drei Jahren sechs Fraunhofer-Institute im Leitprojekt »Machine Learning for Production – ML4P« zusammengeschlossen, um mithilfe des Maschinellen Lernens (ML) die Komplexität von Produktionsanlagen zu knacken und die Fertigung zu optimieren. Erste Ergebnisse werden vom 12. bis 16. April 2021 auf der Hannover Messe Digital Edition präsentiert. Die Partner haben eine Reihe von Software-Werkzeugen entwickelt, mit denen Daten aus der Produktion ausgewertet werden, um darin bislang unerkannte Zusammenhänge zu entdecken. Die Werkzeuge dienen aber nicht nur der Datenanalyse und Optimierung zu einem bestimmten Zeitpunkt – das war in forschungsnahen Umgebungen auch schon vor ML4P möglich. Vielmehr ermöglichen sie es darüber hinaus, die durch Maschinelles Lernen erreichte Verbesserung des Prozesses nachhaltig im normalen betrieblichen Entwicklungs- und Lebenszyklus zu verankern.

    Doch die Software sei nicht alles, sagt Lars Wessels, stellvertretender ML4P-Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe, das die Arbeiten der beteiligten Institute zu einem funktionstüchtigen Ganzen zusammenführt. »Im Projekt haben wir ein Vorgehensmodell entwickelt, mit dem wir uns zusammen mit dem Kunden schrittweise dem Ziel nähern. Es ist wichtig, von Anfang an ein klares Ziel zu definieren und frühzeitig zu überprüfen, ob sich dieses mit vertretbarem Aufwand und überschaubaren Kosten erreichen lässt.«

    Projekt verknüpft Anlagen- und Software-Kompetenz

    Zu den Projektpartnern gehören unter anderem Fraunhofer-Institute, die Expertise in der Entwicklung von Produktionsverfahren und -anlagen haben. Dadurch wurde es möglich, die gemeinsam entwickelten Software-Tools anhand realer Produktionsbedingungen zu erproben und zu optimieren – unter anderem an einer Anlage zum Biegen von Glas. Diese wurde in den vergangenen Jahren am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg aufgebaut. Mit der Anlage können große Glasscheiben in einem engen 90-Grad-Winkel gebogen werden. Diese Gläser sollen künftig beispielsweise als besonderes architektonisches Element als Eckfenster verbaut werden. Die Scheiben werden in einem Ofen vorgewärmt, per Laser an der Knickstelle präzise erhitzt und dann gebogen. Größen wie die Ofen-Temperatur, die Verweilzeit oder die Laser-Parameter müssen dazu präzise eingestellt werden. Die Freiburger Anlage läuft stabil. Gelegentlich aber entstehen Scheiben mit leicht gewellter Oberfläche oder anderen optischen Fehlern – Ausschuss. »Die Anlagenexperten erkennen zwar sofort, dass die Scheibe nicht in Ordnung ist«, sagt ML4P-Projektleiter Christian Frey vom Fraunhofer IOSB, »dennoch war oftmals unklar, was genau zu den Fehlern geführt hatte.« Für die Analyse wurden in dem Projekt daher alle Maschinen- und Produktionsparameter in die Software eingespielt und dann ausgewertet. »Bei Fertigungsprozessen wie diesem besteht die Herausforderung darin, dass hier kaum standardisierte Daten wie zum Beispiel bei Bild- oder Tondateien vorliegen, sondern heterogene Prozessdaten, die zunächst für eine automatisierte Analyse aufbereitet werden müssen. Das macht einen Großteil der Arbeit aus und erfordert, Anlagenexperten mit ihrem Prozesswissen einzubeziehen«, erklärt Lars Wessels.

    Digitalisierungsbedarf sicher abschätzen

    Wie sich zeigte, reichten im Freiburger Fall die vorhandenen Daten aber nicht aus. So mussten zusätzliche Wärmesensoren im Ofen installiert werden, die permanent die Innentemperaturen messen. »Für solche Fälle ist unser Vorgehensmodell ideal«, sagt Lars Wessels. »Wir können in enger Abstimmung mit dem Kunden rechtzeitig erkennen, welche Prozessdaten man benötigt, und prüfen, ob sich der Aufwand rechnet.« Im Freiburger Fall fiel die Prüfung positiv aus. Die Software-Tools können jetzt bewerten, unter welchen Bedingungen Fehler auftreten und damit auch vorhersagen, wie bestimmte Glasqualitäten idealerweise verarbeitet werden sollten – etwa Gläser unterschiedlicher Dicke.

    Neben dem Glasbiegeprozess haben die ML4P-Partner des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU am Standort Chemnitz Lösungen für die Warmblechumformung entwickelt, beispielsweise, um zu ermitteln, wie sich die Qualität des Blechs gewährleisten lässt, wenn man die Geschwindigkeit der Anlage erhöht. Am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und-automatisierung IFF in Magdeburg wiederum wird die Fertigung von Filtern so optimiert, dass weniger Ausschuss anfällt.

    »Je nach Grad der Automatisierung oder Digitalisierung einer Anlage kann es einfacher oder aufwändiger sein, eine Optimierung mit unseren ML4P-Werkzeugen durchzuführen«, sagt Christian Frey. »Mithilfe des mehrstufigen Vorgehensmodells aber können wir zusammen mit dem Kunden sehr schnell herausfinden, ob sich eine Aufrüstung der Anlage lohnt.« Das Vorgehensmodell helfe vor allem auch bei der Kommunikation zwischen den Anlagenexperten und den ML-Experten«, sagt Frey. »Gemeinsam schaut man sich im Detail die Anlage und die Daten an, definiert die Zielgröße. Dabei ist es uns sehr wichtig, das Wissen der Anlagenexperten in die ML4P-Software einfließen zu lassen.« Die in ML4P entwickelten Tools sollen künftig als Gesamtpaket angeboten werden – inklusive einer Beratung mithilfe des Vorgehensmodells.


    Weitere Informationen:

    https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2021/maerz-2021/durchbli...


    Bilder

    Versuchsstand des Fraunhofer IWU für die Warmblechumformung: Ofen, Presse, Roboter.
    Versuchsstand des Fraunhofer IWU für die Warmblechumformung: Ofen, Presse, Roboter.

    © Fraunhofer IWU


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Elektrotechnik, Informationstechnik, Maschinenbau, Mathematik, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

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