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21.04.2004 14:20

RUB-Publikation: Die Geschichte von Auschwitz

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Die Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz beginnt früher als allgemein bekannt ist: Einen breiten Überblick über die Geschehnisse in der Stadt Oswiecim und dem KZ Auschwitz vor und während der NS-Zeit sowie über den juristischen Umgang mit den Verbrechen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat die RUB-Historikerin Dr. Sybille Steinbacher in der Reihe "Wissen" des Verlags C.H. Beck veröffentlicht. "Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte" gibt umfassend Einblick in die Entstehung und Geschichte der Stadt und des Konzentrationslagers und die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg bis zur viel diskutierten Auschwitz-Lüge.

    Bochum, 21.04.2004
    Nr. 125

    Vom Saisonarbeiterlager zum KZ
    Musterstadt und Massenvernichtungslager
    RUB-Publikation über die Geschichte von Auschwitz

    Für "Sachsengänger", also Saisonarbeiter aus dem Osten Polens, die auf Arbeitssuche ins Deutsche Reich gingen, wurden im Ersten Weltkrieg die Barackenanlagen des späteren KZ Auschwitz erbaut. Dessen Geschichte beginnt früher als allgemein bekannt ist. Einen breiten Überblick über die Geschehnisse in der Stadt Oswiecim und dem KZ Auschwitz vor und während der NS-Zeit sowie über den juristischen Umgang mit den Verbrechen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat Dr. Sybille Steinbacher (Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der RUB, Prof. Dr. Frei) in der Reihe "Wissen" des Verlags C.H. Beck veröffentlicht. "Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte" gibt umfassend Einblick in die Entstehung und Geschichte der Stadt und des Konzentrationslagers und die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg bis zur viel diskutierten Auschwitz-Lüge. Die Autorin war Mitarbeiterin der von Prof. Dr. Norbert Frei initiierten und herausgegebenen "Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz" (erschienen 2000).

    Zwischen Deutschland und Polen

    Oswiecim wurde seit seiner Entstehung 1178 zwischen dem Deutschen Reich, Böhmen und Polen mehrmals hin- und hergerissen. Auf die "Ostkolonisation" im Mittelalter beriefen sich später die Nationalsozialisten, um ihren Anspruch auf den so genannten Lebensraum im Osten zu begründen. Dass der Völkerbund Oberschlesien 1921 entgegen dem Ergebnis einer Volksabstimmung geteilt hatte, war für sie ein weiteres willkommenes Argument für die Eroberung polnischer Gebiete. Den polnischen Teil nannten die Deutschen nun Ostoberschlesien, was den deutschen Besitzanspruch bekräftigen sollte.

    Das Konzentrationslager

    Wenig bekannt ist die Vorgeschichte des Konzentrations- und Vernichtungslagers. Schon 1916 entstand ein Barackenlager als Wohnort für die so genannten Sachsengänger. Nach dem Einmarsch in Polen 1939 begannen die Nationalsozialisten in Oswiecim/Auschwitz mit ihrer grausamen "Germanisierungspolitik". Sie siedelten polnische Juden in die Stadt um. Ab Anfang 1940 bauten sie das alte Barackenlager zum Konzentrationslager aus. In dessen erster so genannter polnischer Phase (bis Mitte 1942) diente es als Gefängnis für polnische politische Gefangene, nicht für Juden; es gab zwar noch keinen organisierten Massenmord, aber schon zu diesem Zeitpunkt waren die Bedingungen im Lager lebensbedrohlich. Die Versorgung war mangelhaft, auch wurden die Häftlinge zur Zwangsarbeit für die Industrie verpflichtet, die oftmals den Tod bedeutete. Es gab eine von der Lager-SS kontrollierte Häftlingshierarchie, um solidarische Aktionen zu unterbinden. Hier waren die Juden die rangniedrigsten Gefangenen, unabhängig von ihrer Nationalität. Dennoch formierte sich Widerstand im Lager, trotz der Hindernisse und der Gefährlichkeit solcher Aktionen. Es entstand die "Kampfgruppe Auschwitz", die unter anderem Lebensmittelschmuggel und Fluchtversuche organisierte.

    Zukunftspläne der Nazis

    Gleichzeitig bauten die deutschen Besatzer die Stadt Auschwitz zur "Musterstadt" des nationalsozialistischen Weltbilds aus. Die Stadt sollte zum "Bollwerk des Deutschtums im Osten" werden. Deutsche Familien, SS-Angehörige und Geschäftemacher ließen sich hier nieder. Familienidyll und Massenmord schienen kein Widerspruch zu sein, dienten sie doch dem Aufbau der "rassenreinen Volksgemeinschaft". Ab Mitte 1942 begannen die Nationalsozialisten mit der systematischen Massenvernichtung, der so genannten Endlösung der Judenfrage. Die SS selektierte die Häftlinge nach "Kriterien ökonomischer Verwertbarkeit" bei ihrer Ankunft in Auschwitz: Kinder, Schwangere, Alte, Kranke und Behinderte, alle, die nicht arbeiten konnten, wurden in den Gaskammern ermordet. Sybille Steinbacher beschreibt Vernichtungsstrategien im Kontext der europaweiten Mordpolitik der Nationalsozialisten.

    Die Endphase

    Vor der Befreiung des Lagers häuften sich die Gerüchte und Pressemeldungen über die Zustände und die Massenmorde in den KZs. Obwohl auch die Alliierten die Vernichtungsanlagen kannten, griffen sie nicht ein oder an. Im Herbst 1944 begannen die Nationalsozialisten damit, Häftlinge zu evakuieren. Viele von ihnen, darunter auch Anne Frank, starben schließlich in anderen deutschen Lagern. Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten das KZ Auschwitz. Sie fanden noch ca. 7.000 Häftlinge vor, die überlebt hatten.

    Nach der Befreiung

    Die Nachgeschichte von Auschwitz war zunächst von medizinischer Hilfe, bald aber von juristischer Aufarbeitung geprägt. Das Polnische Rote Kreuz errichtete ein Lazarett für die restlichen Gefangenen, von denen noch viele an den Folgen der Inhaftierung starben. Die überlebenden Häftlinge trugen nicht nur körperliche, sondern auch seelische Schäden davon, die nicht mehr zu heilen waren. Später haben sowjetische und polnische Untersuchungskommissionen die Zahl der Menschen zu ermitteln versucht, die in Auschwitz gestorben sind. Heute geht man davon aus, dass die Nationalsozialisten zwischen 1,1 und 1,5 Mio. Menschen in Auschwitz und ungefähr fünf bis sechs Mio. Juden insgesamt im Krieg ermordet haben. Im Juli 1947 wurde das Lager zur Gedenkstätte für die Gräueltaten des Nationalsozialismus, und 1979 nahm die UNESCO Auschwitz-Birkenau als Weltkulturerbe auf. Auschwitz-Prozesse und Auschwitz-Lüge bestimmten die weitere Nachkriegszeit. Sybille Steinbacher informiert ausführlich über Gerichtsprozesse, die, auch auf polnischem Gebiet, gegen ehemalige SS-Angehörige geführt wurden. Das letzte Kapitel über die Auschwitz-Lüge nennt in Kürze pseudo-wissenschaftliche Werke, die den Holocaust leugnen, samt deren juristischen Folgen.

    Titelaufnahme

    Sybille Steinbacher: Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte. (C. H. Beck Wissen), München, 2004, 128 Seiten, 7,90 Euro; ISBN: 3-406-50833-2

    Weitere Informationen

    Dr. Sybille Steinbacher, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, GA 4/141, Tel.: 0234/32-22539, E-Mail: sybille.steinbacher@ruhr-uni-bochum.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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