idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) und das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung haben für die Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht, welche strukturellen Hindernisse überwunden werden müssen, um öffentliche Investitionen zu erleichtern.
Berlin/Düsseldorf. Die Kommunen haben über die vergangenen Jahre einen Investitionsrückstand von rund 150 Milliarden Euro aufgebaut. Um diesen Investitionsstau aufzulösen, braucht Deutschland eine öffentliche Investitionsoffensive: Rund 457 Milliarden Euro müssten innerhalb der nächsten zehn Jahre zusätzlich in die öffentliche Infrastruktur Deutschlands investiert werden. Schon in den letzten Jahren haben die Kommunen sukzessive ihre Investitionstätigkeit ausgeweitet. Trotzdem besteht zwischen den jährlich geplanten und tatsächlich getätigten Investitionen noch eine erhebliche Lücke. Auch ein großer Teil an Fördermitteln von EU, Bund und Ländern wird oft nur schleppend abgerufen.
Vor diesem Hintergrund haben das Difu und das IMK in einer Untersuchung die nichtmonetären Investitionshemmnisse der öffentlichen Hand detailliert analysiert. Aus den Ergebnissen ihrer Studie haben sie Handlungsempfehlungen zum Abbau dieser Hemmnisse entwickelt. Für die Umsetzung ist ein koordiniertes Handeln von Bund, Ländern und Kommunen erforderlich.
Die zentralen Handlungsbereiche:
Monetäre und nichtmonetäre Investitionshemmnisse zusammendenken
Die Entwicklung der Baukonjunktur der vergangenen 30 Jahre zeigt, dass die Investitionspolitik der öffentlichen Hand oft prozyklisch war – also in Krisen zurückgefahren und in Hochphasen wieder verstärkt wurde. Das verstärkte zyklische Schwankungen in der Bauwirtschaft und trug zu den aktuell beobachteten Kapazitätsengpässen bei. Denn aufgrund von personellen und technischen Besonderheiten konnte die Bauwirtschaft in den folgenden Boomphasen oft nur deutlich langsamer ihre Leistungsfähigkeit wiederherstellen, sodass auch öffentliche Aufträge nur mit Einschränkungen übernommen werden konnten. „Um die volkswirtschaftlichen Schäden aus solchen Entwicklungen künftig zu vermeiden, muss die öffentliche Investitionstätigkeit verstetigt werden“, so Dr. Katja Rietzler, Forscherin im IMK und Mitautorin der Studie. „Gerade für die Zeit nach Corona bedeutet dies, dass auf eine strenge Haushaltskonsolidierung zulasten der öffentlichen Investitionen verzichtet werden sollte“, ergänzt Professor Dr. Carsten Kühl, wissenschaftlicher Direktor des Difu, Auch in den Bauverwaltungen der Kommunen wurden in den vergangenen Jahren Planungskapazitäten abgebaut. Gleichzeitig werden in den kommenden fünf Jahren rund 17 Prozent der Mitarbeiter*innen in den baurelevanten Abteilungen der Kommunen aus Altersgründen ausscheiden.
Kapazitätsengpässe in den Bauverwaltungen der Kommunen abbauen
In einer im Rahmen der Studie durchgeführten Befragung gab rund jede fünfte Kommune an, dass Stellen im Hoch- und/oder Tiefbauamt seit längerer Zeit nicht besetzt seien. Viele Kommunen nehmen also Personalengpässe in der eigenen Bauverwaltung wahr und nennen die Verschiebung bzw. verspätete Realisierung von Bauvorhaben als Konsequenz. Hinzu kommt, dass vielfach Fördermittel nicht fristgerecht oder gar nicht abgerufen werden, weil Personal fehlt. Dies ist insofern problematisch, da die Studie von Difu und IMK einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einem Anstieg des Personalbestands in der Bauverwaltung und steigenden Bauinvestitionen der Kommunen nachweist. Insofern sollten die Kommunen zukünftig die eigenen Ausbildungskapazitäten gerade in technischen Berufen stärken und verwaltungsinterne Ausbildungskapazitäten ausbauen. Dazu zählen auch der Aufbau einer agilen Verwaltungsstruktur und der Einsatz digitaler Lösungen wie das „Building Information Management“ (BIM). „Bund und Länder sollten flankierend dazu ein entsprechendes Förderprogramm auflegen“, so Dr. Henrik Scheller, Teamleiter Wirtschaft und Finanzen am Difu und Mitautor der Studie. „Ein ‚Digitalpakt kommunale Bauämter‘ könnte kurzfristig Impulse für eine Verstetigung, Modernisierung sowie eine weitere Professionalisierung der öffentlichen Planungsverwaltungen anregen“.
„Komplexität“ von Genehmigungsverfahren und Standards reduzieren
Bei öffentlichen Infrastrukturvorhaben sind angesichts des mehrstufigen und komplexen Bauplanungs- und -genehmigungsverfahrens nicht nur unterschiedliche Fachverwaltungen zu koordinieren, sondern auch viele gesetzliche Einzelstandards zu berücksichtigen. Sie stellen die involvierten Fachverwaltungen der Kommunen vor Koordinationsherausforderungen, die oft zeitaufwändig sind. Dies gilt in besonderer Weise für kleinere und mittlere Kommunen. Daher empfiehlt das Forschungsteam die Verankerung einer gesetzlichen Pflicht, damit eine Bauausführung erst nach dem vollständigen Abschluss des gesamten Planungsprozesses unter Berücksichtigung der verschiedenen Teilabschnitte und Gewerke beginnen darf. So ließen sich zeit- und kostenintensive Inkompatibilitäten zwischen bereits errichteten Baubestandteilen und Nachplanungen reduzieren. Darüber hinaus wird die Einrichtung einer Kommission zur fortlaufenden Überprüfung der Vereinbarkeit gesetzlicher Bau- und Umweltstandards empfohlen – vor allem unter Berücksichtigung des Baugesetzbuches des Bundes sowie den Bauordnungen der Länder.
Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung professionalisieren
Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit stellen per se kein Investitionshemmnis dar – zumal sie gesetzlich vorgesehen sind. Allerdings kann sich ihre unzureichende Vorbereitung und Durchführung als problematisch und zeitkritisch erweisen. Die Studie zeigt hier, dass mit einer steigenden Bauinvestitionstätigkeit offenbar auch eine steigende Anzahl von Bürgerbegehren einhergeht. Zur Beschleunigung von öffentlichen Planungsprozessen und Bauvorhaben empfiehlt es sich deshalb, dass Kommunen eine frühzeitige und professionell organisierte Öffentlichkeitsbeteiligung als festen Bestandteil in den Planungsprozess integrieren.
Virtuelle Pressemappe des Difu mit Grafiken und weiteren Informationen:
https://difu.de/16692
Die vollständige Studie, Pressematerialien und Kontakte finden Sie hier:
https://fes.de/investitionsoffensive
______________________________
Der Text ist selbstverständlich frei zur Weiternutzung - über ein Belegexemplar bzw. einen Beleglink an die Difu-Pressestelle würden wir uns sehr freuen.
Kurzinfo: Deutsches Institut für Urbanistik
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) ist als größtes Stadtforschungsinstitut im deutschsprachigen Raum die Forschungs-, Fortbildungs- und Informationseinrichtung für Städte, Kommunalverbände und Planungsgemeinschaften. Ob Stadt- und Regionalentwicklung, kommunale Wirtschaft, Städtebau, soziale Themen, Umwelt, Verkehr, Kultur, Recht, Verwaltungsthemen oder Kommunalfinanzen: Das 1973 gegründete unabhängige Berliner Institut - mit einem weiteren Standort in Köln (Bereich Umwelt) - bearbeitet ein umfangreiches Themenspektrum und beschäftigt sich auf wissenschaftlicher Ebene praxisnah mit allen Aufgaben, die Kommunen heute und in Zukunft zu bewältigen haben. Der Verein für Kommunalwissenschaften e.V. ist alleiniger Gesellschafter des in der Form einer gemeinnützigen GmbH geführten Forschungsinstituts.
Dr. Henrik Scheller
+49 30 39001-295
scheller@difu.de
Christian Raffer
+49 30 39001-198
raffer@difu.de
https://repository.difu.de/jspui/handle/difu/581774
http://difu.de/16692 (Virtuelle Pressemappe mit Grafiken, Bildmaterial und weiteren Informationen)
Finanzen spielen für Kommunen eine zentrale Rolle: Bauinvestitionen und empfangene Investitionszusch ...
Folgen von Personalengpässen in den Bauverwaltungen für die Investitionstätigkeit der Kommune
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Bauwesen / Architektur, Politik, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).