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Wissenschaft
Bakterien sind extrem anpassungsfähig. Je mehr Plastik in die Umwelt gelangt, desto wahrscheinlich ist es, dass sie Wege finden, Energie aus den Kunststoffen zu gewinnen und diese dabei abzubauen. Das könnte sich der Mensch zunutze machen. Die Kunst ist, die entsprechenden Bakterien zu finden. In der internationalen Fachzeitschrift Trends in Microbiology schlagen Kieler Forscher*innen jetzt einen neuen Ansatz vor, der die Suche schneller und den Plastikabbau effektiver gestalten soll.
Schon seit Jahrzehnten nutzt die Menschheit die Fähigkeiten von Bakterien, um die Umwelt sauber zu halten. Ein bekanntes Beispiel sind die biologischen Stufen von Kläranlagen. In ihnen zerlegen Bakterien und andere Mikroorganismen organische Schadstoffe im Abwasser in ihre Bestandteile. Doch in der jüngsten Vergangenheit nimmt ausgerechnet die Menge des Mülls aus langkettigen Kohlenstoffverbindungen – landläufig Kunststoff oder auch Plastik genannt – deutlich zu. Bislang sind kaum Bakterien bekannt, die Kunststoffe zerlegen können. Die Suche nach ihnen läuft weltweit aber auf Hochtouren.
Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel sowie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel schlägt jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Trends in Microbiology ein bislang vernachlässigtes Verfahren vor, um schneller und effektiver natürliche Abbau-Methoden für Kunststoffe auf Bakterien-Basis zu finden. „Wir schlagen vor, dass es viel mehr Sinn machen würde, ganze Bakteriengemeinschaften auf ihre Fähigkeiten zu testen anstatt einzelne Bakterienarten zu suchen, die Enzyme produzieren, mit denen sie Kunststoffe zerlegen können“, sagt Dr. Peter Deines vom GEOMAR, Hauptautor der Studie.
Die klassische Suche nach Bakterien mit bestimmten Fähigkeiten konzentriert sich auf einzelne Arten. Ist eine gefunden, die möglicherweise in der Lage ist, mit einem speziellen Enzym beispielsweise eine Kunststoffsorte zu zerlegen, wird die Erbinformation des Bakteriums nach dem Code für dieses Enzym abgesucht. „Dabei besteht aber die Gefahr, dass man nur schon bekannte Informationen findet und andere wichtige Fähigkeiten übersieht“, sagt Dr. Deines.
Außerdem birgt die Konzentration auf eine einzelne Bakterienart ein Risiko für die spätere Anwendung des Bakteriums und seines Enzyms, zum Beispiel in Bioreaktoren. „Aus der Ökosystembiologie wissen wir, dass Monokulturen nicht sehr widerstandsfähig sind. Tatsächlich haben Bioreaktoren mit nur einer Bakterienart eine hohe Ausfallrate“, berichtet der Kieler Mikrobiologe.
Bei dem von ihm und seinen Kolleg*innen favorisierten Ansatz werden deshalb an Orten, an denen Bakterien sehr wahrscheinlich mit Plastik in Berührung kommen, ganze Bakterienökosysteme beprobt. Das können die Mägen von Fischen, Biofilme auf Großalgen oder das Sediment des Meeresbodens sein. Im Labor werden diese bisher weitgehend unerforschten Bakteriengemeinschaften dann weiterem Plastik ausgesetzt. Zeigt sich, dass eine Gemeinschaft in der Lage ist, den Kunststoff abzubauen, wird sie für den nächsten Schritt ausgewählt.
„Wir schlagen vor, ganze Bakteriengemeinschaften im Labor für einen erhöhten Plastikabbau zu züchten. Diesen Prozess kann man sich ganz ähnlich vorstellen wie die Zucht von bestimmten Merkmalen bei Haustier- oder Pflanzenrassen. Bei dieser Methode müssen wir nicht vorher wissen, was wir suchen, sondern sind völlig ergebnisoffen. Die Gefahr, Fähigkeiten zu übersehen, ist deutlich geringer. Denn ein Bakterium, das alleine nichts mit Plastik anfangen kann, trägt in einer komplexen Gemeinschaft vielleicht doch entscheidend zu dessen Abbau bei“, sagt Dr. Deines. Durch die anschließende künstliche Selektion im Labor haben die mikrobiellen Gemeinschaften die Chance, ihre Fähigkeiten zum Plastikabbau im Laufe mehrerer Generationen zu verbessern. „Hier nutzen wir also einen Ansatz aus der Evolutionsbiologie“, ergänzt er.
Das Kieler Team will die vorgeschlagenen Methoden in nächster Zukunft auch praktisch umsetzen und sich dabei vor allem auf Bakteriengemeinschaften aus dem Ozean konzentrieren. „Letztendlich ist der Ozean die große Senke, in der die meisten Abfälle und Schadstoffe landen. Im Rahmen des Projekts PLASTISEA haben wir schon viele Proben aus dem zentralen Atlantik gewonnen. Diese nutzen wir jetzt, um sowohl auf klassischem Weg, als auch mit der neuen Methode nach Möglichkeiten zu suchen, Plastik auf biologischem Weg abzubauen. Aber natürlich kann man so auch nach Abbaumöglichkeiten für viele andere Schadstoffe suchen“, sagt Co-Autorin Prof. Dr. Hentschel Humeida, Leiterin der Forschungseinheit Marine Symbiosen am GEOMAR.
Borchert, E., K. Hammerschmidt, U. Hentschel, and P. Deines: Enhancing Microbial Pollutant Degradation by Integrating Eco-Evolutionary Principles with Environmental Biotechnology. Trends in Microbiology, https://doi.org/10.1016/j.tim.2021.03.002
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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