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Als molekulare Maschine, die in den Zellen aller Organismen vorkommt, ist das Ribosom für die Herstellung neuer Proteine zuständig. Aus verschiedenen Gründen kann dieser Prozess fehlschlagen, wodurch das Ribosom auf der mRNA „stehenbleibt“ und die Proteinherstellung ins Stocken gerät. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlern der Universität Heidelberg hat nun ein bakterielles Protein namens MutS2 identifiziert, das solche festsitzenden Proteinfabriken erkennt und rettet.
Pressemitteilung
Heidelberg, 10. März 2022
Auffahrunfall auf der „Ribosomen-Autobahn“
Wissenschaftler identifizieren bakterielles Protein, das „stehengebliebene“ Ribosomen erkennt und rettet
Als molekulare Maschine, die in den Zellen aller Organismen vorkommt, ist das Ribosom für die Herstellung neuer Proteine zuständig. Hierfür liest es auf einem Botenmolekül – der messenger RNA (mRNA) – den Bauplan für ein bestimmtes Protein ab und setzt diese Informationen anschließend in neue Eiweiße um. Aus verschiedenen Gründen kann dieser Prozess fehlschlagen, wodurch das Ribosom auf der mRNA „stehenbleibt“ und die Proteinherstellung ins Stocken gerät. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlern des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) hat nun ein bakterielles Protein namens MutS2 identifiziert, das solche festsitzenden Proteinfabriken erkennt und rettet. Die Kollision mit dem nachfolgenden Ribosom auf der mRNA spielt dabei eine zentrale Rolle.
Die Baupläne von Proteinen sind in der DNA im Zellkern gespeichert und werden dort in mRNA umgeschrieben. Mit den genetischen Informationen für ein bestimmtes Protein verlässt die mRNA den Zellkern und wird zu den Ribosomen transportiert, wo diese Informationen in Eiweiße umgesetzt werden. „Beim Ablesen dieser Baupläne können Ribosomen ins Stocken geraten, etwa wegen eines defekten mRNA-Moleküls. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil unfertige Proteine potenziell giftig für die Zelle sind“, erklärt der Molekularbiologe Prof. Dr. Claudio Joazeiro, der mit seiner Arbeitsgruppe am ZMBH forscht. „Aus diesem Grund haben Zellen Mechanismen entwickelt, die stehengebliebene Ribosomen erkennen und die unfertigen Proteine für den Abbau markieren, solange sie sich noch an ihrem Geburtsort, dem Ribosom, befinden.“
Einen zentralen Schritt in diesem Prozess haben die Wissenschaftler anhand des weitverbreiteten Bodenbakteriums Bacillus subtilis mithilfe von hochauflösender Kryo-Elektronenmikroskopie entschlüsselt. Sie konnten genau charakterisieren, wie das Protein MutS2, das in etwa einem Drittel aller Bakterienarten vorkommt, seine Aufgabe als Sensor für stehengebliebene Ribosomen erfüllt: MutS2 erkennt die Kollision zwischen dem festsitzenden und nachfolgenden Ribosom auf der mRNA – ein Vorgang, der nach den Worten von Dr. Stefan Pfeffer, Nachwuchsgruppenleiter am ZMBH, große Ähnlichkeit mit einem Auffahrunfall hat, der durch ein liegengebliebenes Fahrzeug auf der Autobahn verursacht wird und dadurch die Aufmerksamkeit der Polizei erregt.
Um auf der mRNA verharrende Ribosomen zu retten, verfolgt MutS2 nach Angaben der Wissenschaftler zwei unabhängige Strategien. „Einerseits zerschneidet MutS2 das mRNA-Molekül, damit es abgebaut werden kann. Andererseits trennt MutS2 das Ribosom in seine zwei Untereinheiten auf. So kann es für die spätere Herstellung anderer Proteine recycelt werden. Gleichzeitig wird das unfertige Protein über die sogenannte Ribosomen-assoziierte Proteinqualitätskontrolle dem Abbau zugeführt“, erläutert Dr. Pfeffer. Wie Prof. Joazeiro hervorhebt, ist der Mechanismus dieser Qualitätskontrolle vom Bakterium bis zum Menschen konserviert. „Ein besseres Verständnis dieses fundamentalen Prozesses in Bakterien könnte deshalb auch Aufschluss über Krankheitsmechanismen in Säugetieren geben, bei denen Defekte beim Abbau unfertiger Proteine mit Neurodegeneration und neuromuskulären Erkrankungen in Zusammenhang stehen“, so der Wissenschaftler.
Neben den Heidelberger Forscherinnen und Forschern des ZMBH waren an der Studie auch Wissenschaftler der Universität zu Köln sowie der Forschungseinrichtung Scripps Research in Florida (USA) beteiligt. Das US-amerikanische National Institute of Neurological Disorders and Stroke, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Europäische Union im Rahmen von „Horizon 2020“, die Aventis Foundation und die Chica und Heinz Schaller Stiftung haben die Forschungsarbeiten gefördert. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.
Kontakt:
Universität Heidelberg
Kommunikation und Marketing
Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Dr. Stefan Pfeffer
Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg
Telefon (06221) 54-6893
s.pfeffer@zmbh.uni-heidelberg.de
Prof. Dr. Claudio Joazeiro
Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg
Telefon (06221) 54-6858
c.joazeiro@zmbh.uni-heidelberg.de
F. Cerullo, S. Filbeck, P. R. Patil, H.-C. Hung, H. Xu, J. Vornberger, F. W. Hofer, J. Schmitt, G. Kramer, B. Bukau, K. Hofmann, S. Pfeffer, C. A. P. Joazeiro: Bacterial ribosome collision sensing by a MutS DNA repair ATPase paralogue. Nature (9 March 2022), DOI: 10.1038/s41586-022-04487-6
http://www.zmbh.uni-heidelberg.de/Pfeffer/default.shtml - Arbeitsgruppe von Stefan Pfeffer
http://www.zmbh.uni-heidelberg.de/Joazeiro/default.shtml - Arbeitsgruppe von Claudio Joazeiro
Kryo-EM-Struktur der kollidierten Ribosomen mit MutS2. Die verschiedenen molekularen Bestandteile wu ...
Sebastian Filbeck (ZMBH)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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