idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
31.03.2021 13:56

Erfolg durch Eierkuchen-Strategie: Spezielle Hitzebehandlung verbessert neuartiges magnetisches Material

Anne-Kristin Jentzsch Kommunikation und Medien
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

    Skyrmionen – winzige magnetische Wirbel – gelten als vielversprechende Kandidaten für die Informationsspeicher der Zukunft. Mit ihrer Hilfe könnten sich eine Datenspeicherung und -verarbeitung von enormer Kapazität umsetzen lassen. Ein Team unter der Federführung des HZDR hat ein Verfahren zur Herstellung eines speziellen magnetischen Dünnschichtmaterials entwickelt, in dem sich solche Magnetwirbel besonders effektiv unterbringen lassen. Eine zentrale Rolle bei der neuen Methode spielt die schlagartige Erwärmung des Materials durch kurze, sehr helle Lichtblitze, wie das Team in Advanced Functional Materials beschreibt.

    2009 war einem Forschungsteam eine bemerkenswerte Entdeckung gelungen: Die Fachleute fanden heraus, dass sich in einem Material namens Mangansilizid – einer Verbindung aus Mangan und Silizium – winzige magnetische Wirbel bilden können. Seitdem gelten diese Skyrmionen, benannt nach dem britischen Physiker Tony Skyrme, als vielversprechende Kandidaten für künftige Magnetspeicher. Sie lassen sich auf Oberflächen leicht erzeugen und löschen. Außerdem können sie mit einer Größe von einigen Nanometern (milliardstel Metern) deutlich kleiner sein als die Magnetbits auf den heutigen Festplatten, die etwa 50 Nanometer messen.

    „Hinzu kommt, dass sich Skyrmionen mit Strom vorteilhafter ansteuern lassen als mit Magnetfeldern, wie es bei den derzeitigen Festplatten geschieht“, erläutert Dr. Shengqiang Zhou, Physiker am HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung. „Mittels Ansteuern über einen elektrischen Strom erreichen wir eine bessere Skalierbarkeit. Dadurch könnten in Zukunft deutlich dichtere und schnellere Speicher gebaut werden.“ Doch auf dem Weg dahin gibt es noch manche Hürden zu meistern. Reagieren zum Beispiel Silizium und Mangan zu Mangansilizid-Kristallen, offenbart sich eine ungünstige Eigenschaft: Statt stets eine bestimmte, wohldefinierte Phase zu bilden, können sich beide Elemente zu vielen unterschiedlichen Kristallphasen zusammentun. Für die Bildung von Skyrmionen eignen sich vor allem dünne Schichten aus einer als B20-Phase bezeichneten MnSi-Verbindung.

    Unerwünschte Kristallphasen
    Dessen Produktion ist allerdings alles andere als leicht: Bei der Herstellung entsteht bislang unweigerlich auch eine andere, unerwünschte Kristallphase, MnSi1.7 genannt. Sie erschwert oder unterbindet sogar die Bildung von Skyrmionen. Konkret bildet sich das MnSi1.7 bevorzugt bei niedrigeren Temperaturen und insbesondere dann, wenn sich das Material nur langsam abkühlt. Das Team um Shengqiang Zhou hat nun eine Methode entwickelt, die das verhindert – am Ende bleiben dünne Schichten aus lupenreinem B20-MnSi.

    Kernelement des neuen Verfahrens ist eine spezielle Hitzebehandlung. „Es ist ein bisschen so wie bei einem Eierkuchen“, erklärt Zhou. „Damit er wirklich gut schmeckt, sollte er außen knusprig und innen möglichst weich sein.“ Das klappt am besten, wenn der Teig in eine heiße Pfanne gegossen wird: Dann ist er so schnell fertig, dass das Innere schön weich bleibt. Wird der Teig dagegen im Ofen zubereitet, erhitzt er sich viel regelmäßiger und härtet komplett aus – der Eierkuchen ist nur mäßig lecker.

    Erhitzen mit Blitzen
    Diese Eierkuchen-Strategie des schnellen, starken Erhitzens nahmen sich die Fachleute zum Vorbild. Das Kalkül: „Wenn wir einen auf einem Siliziumwafer liegenden Manganfilm ganz kurz erhitzen, bringen wir sehr wenig Energie in das Material ein", erklärt Zhou. „Dadurch kann es rasch wieder abkühlen – und zwar so schnell, dass das unerwünschte MnSi1.7 nicht genug Zeit hat sich zu bilden.“ Nur: Wie lässt sich etwas rasant und zugleich kräftig erhitzen? Die Arbeitsgruppe hatte die passende Lösung parat: Helle, intensive Blitze aus weißem Licht sollten die erforderlichen Eigenschaften zeigen.

    Derartige Blitze können die Forscher*innen vor Ort am „BlitzLab“ erzeugen, einem auf dem Rossendorfer Campus ansässigen Helmholtz Innovation Lab. Diverse Messreihen bestätigten die Vermutung: „Indem wir die Leistung der Blitze variierten, konnten wir das Verhältnis der unterschiedlichen Kristallphasen sehr präzise einstellen“, berichtet Shengqiang Zhou. „Bei relativ hohen Leistungen entstanden dann wie erhofft dünne Schichten aus reinem B20-MnSi.“

    Die Folge: Die Skyrmionen, die sich in diesen Schichten hervorrufen lassen, sind nun über einen deutlich größeren Temperatur- und Magnetfeldbereich stabil als zuvor bei diesem Material beobachtet. Zwar dürfte sich Mangansilizid selber kaum für den praktischen Einsatz eignen – es funktioniert nur bei sehr tiefen Temperaturen. Dafür aber könnte es als wichtiges Modell für andere, praktikablere Materialien dienen. „Bei vielen Verbindungen gibt es das Problem, dass sie unterschiedliche Phasen besitzen“, erläutert Zhou. „Und unser Ansatz könnte in Zukunft helfen, diese Phasen voneinander zu trennen.“

    Publikation:
    Z. Li, Y. Xie, Y. Yuan, Y. Ji, V. Begeza, L. Cao, R. Hübner, L. Rebohle, M. Helm, K. Nielsch, S. Prucnal, S. Zhou: Phase selection in Mn-Si alloys by fast solid-state reaction with enhanced skyrmion stability, in Advanced Functional Materials, 2021 (DOI: 10.1002/adfm.202009723)

    Weitere Informationen:
    Dr. Shengqiang Zhou
    Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
    Tel.: +49 351 260 2484 | E-Mail: s.zhou@hzdr.de

    Medienkontakt:
    Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
    Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
    Tel.: +49 351 260 3400 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de

    Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
    • Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
    • Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
    • Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
    Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
    Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Shengqiang Zhou
    Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
    Tel.: +49 351 260 2484 | E-Mail: s.zhou@hzdr.de


    Originalpublikation:

    Z. Li, Y. Xie, Y. Yuan, Y. Ji, V. Begeza, L. Cao, R. Hübner, L. Rebohle, M. Helm, K. Nielsch, S. Prucnal, S. Zhou: Phase selection in Mn-Si alloys by fast solid-state reaction with enhanced skyrmion stability, in Advanced Functional Materials, 2021 (DOI: 10.1002/adfm.202009723)


    Weitere Informationen:

    https://www.hzdr.de/presse/skyrmions_pancake_strategy_for_the_win


    Bilder

    Variieren die Forscher*innen die Leistung der Blitze, können sie das Verhältnis der unterschiedlichen Kristallphasen präzise beeinflussen.
    Variieren die Forscher*innen die Leistung der Blitze, können sie das Verhältnis der unterschiedliche ...
    Juniks
    HZDR/Juniks


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Kooperationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).