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Aufgrund der Erwärmung der Ozeane als Folge des menschlichen Treibhausgas-Ausstosses werden viele Arten des Meeresplanktons neue Lebensräume erschliessen (müssen). ETH-Forschende erwarten, dass viele Organismen zu den Polen wandern und dort neue Artengemeinschaften bilden – mit unabsehbaren Folgen für die marinen Nahrungsnetze.
Das Meer ist voller schwebender, mikroskopisch kleiner Lebewesen; diese als Plankton bekannte Lebensgemeinschaft erbringt – so winzig einzelne ihrer Organismen auch sein mögen – wichtige Ökosystemdienstleistungen. So fixiert pflanzliches Plankton (Phytoplankton) durch Photosynthese Kohlenstoff in der Form von CO2 und treibt dadurch den marinen Kohlenstoffkreislauf an. Phytoplankton nährt darüber hinaus das Zooplankton und dieses wiederum dient Fischen und Meeressäugern bis hin zum riesigen Blauwal als Nahrung.
Im Zuge der Klima- und der damit verbundenen Ozeanerwärmung erwarten Forscherinnen und Forscher grosse Verschiebungen in der Verbreitung des Planktons. Doch bis anhin gibt es kaum Studien darüber, welche Arten des Planktons in Zukunft wo vorkommen könnten.
Diese Lücke füllt nun ein Forschungsteam um den ehemaligen Postdoktoranden Fabio Benedetti und Senior Scientist Meike Vogt aus der Gruppe von Nicolas Gruber an der ETH Zürich. An der Studie beteiligt waren auch Forschende der Eidgenössischen Forschungsanstalt Wald, Schnee und Landschaft (WSL).
Das Projektteam hat einen neuen globalen Datensatz zusammengetragen, um darauf basierend Verbreitungskarten von über 860 Arten des Phyto- und Zooplanktons zu erstellen. Die Karten basieren auf verschiedenen statistischen Verfahren und Klimamodellen. In einem weiteren Schritt überlagerten sie diese Karten, um herauszufinden, wie Plankton-Gemeinschaften in Zukunft aussehen und wo diese vorkommen könnten. Die entsprechende Studie ist vor kurzem in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.
Erwärmung fördert Vielfalt
Darin zeigen Benedetti und seine Kolleginnen und Kollegen auf: Grundsätzlich nimmt in Zukunft die Vielfalt sowohl des Phyto- als auch des Zooplanktons in vielen Meeresregionen zu, weil wärmeres Wasser einer höheren Vielfalt generell zuträglich ist.
Sind die Temperaturen allerdings sehr hoch, also mehr als 25 °Celsius, reagieren Phyto- und Zooplankton auf die Erwärmung verschieden: Die Vielfalt des Phytoplanktons steigt weiter an, während diejenige des Zooplanktons kleiner wird. Das führt zu einer Abnahme der Zooplanktonvielfalt in den Tropen.
Neue Artengemeinschaften entstehen
Planktonarten aus den Tropen und Subtropen werden sich in Richtung der Pole ausbreiten und ersetzen Arten, die an kühle Gewässer angepasst sind. Dadurch werden zahlreiche neue Artengemeinschaften entstehen, die es bislang so nicht gegeben hat. Es werden Arten aufeinandertreffen, die gegenwärtig nicht im gleichen Lebensraum anzutreffen sind und deren Beziehungen untereinander auch nicht aufeinander abgestimmt sind.
Die stärksten Änderungen erwarten die Forschenden in Ozeanen der hohen und gemässigten Breiten – just also jenen Meeresregionen, die für die CO2-Fixierung und für die Fischerei entscheidend sind.
«Zwar wird sich oberflächlich betrachtet die Artenzahl in einigen Meeresregionen positiv entwickeln. Die Zunahme der Vielfalt könnte aber eingespielte marine Ökosysteme höherer Breiten und deren Funktionieren ernsthaft bedrohen», betont Erstautor Fabio Benedetti.
Grössenverteilung ändert sich
Die Meeresökosysteme in den hohen und mittleren Breiten hängen bis heute von artenarmen Planktongemeinschaften ab. Auch die Grössenverteilung der Planktonorganismen hat einen wichtigen Einfluss auf die Qualität der Ökosystemdienstleistung.
Um die Frage zu klären, ob sich diese Faktoren ändern, wenn Planktongemeinschaften und damit ihre Grössenverteilungen ändern, simulierten die Forschenden den Einfluss des Klimawandels auf die Grössenstruktur von zwei wichtigen Planktongruppen, den schalenbildenden Diatomeen und den Ruderfusskrebsen. Für diese Gruppen sind Daten über die Grösse der einzelnen Arten verfügbar.
Mit diesen Simulationen zeigten die Wissenschaftler auf, dass künftig die Lebensraumqualität für kleinere Organismen besser wird, für grössere Arten jedoch sinkt. Dadurch verändern sich nicht nur die Planktongemeinschaften, sondern auch die Grössenanteile. Kleinere Organismen werden insbesondere in den gemässigten und hohen Breiten häufiger und zahlreicher, während grosse Organismen abnehmen.
Grössenstruktur hat Einfluss auf Dienstleistungen der Meere
Dies wird sich nach Ansicht der Forschenden auf die vom Plankton erbrachten Ökosystemdienstleistungen auswirken: Ändert sich die Zusammensetzung des Planktons und dessen Grössenanteile, könnte sich das negativ auf die gesamte Nahrungspyramide und damit auf die Fischerträge auswirken.
Das Plankton ist überdies eine wichtige Stellgrösse bei der Festlegung von Kohlenstoff in den Ozeanen. Ein Teil des vom pflanzlichen Plankton fixierten Kohlenstoffs sinkt in die Tiefe ab, und wird so dem Austausch mit der Atmosphäre entzogen. Heute lebt in arktischen Ozeanen beispielsweise Phytoplankton, das grösser ist als dasjenige in tropischen Meeren. Es trägt oft Schalen, und dessen Ausscheidungen sind ebenfalls grösser und schwerer. Dadurch sinken sowohl abgestorbene Organismen als auch ihre Exkremente schneller und tiefer, bevor der darin enthaltene Kohlenstoff wieder zu CO2 abgebaut wird.
So wird das im Tiefenwasser gelöste CO2 aufgrund der Dichteschichtung und der damit verbundenen sehr langsamen Zirkulation der Tiefsee für lange Zeit in der Tiefe festgehalten. Ersetzen nun kleinere Arten die grösseren, nimmt der Transfer von Kohlenstoff in die Tiefsee ab.
Wie gross diese Effekte sein werden, können die Forschenden jedoch nicht genau sagen. «Zurzeit können wir nur bestimmen, wie wichtig gewisse Meeresregionen in Bezug auf verschiedene Ökosystemdienstleistungen heute sind und ob sich diese Leistungen künftig ändern», erklärt Benedetti.
Verschiebung ist voll im Gang
Dass sich die Verbreitung von Plankton verschiebt, beobachten Forschende schon seit einigen Jahrzehnten. Das erste systematische Überwachungsprogramm, der Continuous Plankton Recorder (CPR), begann in den 1930er Jahren im Nordatlantik. Mithilfe der CPR-Daten konnten jüngst andere Forschende nachweisen, dass kleinere Ruderfusskrebse (Copepoden) seit den 1950er Jahren grössere Arten im Nordatlantik aufgrund der Klimaerwärmung verdrängt haben. Dies hat auch die Fixierung des atmosphärischen CO2 in der Tiefsee verringert.
Auch Quallen als Bestandteil des Zooplanktons wandern nordwärts. So wurden 2005 in Irland plötzlich massenhaft tropische Quallen festgestellt, welche die Lachszuchten entlang der Küste vernichteten. «Anhand solcher Episoden erkennen wir, dass die Verschiebungen des Planktons bereits im vollen Gange sind», sagt Mitautorin Meike Vogt.
https://www.nature.com/articles/s41467-021-25385-x
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Biologie
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