idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.07.2021 09:38

Teure Invasion: Nicht-heimische Arten verursachten in Europa zwischen 1960 und 2020 Kosten von über 116 Milliarden Euro

Judith Jördens Senckenberg Pressestelle
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

    Senckenberg-Wissenschaftler*innen haben gemeinsam mit einem internationalen Team die durch invasive Arten entstandenen Kosten in Europa und Deutschland untersucht. In ihren heute im Fachjournal „NeoBiota“ erscheinenden Studien zeigen sie, dass in den europäischen Ländern im Zeitraum 1960 bis 2020 Schäden von mehr als 116,61 Milliarden Euro durch nicht-heimische Arten entstanden sind. In Deutschland sind es für denselben Zeitraum geschätzte 8,21 Milliarden Euro. Die Ausgaben verzehnfachten sich laut den Forschenden in jeder Dekade – zudem seien die realen Kosten wahrscheinlich um ein Vielfaches höher.

    Die Wanderratte, das Beifußblättrige Traubenkraut Ambrosia artemisiifolia, das Wildkaninchen, der Asiatische Eschenprachtkäfer und die Plattwurmart Gyrodactylus salaris haben eines gemeinsam: Sie gelten in Europa als die fünf größten Kostenverursacher unter den invasiven Arten. „Allein die Wanderratte hat im europäischen Raum innerhalb von 60 Jahren Kosten von etwa 5,5 Milliarden Euro verschuldet“, erläutert Dr. Phillip J. Haubrock von der Außenstelle Gelnhausen am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.

    Haubrock und ein internationales Team haben einen genauen Blick auf die durch invasive Arten verursachten Schäden und Kosten in Europa und Deutschland geworfen. Grundlage ihrer Berechnungen ist die Datenbank InvaCost, in welcher eine globale Bewertung der wirtschaftlichen Schäden durch gebietsfremde Arten erfasst ist. „Wir haben erstmalig umfassend und detailliert die Kosten, die durch invasive Arten in europäischen Ländern entstanden sind, quantifiziert und deren Trends über einen Zeitraum von 60 Jahren beobachtet“, fügt Haubrock hinzu. Die Gesamtkosten der invasiven Arten beliefen sich zwischen 1960 und 2020 auf 116,61 Milliarden Euro, wobei Großbritannien, Spanien, Frankreich und Deutschland die höchsten Kosten zu verzeichnen hatten. In der Land- und Forstwirtschaft verursachten die nicht-heimischen Tiere und Pflanzen dabei die größten wirtschaftlichen Schäden.

    „Die Gründe für die Einwanderung und Einschleppung invasiver Arten sind vielfältig: Tourismus, Klimaerwärmung, Handel, Verkehr. Deutschland betreibt in seiner zentralen Lage beispielsweise einen intensiven Warenverkehr mit anderen Staaten, der sicherlich einer der Hauptursachen für die Verbreitung und Einführung gebietsfremder Arten ist“, so der Gelnhäuser Biologe. Um die wirtschaftlichen Kosten von Invasionen in Deutschland zu ermitteln, haben die Forschenden die vorliegenden Daten analysiert: Insgesamt werden die wirtschaftlichen Kosten zwischen 1960 und 2020 auf 8,21 Milliarden Euro geschätzt. Diese Summe schließt potentielle Kosten von 7,45 Milliarden Euro ein, die auf extrapolierte Daten für einige wenige invasive Arten – den amerikanischen Ochsenfrosch, die Spätblühende Traubenkirsche Prunus serotina sowie die Bisamratte Ondatra zibethicus und den Amerikanischen Mink – zurückzuführen sind.

    „Wir konnten zudem einen linearen Anstieg der Kosten sowohl auf europäischer Ebene, als auch in Deutschland feststellen: pro Dekade kam es zu einer Verzehnfachung der wirtschaftlichen Schäden!“, erklärt Haubrock. Und diese Kosten sind laut den Forscher*innen sogar vermutlich immer noch zu gering angesetzt. Haubrock hierzu: „In Deutschland verursachen laut der aktuellen Datenlage von den knapp 200 als invasiv geführten Arten nur 28 Arten entsprechende Kosten. Arten, wie beispielsweise der Nordamerikanische Waschbär – der nachweislich bereits Schäden in Deutschland verursacht – sind noch überhaupt nicht in der Rechnung erfasst.“
    In ihrer Studie weist das Wissenschaftler*innen-Team außerdem darauf hin, dass einige der entstehenden Ausgaben schwer zu quantifizieren sind und nennt die Beeinträchtigung menschlicher Gesundheit oder das Verdrängen heimischer Arten als Beispiele für indirekte Kosten.

    „Nicht alle invasiven Arten verursachen wirtschaftliche Schäden, aber die entstehenden Kosten werden vermutlich extrem unterschätzt und liegen wohl um ein Vielfaches höher. Die Invasionsraten steigen weiter und wir müssen davon ausgehen, dass auch die wirtschaftlichen Kosten diesem Trend folgen. Um die wachsenden wirtschaftlichen und ökologischen Probleme invasiver Arten auf regionaler oder Länderebene anzugehen, müssen Erhebung, Berichterstattung und Bewertung der Schäden erheblich verbessert werden. Managementbudgets und Gegenmaßnahmen werden oft auf Regierungsebene festgelegt, und so ist die Quantifizierung der Kosten auf nationaler Ebene der entscheidende erste Schritt. Doch in unserer globalisierten und zunehmend vernetzten Welt wird die Verhinderung und Eindämmung von Schäden nur im internationalen Gleichschritt gelingen“, schließt Haubrock.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Phillip J. Haubrock
    Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
    Tel. 06051- 61954 3125
    phillip.haubrock@senckenberg.de


    Originalpublikation:

    Economic costs of invasive alien species across Europe
    doi: 10.3897/neobiota.@@.58196

    Economic costs of invasive species in Germany
    doi: 10.3897/neobiota.@@.59502


    Bilder

    Allein die Wanderratte hat im Zeitraum 1960 bis 2020 Kosten von etwa 5,5, Milliarden Euro in Europa verursacht.
    Allein die Wanderratte hat im Zeitraum 1960 bis 2020 Kosten von etwa 5,5, Milliarden Euro in Europa ...
    Guila Daley
    Senckenberg/G. Daley


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).