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28.06.2021 16:40

Offenlegung von Unternehmenssteuerzahlungen kann Kleinanleger verwirren

Nicolas Vogt Presse und Öffentlichkeitsarbeit
WHU - Otto Beisheim School of Management

    Für die G7-Staaten hat das Thema hohe Relevanz: Um der Öffentlichkeit zu zeigen, ob Unternehmen ihren "fairen Anteil" zahlen, verlangen Politiker und Regulierungsbehörden zunehmend, dass Unternehmen offenlegen, wie viele Steuern sie zahlen. Eine wissenschaftliche Studie zeigt, dass solche Angaben irreführend sein können: Nicht alle Firmen, die wie beispielsweise Start-ups nur geringe Steuern zahlen, sind notwendigerweise "schlechte" Unternehmer. Die Details gehen jedoch leichter verloren, wenn die Offenlegung sich nur auf die Steuerzahlungen konzentriert.

    Große multinationale Konzerne stehen schnell im Verdacht, Steuern in den Ländern vermeiden zu wollen, in denen sie tätig sind. Den G7-Staaten ist das ein Dorn im Auge, sodass sie sich Anfang Juni 2021 erstmals auf einen globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent verständigten. Und auch eine Offenlegung der Steuerzahlungen von Unternehmen ist in der Diskussion, um den Druck auf sie zu erhöhen und es Anlegern zu ermöglichen, aggressive Steuervermeider zu umgehen. Die Studie „Public Tax Disclosures and Investor Perceptions“, die an der WHU – Otto Beisheim School of Management, der Universität Tilburg und der ESMT Berlin entstanden ist, kommt zu dem Ergebnis, dass die Veröffentlichung der Steuerzahlungen eher Verwirrung stiften als nützen könnte. Denn die Zahlen werden häufig falsch interpretiert.

    Die Studie macht deutlich, dass eine Offenlegungspflicht für Steuerzahlungen Kleinanlegern die Bewertung gezahlter Steuern von Unternehmen sogar erschweren kann. Kleinanleger informieren sich ohne Offenlegungspflicht in der Regel aus verschiedenen Quellen über ein Unternehmen. Dabei beziehen sie auch Informationen wie Verlustvorträge in ihre Überlegungen mit ein, die für Unternehmen ein legitimes Mittel zur Steuersenkung darstellen. Bekommen sie durch die Offenlegung einfach die Summe der gezahlten Steuern unter dem Strich präsentiert, entfällt für sie (scheinbar) die Notwendigkeit, selbst zu recherchieren, wie diese Zahl zustande gekommen ist. Häufig führt das zu Fehlinterpretationen solch bruchstückhafter Informationen. Auch legitime Mittel der Steuersenkung werden so außer Acht gelassen, und Unternehmen geraten schnell in den Verdacht, aggressive Steuervermeider zu sein. Die blanke Summe der gezahlten Steuern ist schnell irreführend und erspart nur scheinbar die weiterführende, eigene Recherche. Umgekehrt bedeutet das, dass Kleinanleger stärker zwischen Unternehmen differenzieren, wenn keine Offenlegungspflicht besteht, weil sie dann mehr Zeit damit verbringen, herauszufinden, auf welche Weise die Firma ihre Steuerzahlungen an ihrem Hauptsitz gesenkt hat.

    Kleinanleger sollten sich also bewusst darüber sein, dass die offengelegten Informationen nur begrenzte Aussagekraft darüber haben, ob das Unternehmen seinen fairen Anteil an Steuern zahlt. Sie sollten Unternehmen nicht vorschnell nur auf Grundlage der gezahlten Bilanzsteuer beurteilen. Wenn Regulierungsbehörden und politische Entscheidungsträger, wie z. B. die EU, sich für eine verpflichtende Offenlegung ausgewählter Steuerinformationen entscheiden, sollten sie klarstellen, dass diese Informationen für eine Beurteilung aller Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen. Sollten die Regulierungsbehörden in Zukunft die Offenlegung bestimmter Steuerinformationen von Firmen verlangen, könnten sie diese um einen eigenen, freiwilligen Transparenzbericht ergänzen. So könnten sie die Zahlen ins Verhältnis setzen und erklären, warum die Steuerzahlungen möglicherweise sehr niedrig waren, ohne dass Steuerzahlungen aggressiv vermieden wurden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Victor van Pelt: Victor.vanPelt@whu.edu


    Originalpublikation:

    Dierynck, B./Jacob, M./Müller, M./Peters, C./van Pelt, V. (2021): Public Tax Disclosures and Investor Perceptions. Verfügbar auf http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3729938


    Weitere Informationen:

    https://www.whu.edu/de/forschung/whu-knowledge/schafft-die-offenlegung-von-steue... Lesen Sie den detaillierten Artikel auf WHU Knowledge


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Politik, Psychologie, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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