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20.01.2022 07:16

Über den nicht-biologischen Ursprung organischer Substanz auf dem Mars

Josef Zens Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

    Organische Moleküle, die in einem Marsmeteoriten gefunden wurden, sind Ergebnis geochemischer Wechselwirkungen zwischen Wasser und Gestein

    Wie sich organische Moleküle auf dem Mars und anderen Planeten gebildet haben, wird seit langem kontrovers diskutiert. Sowohl biologische als auch abiotische Prozesse kommen in Betracht. Nun zeigen Messungen an dem vier Milliarden Jahre alten Gestein des Mars-Meteoriten Allan Hills (ALH) 84001, dass bereits zu dieser frühen Phase auf dem Mars die abiotische Reaktion zwischen Gestein und Wasser zur Entstehung organischer Kohlenstoff-Moleküle geführt hat. Dabei identifizierten die Forschenden zwei mögliche, gekoppelte Reaktionswege. Das lässt auch Rückschlüsse auf die Entwicklung des Lebens auf der Erde zu. Die Studie entstand unter Leitung von Andrew Steele von der Carnegie Institution for Science in Washington D.C., USA, unter Mitwirkung von Liane G. Benning vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ), der Diamond Light Source in Großbritannien, sowie der NASA und anderen. Sie ist jetzt im Fachmagazin Science erscheinen.

    Organische Substanzen auf dem Mars und ihre Bedeutung für Mars- und Erdgeschichte

    Schon bevor Sonden und Roboter zum Mars geflogen sind, lieferten Meteoriten des Nachbarplaneten Material für wissenschaftliche Untersuchungen. Der 1984 in der Antarktis gefundene Gesteinsbrocken Allan Hills (ALH) 84001 gilt als eines der ältesten bekannten Objekte auf der Erde, die ihren Ursprung auf dem Mars haben. In ihm wurden organische Substanzen gefunden, über deren Entstehung seither kontrovers diskutiert wird.

    „Die Analyse des Ursprungs der Mineralien aus dem Meteoriten kann als Zugang dienen, um sowohl die geochemischen Prozesse, die früh in der Erdgeschichte stattfanden, als auch das Potenzial des Mars für die Bewohnbarkeit aufzudecken“, erklärt Andrew Steele, Erstautor der Studie, der bereits umfangreiche Forschungen über organisches Material in Marsmeteoriten durchgeführt hat und Mitglied der Wissenschaftsteams für die Mars-Rover Perseverance und Curiosity ist.

    Organische Moleküle bestehen aus Kohlenstoff und Wasserstoff und können darüber hinaus Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und andere Elemente enthalten. Sie werden gemeinhin mit Leben in Verbindung gebracht, obwohl sie auch durch nicht-biologische Prozesse entstehen können, die als abiotische organische Chemie bezeichnet werden.

    Als Ursprung der Organik im hier untersuchten Meteoriten kommen verschiedene abiotische Prozesse im Zusammenhang mit vulkanischer Aktivität, Einschlägen auf dem Mars oder der Wechselwirkung mit Wasser ebenso in Frage wie die Überreste alter Lebensformen auf dem Mars oder eine Kontamination durch die Bruchlandung auf der Erde.

    Neue Untersuchungen eines großen internationalen Teams

    Nun hat ein großes internationales Team um Andrew Steele von der Carnegie Institution for Science in Washington D.C., unter Mitwirkung von Liane G. Benning und anderen vom GFZ, die Identität, den Ursprung und die Bildungsmechanismen der organischen Stoffe von AHL 84001 erneut analysiert. Beteiligt waren auch das NASA Johnson Space Center, das NASA Ames Research Center und das Rensselaer Polytechnic Institute (alle USA), ebenso wie die Diamond Light Source (GB).

    Die Forschenden untersuchten hauchdünn geschliffene Proben des Meteoriten und nutzten eine Reihe von hochentwickelten Probenvorbereitungs- und Analysetechniken, darunter Bildgebung und Spektroskopie im Nanomaßstab mittels Transmissionselektronenmikroskopie und Röntgenverfahren am Elektronensynchrotron inklusive Isotopenanalyse und Spektroskopie.

    Die analysierten Substanzen lagen zum Teil in nur sehr geringen Konzentrationen vor. Das machte die Analytik sehr aufwändig. „Außerdem war es wichtig sicherzustellen, dass wir tatsächlich Substanzen vermessen, die auf dem Mars entstanden sind, und nicht während des Flugs zur Erde, bei oder nach der Landung oder gar bei unseren Experimenten“, betont Liane G. Benning, Leiterin der Sektion Grenzflächen-Geochemie des GFZ und Professorin an der FU Berlin. Sie forscht – unter anderem – seit über zehn Jahren mit Andrew Steele zu Meteoriten. „Durch co-lokalisierte, also genau am selben Probenort durchgeführte mikrospektroskopische Analysen im Nanomaßstab haben wir dokumentiert, wie die Mineralien in diesem Meteoriten mit einer CO2-gesättigten Salzlösung reagierten und die Bildung von abiotischem Kohlenstoff auf dem Mars katalysierten.“

    Abiotische Wechselwirkung zwischen Wasser und Gestein als Ursprung der organischen Moleküle

    In der Tat fand das Team in den Proben des Mars-Meteoriten Hinweise auf Wechselwirkungen zwischen Wasser und Gestein, bei denen organische Moleküle entstanden sind. Diese Wechselwirkungen ähneln denen auf der Erde. Insbesondere deuten die Untersuchungen darauf hin, dass sich im Marsgestein zwei wichtige geochemische Prozesse abgespielt haben: Der eine, die sogenannte Serpentinisierung, tritt auf, wenn eisen- oder magnesiumreiche Eruptivgesteine chemisch mit zirkulierendem Wasser interagieren, ihre Mineralogie verändern und dabei Wasserstoff produzieren. Bei dem anderen, der sogenannten Karbonisierung, kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen Gestein und leicht saurem Wasser, das gelöstes Kohlendioxid enthält, und zur Bildung von Karbonatmineralien.

    Noch ist unklar, ob diese Prozesse durch die wässrigen Umgebungsbedingungen gleichzeitig oder nacheinander ausgelöst wurden. Die gefundenen Indizien deuten aber darauf hin, dass die Wechselwirkungen zwischen Wasser und Gestein nicht über einen längeren Zeitraum hinweg stattfanden. Offensichtlich ist jedoch, dass bei diesen Reaktionen organisches Material aus der Reduktion von Kohlendioxid entstand.

    Diese mineralogischen Merkmale sind in Marsmeteoriten selten. Und während Karbonatisierung und Serpentinisierung bereits in orbitalen Untersuchungen des Mars nachgewiesen wurden und Karbonatisierung in anderen, weniger alten Marsmeteoriten gefunden wurde, ist dies der erste Fall, in dem beide Prozesse in Proben des alten Mars vorkommen.

    Bedeutung für die Geschichte von Mars und Erde

    Organische Moleküle wurden von Steele bereits in anderen Marsmeteoriten und bei seiner Arbeit mit dem SAM-Team (Sample Analysis at Mars) auf dem Curiosity-Rover nachgewiesen. Das deutet darauf hin, dass die abiotische Synthese organischer Moleküle während eines Großteils der Geschichte des Planeten Teil der Geochemie des Mars war.

    „Diese Art von nicht-biologischen, geologischen Reaktionen sind für einen Pool von organischen Kohlenstoffverbindungen verantwortlich, aus denen sich Leben entwickelt haben könnte, und sie stellen ein Hintergrundsignal dar, das bei der Suche nach Beweisen für vergangenes Leben auf dem Mars berücksichtigt werden muss“, schließt Steele. „Wenn diese Reaktionen auf dem alten Mars stattgefunden haben, müssen sie auch auf der alten Erde stattgefunden haben und könnten möglicherweise auch die Ergebnisse erklären, die wir vom Saturnmond Enceladus haben. Für diese Art der organischen Synthese ist es ausreichend, wenn eine Sole, die gelöstes Kohlendioxid enthält, durch Eruptivgestein sickert. Die Suche nach Leben auf dem Mars ist nicht nur ein Versuch, die Frage "Sind wir allein?" zu beantworten. Sie steht auch im Zusammenhang mit der frühen Erdumwelt und geht der Frage nach: ‚Woher kommen wir?‘.“

    (UD mit Material der Carnegie Institution for Science)


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Liane G. Benning
    Leiterin Sektion Grenzflächen-Geochemie
    Helmholtz-Zentrum Potsdam
    Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
    Telegrafenberg
    14473 Potsdam
    Tel.: +49 331 288-28970
    E-Mail: liane.benning@gfz-potsdam.de


    Originalpublikation:

    A. Steele, L.G. Benning, et al. Organic synthesis associated with serpentinization and carbonation on early Mars. Science. Vol. 375, January 14, 2022. DOI: 10.1126/science.abg7905
    https://www.science.org/doi/10.1126/science.abg7905


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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