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07.06.2021 12:03

Wie viel Zufall steckt im Profifußball?

Sabine Maas Presse und Kommunikation
Deutsche Sporthochschule Köln

    Studie der Sporthochschule zeigt: Die Hälfte aller Treffer ist vom Zufall beeinflusst

    In der deutschen Bundesliga ist der FC Bayern München mittlerweile zum neunten Mal in Folge Deutscher Meister geworden. Es gibt aber auch immer wieder große Überraschungen im Profifußball, zum Beispiel der EM-Titel für Griechenland 2004 oder der sensationelle Meistertitel von Leicester City in der Premier League 2016. Lässt sich Erfolg wirklich immer systematisch erklären? Oder hat am Ende doch der Zufall einen entscheidenden Einfluss?

    Als Zufall gelten im Fußball Spielaktionen oder -situationen, die nicht planbar und somit auch nur schwer trainierbar sind: abgefälschte Schüsse, Bälle, die vom Pfosten zum Torschützen abprallen oder Tore, die unabsichtlich von einem Abwehrspieler vorbereitet werden. Während sich die Forschung im Fußball überwiegend auf die Analyse der Erfolgsfaktoren konzentriert, die im Training systematisch geschult werden können, wird die Rolle des Zufalls oftmals vernachlässigt. Denn Zufallsfaktoren können nur schwerlich in Übungs- oder Spielformen thematisiert werden.

    Dass sich allerdings hier ein genauerer Blick lohnt, zeigt jetzt eine Studie des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Deutschen Sporthochschule Köln. Das Team um Institutsleiter Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert analysierte insgesamt 7.263 Tore der englischen Premier League in den Saisons 2012/13 bis 2018/19. Die Wissenschaftler haben damit die bislang größte Big-Data-Studie zum Faktor Zufall im Profifußball in der Zeitschrift Journal of Sports Sciences publizieren können. Die Forscher identifizierten zunächst zufällige Einflüsse im Torerzielungsprozess, um anhand dieser Variablen die Zufälligkeit im Fußball quantifizieren zu können. Sechs grundlegende Variablen wurden einer früheren Studie entnommen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Abstaubertore, Distanzschüsse, abgefälschte Schüsse oder Tore, die aufgrund eines Fehlers in der Abwehr entstehen (z.B. Eigentor). Zusätzlich zu diesen Variablen berücksichtigten die Wissenschaftler weitere neun situative Variablen des Zufallseinflusses, unter anderem Saison, Spieltag, Spielort, Spielsituation, Toranzahl oder Teamstärke. Alle 7.263 Tore wurden dann auf das Vorliegen der genannten Variablen hin überprüft.

    Die Ergebnisse bringen Überraschendes zutage: Bei nahezu jedem zweiten Tor (46%) konnten die Wissenschaftler einen Zufallseinfluss identifizieren. Zudem ist der Anteil an Zufallstoren bei schwächeren Mannschaften sowie bei einem unentschiedenen Zwischenstand stärker ausgeprägt und hängt von der genauen Spielsituation ab (offenes Spiel, Freistoß, Ecke, Elfmeter). „Die Ergebnisse unterstreichen die wesentliche Rolle des Zufalls, da fast jedes zweite Tor durch glückliche Umstände begünstigt wurde“, fasst Fabian Wunderlich, Erstautor des jüngst erschienenen Papers, zusammen. „Interessant ist auch, dass der Anteil an Zufallstoren über die sieben Spielzeiten von 50 Prozent auf 44 Prozent gesunken ist. Dies könnte damit zusammenhängen, dass in der Spielvorbereitung immer professioneller und datenbasierter vorgegangen wird oder die Spieler technisch und taktisch immer besser ausgebildet sind“, erklärt der Wissenschaftler.

    Innerhalb des ausgewerteten Datensatzes von 2.451 Spielen endeten mehr als 60 Prozent aller Spiele entweder mit einem Unentschieden oder mit einer Tordifferenz von einem Tor. „Ein einziges zufälliges Tor kann also ausreichen, um den Spielausgang wesentlich zu verändern. Somit hat der Zufall nicht nur beim Tor selbst eine hohe Relevanz, sondern spielt auch für den Spielausgang eine entscheidende Rolle“, bilanziert Mitautor Daniel Memmert.

    Wenn wir den Faktor Zufall im Fußball besser verstehen, kann das wichtige Implikationen für Forschung und Praxis haben, sind die Forscher überzeugt. Trainer*innen und Spielanalyst*innen sollten den Zufall als einen entscheidenden Faktor einbeziehen und die Unterschiede zwischen Leistung und Erfolg noch stärker anerkennen. Institutsleiter Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert regt an: „Trainer*innen könnten sogar in Betracht ziehen, unkontrollierbare Situationen bewusst zu erzeugen, um Zufallseinflüsse im Torerzielungsprozess zu provozieren.“ Zwar scheint die Bedeutung des Zufalls – zumindest in der vorliegenden Studie – zu sinken, dennoch wird der Zufall weiterhin für die eine oder andere Überraschung im Fußball sorgen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Kontakt:
    Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik
    Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert & Fabian Wunderlich
    Tel.: +49 221 4982-4320
    E-Mail: its@­dshs-koeln.de


    Originalpublikation:

    https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/02640414.2021.1930685?src=&journ...


    Weitere Informationen:

    http://www.dshs-koeln.de/einerundemit Übrigens: In der neuen Folge unseres Wissenschaftspodcasts „Eine Runde mit…“ ist Fußballfachmann Daniel Memmert zu Gast. Er spricht auch über den Zufall im Fußball, aber darüber hinaus noch über viele weitere Parameter, die den Fußball von heute beeinflussen.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Mathematik, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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