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Jede sinnstiftende Erzählung braucht eine klare Zukunftsperspektive mit plausiblen Handlungsanweisungen – das macht ein gutes Narrativ aus. Je klarer ein solches Narrativ ist, umso mehr Menschen lassen sich beispielsweise überzeugen, politische Maßnahmen für mehr Klimaschutz mitzutragen. Mit welchen Narrativen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine Transformation hin zu einer klügeren und nachhaltigeren Ressourcensteuerung auf den Weg bringen, ist einer der Schwerpunkte, die sich die Politik- und Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Sina Leipold für ihre Forschung gesetzt hat. Sie leitet seit September das Department Umweltpolitik am UFZ und wurde gemeinsam mit der FSU Jena berufen.
Nachhaltigkeitsnarrativen hat sich Sina Leipold bereits an der Universität Freiburg gewidmet, wo sie zwischen 2017 und Sommer 2021 Juniorprofessorin war und die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Nachwuchsforschungsgruppe „Circulus – Transformationspfade und -hindernisse zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in der Bioökonomie“ leitete. Die Forschungsarbeiten zielten darauf ab, ein Verständnis für die Entstehung und die möglichen Wege einer Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Die Ergebnisse geben Anregungen, wie neue Narrative gestützt sowie Monitoring- und Steuerungsinstrumente entworfen werden können, um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. „Das ursprüngliche Narrativ der Kreislaufwirtschaft, dass wir technische Lösungen einsetzen sollten, um die Effizienz zu steigern, war wirkungsvoll“, bilanziert Sina Leipold, die das unter anderem am Beispiel des 2019 in Kraft getretenen deutschen Verpackungsgesetzes untersuchte. Gleichzeitig seien aber viele Stakeholder der Kreislaufwirtschaft nicht zufrieden gewesen, weil sich nichts Wesentliches verändert habe. „Es gibt eben nicht nur das eine Effizienz-Narrativ, sondern auch ein neues, nämlich, dass es einen grundsätzlichen Systemwechsel braucht“, sagt sie. Das gibt ganz andere Handlungsanweisungen vor als Effizienzsteigerung, wie zum Beispiel, den Materialeinsatz zu reduzieren, Materialien nicht wegzuschmeißen, sondern zu reparieren oder wiederzuverwenden, sowie eine stärkere Kultur des Teilens von Gütern mit den Mitmenschen.
Am UFZ will Sina Leipold ihre inter- und transdisziplinäre Forschung zu den politischen Narrativen ausbauen. „Ziel ist, erfolgreiche Strategien zu identifizieren, wie Narrative verändert werden können“, sagt sie. Hierzu will sie beispielsweise bestehende Erkenntnisse zu Umwelt-Narrativen sammeln und empirisch testen. Zudem will die Umweltpolitologin herausfinden, wie Modelle, Szenarien und Indikatoren helfen können, Narrative für die Nachhaltigkeitstransformation zu stützen. „Interessant wäre es beispielsweise zu prüfen, was Konzepte wie der ökologische Fußabdruck wirklich bringen und welche Alternativen an narrativen und politischen Wirkmechanismen möglich sind, um etwa den Konsum von Lebensmitteln oder den Verbrauch von Verpackungen zu verändern“, sagt sie. Es gebe immer noch sehr viele politische Instrumente, die von theoretischen Annahmen über die Umweltwirkung ausgehen, aber noch nicht vollständig überprüft wurden und womöglich gar nicht die Effekte bringen, die man sich eigentlich erhofft hat.
Wichtig ist für die Umweltpolitologin die Praxisrelevanz ihrer Forschung. Ihr Freiburger Team verglich zum Beispiel die Umweltwirkungen von einem PET-Obstkörbchen und einem Wellpappe-Körbchen mit Klarsichtfolie. Im Ergebnis könnte der CO2-Fußabdruck bis zu 34 Prozent reduziert werden, wenn alle in Deutschland verkauften Obstkörbchen aus Wellpappe hergestellt würden. Doch da dafür Pappe und Papier hergestellt, transportiert und recycelt werden, schmilzt das Einsparpotenzial rasch dahin, wenn der Verbrauch insgesamt nicht gesenkt wird. „Das ist ein echter Rebound-Effekt: Die Sachen werden besser recycelt, man hat mehr zur Verfügung und die Leute konsumieren es umso mehr, so dass die Abfallmengen im Endeffekt jedes Jahr wachsen“, sagt sie. Ihre Forschung soll anwendungsbezogen sein, damit Politik, Wirtschaft oder die Gesellschaft die Ergebnisse auch umsetzen können. „Wir wollen Alternativen aufzeigen und Probleme der Umweltwirkungen von verschiedenen Narrativen diskutieren.“ Ergebnisse etwa zum Verpackungsgesetz in die breitere Öffentlichkeit zu kommunizieren, wie sie das z.B. in der TV-Sendung „Planet Wissen“ oder in einer Online-Diskussionsrunde mit der Bundesbildungsministerin tat, ist ihr obendrein ein wichtiges Anliegen: „Ich habe das Gefühl, dass es derzeit insbesondere unter den jüngeren Menschen in der Bevölkerung ein starkes Interesse für Umweltpolitik gibt. Das sollten wir aufgreifen“.
Für ihre herausragende Forschung, die sich durch eine hohe Politik- und Praxisrelevanz auszeichnet, wird Sina Leipold am 15. November mit dem Albert-Bürklin-Preis 2021 ausgezeichnet. Das gab das Kuratorium der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg am 04. Oktober 2021 in einer Pressemitteilung bekannt.
Sina Leipold, 1985 im thüringischen Sonneberg geboren, studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum, der Jawaharlal Nehru University in New Delhi, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales (FLACSO) in Buenos Aires. Sie promovierte 2016 an der Universität Freiburg zur Einflussnahme von Interessensgruppen auf Narrative der internationalen Waldpolitik. Zwischen 2017 und 2021 war sie Juniorprofessorin an der Universität Freiburg und leitete die vom BMBF mit 2 Millionen Euro geförderte Nachwuchsforschungsgruppe zur „Circular Bio-Economy“. Sina Leipold war Gastwissenschaftlerin an der Yale University, der University of Technology Sydney, der Wirtschaftsuniversität Wien und der Jawaharlal Nehru University New Delhi. Zum 1. September 2021 wurde sie gemeinsam von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem UFZ auf die Professur für Umweltpolitik berufen. Am UFZ leitet sie das gleichnamige Department.
Sina Leipold
André Künzelmann / UFZ
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Gesellschaft, Umwelt / Ökologie
überregional
Personalia
Deutsch
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