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Wissenschaft
Das räumliche Denkvermögen von Kleinkindern lässt darauf schliessen, wie leicht ihnen später Mathematik fällt. Zu diesem Schluss kommen Forschende der Universität Basel und plädieren für mehr Förderung der räumlichen Vorstellungskraft.
Solide Fähigkeiten in Mathematik öffnen Türen für eine Karriere in Naturwissenschaften, Technik oder Ingenieurwesen. In einer schweizweiten Untersuchung zu Grundkompetenzen im Jahr 2019 schnitten Schülerinnen und Schüler in Mathematik allerdings mässig ab. Doch es gibt einen möglichen Ansatzpunkt, mathematische Fähigkeiten bereits von klein auf zu fördern. Dies berichten Forschende um Dr. Wenke Möhring von der Universität Basel nach Untersuchungen mit knapp 600 Kindern.
Das Team hat gezeigt, dass bei Kindern ein Zusammenhang zwischen ihrem räumlichen Vorstellungsvermögen mit drei Jahren und ihren mathematischen Fähigkeiten in der Primarschule besteht. «Aus früheren Studien wissen wir, dass Erwachsene sich im Umgang mit Zahlen ein räumliches Bild machen – beispielsweise kleine Zahlen links verorten und grosse rechts», erklärt Möhring. «Aber es ist kaum erforscht, ob frühes räumliches Denken beeinflusst, wie Kinder später Mathematik lernen und begreifen.»
Gute Voraussetzung für Mathe-Verständnis
Die Studie, die im Fachjournal «Learning and Instruction» erschienen ist, liefert Hinweise dafür: Demnach gibt es einen robusten Zusammenhang zwischen räumlichen Fertigkeiten und dem späteren mathematischen Verständnis. Auch konnten die Forschenden ausschliessen, dass dieser Zusammenhang durch andere Faktoren wie den sozioökonomischen Status oder die Sprachfertigkeiten zustandekommt. Wie genau die räumlichen und mathematischen Fähigkeiten bei den Kindern zusammenhängen, ist derzeit noch ungeklärt, aber die räumliche Vorstellung von Zahlen könnte eine Rolle spielen.
Die Ergebnisse beruhen auf der Auswertung der Daten von 586 Basler Kindern, die im Rahmen eines Projekts zum Thema Spracherwerb von Deutsch als Zweitsprache erhoben wurden. Die Forschenden stellten den zu Anfang dreijährigen Kindern eine Reihe von Aufgaben zu kognitiven, sozio-emotionalen und eben auch räumlichen Fähigkeiten. Dabei sollten die Kinder beispielsweise farbige Würfel zu bestimmten Formen legen. Diese Tests wiederholten die Forschenden viermal im Abstand von rund 15 Monaten, und sie verglichen die Ergebnisse mit den schulischen Leistungen der Kinder mit sieben Jahren im ersten Schuljahr.
Entwicklungsdynamik spielt keine Rolle
Im Fokus der Forschenden stand auch, ob die Entwicklungsgeschwindigkeit – also eine besonders schnelle Entwicklung der räumlichen Fähigkeiten – auf spätere mathematische Fähigkeiten hindeutet. Frühere Studien mit geringeren Teilnehmerzahlen hatten von einem solchen Zusammenhang berichtet. Möhring und ihre Kollegen konnten dies mit ihrer Auswertung nicht bestätigen. Kinder, die mit drei Jahren mit geringeren räumlichen Fertigkeiten starteten, entwickelten diese in den Folgejahren zwar schneller, schnitten aber mit sieben Jahren in Mathematik immer noch schlechter ab. Auch gelang es diesen Kindern trotz der schnelleren Entwicklung nicht, die Kinder mit besserem räumlichen Denken bis zum Schuleintritt komplett einzuholen.
«Eltern sind oft sehr um die sprachliche Förderung ihrer Kinder bemüht», sagt Möhring. «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, wie wichtig auch die frühe Förderung des räumlichen Denkens ist.» Dafür gebe es einfache Mittel wie den Gebrauch «räumlicher Sprache» (wie grösser, kleiner, gleich, oben, unten) und Spielzeug wie Bauklötze, die das räumliche Denken fördern.
Räumliches Denken und die Geschlechter
In ihrer Auswertung stellten die Forschenden fest, dass sich Buben und Mädchen mit drei Jahren im räumlichen Denken praktisch nicht unterschieden. In den Folgejahren entwickelt sich dieses bei Mädchen jedoch langsamer. Möhring und ihre Kollegen vermuten, dass Buben womöglich mehr «räumliche Sprache» hören und typische Buben-Spielsachen oft das räumliche Denken fördern, während auf Mädchen ausgerichtete Spielsachen vor allem soziale Fertigkeiten ansprechen. Hinzu kommt, dass Kinder womöglich die Erwartungshaltung Erwachsener verinnerlichen und damit aufwachsen, Klischees zu entsprechen – wie zum Beispiel dem Klischee, dass Frauen im räumlichen Denken und Mathematik schlechter abschneiden.
Dr. Wenke Möhring, Universität Basel, Fakultät für Psychologie, Tel. 061 207 05 85, E-Mail: wenke.moehring@unibas.ch
Wenke Möhring, Andrew D. Ribner, Robin Segerer, Melissa E. Libertus, Tobias Kahl, Larissa Maria Troesch, Alexander Grob
Developmental Trajectories of Children’s Spatial Skills: Influencing Variables and Associations with Later Mathematical Thinking
Leaning and Instruction (2021), doi: https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2021.101515
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Denken-in-3D-foerdert-mathema...
https://psychologie.unibas.ch/de/forschung/forschungsschwerpunkte/persoenlichkei...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Mathematik, Pädagogik / Bildung, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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