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Rassistische Vorfälle bei Polizeikontrollen sorgen weltweit immer wieder für Schlagzeilen. Ein Forschungsteam der Universität Hamburg und der FernUniversität Hagen hat nun speziell den gesellschaftlichen Kontext polizeilichen Handelns untersucht. Dabei wurden Zusammenhänge zwischen den Vorurteilen der örtlichen Bevölkerung und der Polizeiarbeit deutlich. Die Ergebnisse werden im renommierten Fachjournal „Psychological Science“ veröffentlicht und sind bereits jetzt als Preprint abrufbar.
In Debatten über Rassismus spielt – sowohl in den USA als auch in Deutschland – immer wieder das „Racial Profiling“ bei der Polizei eine Rolle. Die Annahme ist, dass bestimmte polizeiliche Maßnahmen, wie zum Beispiel Personenkontrollen, überproportional häufig bei Menschen durchgeführt werden, die aufgrund von äußeren Merkmalen wie der Sprache, der Hautfarbe oder einer zugeschriebenen Religionszugehörigkeit als fremd angesehen werden. Solche pauschalen Verdächtigungen widersprechen dem Diskriminierungsverbot.
Doch sind diese Vorkommnisse Einzelfälle oder ist die Diskriminierung ein Ausdruck von Stereotypen und Vorurteilen, die auch in der restlichen Gesellschaft verbreitet sind? In einem Forschungsprojekt untersuchte ein sozialpsychologisches Team der Universität Hamburg und der FernUniversität Hagen den gesellschaftlichen Kontext, in dem polizeiliches Handeln stattfindet. Dafür werteten die Forscherinnen und Forscher Daten von 130 Millionen Verkehrskontrollen aus den USA aus. Diese Stopps sind oft Ausgangspunkt für weitere Ungleichbehandlung in der Polizeiarbeit, etwa durch häufigere Durchsuchungen und Verhaftungen von Schwarzen Fahrerinnen und Fahrern.
Die Gruppe kombinierte dazu zwei Forschungsansätze: Zuerst wurden reale Verkehrsdaten auf die relative Häufigkeit polizeilicher Verkehrskontrollen von Schwarzen und Weißen Fahrerinnen und Fahrern hin analysiert. Hier zeigte sich, dass Schwarze Fahrerinnen und Fahrer insgesamt deutlich häufiger gestoppt werden, als nach ihrem relativen Bevölkerungsanteil zu erwarten wäre. In einem nächsten Schritt untersuchten die Forschenden die vorliegenden Daten aus Untersuchungen zu rassistischen Vorurteilen der Bewohnerinnen und Bewohner aus den entsprechenden Regionen.
Dabei zeigte sich, dass Polizistinnen und Polizisten in Regionen, in denen mehr Weiße Menschen mit im Mittel stärkeren rassistischen Einstellungen leben, dazu neigen, Schwarze Autofahrerinnen und Autofahrer überproportional häufig zu kontrollieren. Das Team untersuchte dabei auch verschiedene Arten von Vorurteilen, etwa die Assoziation Schwarzer Menschen mit Gewalttaten. Allerdings waren die Kontrollen von Schwarzen Fahrerinnen und Fahrern in Regionen, in denen die Assoziationen weit verbreitet waren, nicht auffällig häufiger. Vielmehr war dies dort der Fall, wo bei der Weißen Bevölkerung allgemein eine besonders ausgeprägte ablehnende Haltung gegenüber Schwarzen Menschen vorlag.
Die Forschenden leiten daraus ab, dass polizeiliche Diskriminierung nicht ausschließlich mit rassistischen Einstellungen und Entscheidungen individueller Polizistinnen und Polizisten zu erklären ist. Vielmehr spiegeln sich in der Polizeiarbeit indirekt Einstellungen und Normen der Gesellschaft wider, die sich etwa in der Medienberichterstattung, in der Lokalpolitik, aber auch in Dienstanweisungen innerhalb der Polizeibehörde äußern können. „Es gibt offensichtlich Zusammenhänge, aber bisher lassen sich noch keine Kausalaussagen ableiten“, erklärt Prof. Dr. Juliane Degner, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Hamburg. Agieren Polizistinnen und Polizisten diskriminierend, weil dies der Stimmung in ihrem Arbeitsumfeld entspricht? Oder sind Vorurteile in bestimmten Regionen besonders verbreitet, weil dort häufiger Schwarze Menschen kontrolliert und damit in den Verdacht der Kriminalität gebracht werden?
Laut Degner müsse im nächsten Schritt erforscht werden, welche individuellen und gesellschaftlichen Faktoren genau zu systematischen Ungleichbehandlungen führen und auch, ob beziehungsweise in welchem Ausmaß sich diese Forschungsergebnisse auf Deutschland übertragen lassen.
Prof. Dr. Juliane Degner
Universität Hamburg
Arbeitsbereich Sozialpsychologie
Tel.: +49 40 42838-5530
E-Mail: juliane.degner@uni-hamburg.de
Dr. Iniobong Essien
Leuphana Universität Lüneburg
Sozial- und Organisationspsychologie der sozialen Arbeit
Tel.: +49 4131 677 2994
E-Mail: iniobong.essien@leuphana.de
Stelter, M., Essien, I., Sander, C., & Degner, J. (2021, August 13). Racial bias in police traffic stops: White residents' county-level prejudice and stereotypes are related to disproportionate stopping of Black drivers. https://doi.org/10.31234/osf.io/djp8g
https://doi.org/10.31234/osf.io/djp8g Preprint-Veröffentlichung der neuen Studie
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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