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18.03.2022 11:00

Auch Maschinen finden Gesichter spannend

Lisa Dittrich Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Künstliche neuronale Netze spezialisieren sich wie das menschliche Gehirn auf die Wahrnehmung von Gesichtern – Wahrnehmungspsychologische Studie von JLU und MIT

    Gesichter wahrzunehmen und zu erkennen, ist für den Menschen eine lebenswichtige Fähigkeit. Seit langem ist bekannt, dass es in unserem Gehirn ein Netzwerk von Arealen gibt, das auf die visuelle Verarbeitung von Gesichtern spezialisiert ist. In einer internationalen Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift „Science Advances“ publiziert wurde, hat ein internationales Forschungsteam der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) untersucht, warum die Gesichtsverarbeitung von der Verarbeitung anderer Objekte getrennt ist und ihre eigene Spezialisierung im Gehirn benötigt.

    Die Forscherinnen und Forscher um die Gießener Wahrnehmungspsychologin Dr. Katharina Dobs trainierten ein künstliches neuronales Netzwerk – ohne jegliches gesichtsspezifisches Vorwissen – darauf, Gesichter und Objekte zu erkennen. Dabei stellten sie fest, dass sich das Netzwerk intern selbst so organisiert, dass die Verarbeitung von Gesichtern und Objekten in den späteren Verarbeitungsstufen getrennt wird. Dieser Befund stimmt mit der Art und Weise überein, wie das menschliche visuelle System organisiert ist: Die funktionale Trennung der Gesichtsverarbeitung erfolgt nach gemeinsamen frühen Verarbeitungsstadien im visuellen Kortex.

    „Wir haben herausgefunden, dass die funktionale Spezialisierung der Gesichts- und Objektverarbeitung sich in künstlichen neuronalen Netzen genau wie im menschlichen Gehirn entwickelt“, erklärt JLU-Nachwuchsgruppenleiterin und -Projektleiterin Dr. Katharina Dobs. „Interessanterweise geschieht das, obwohl soziale Interaktion und emotionale Komponenten, die theoretisch beim Menschen die Ursache für die Spezialisierung sein könnten, für die künstliche Intelligenz keine Rolle spielen.“

    Die Forschenden ziehen daraus den Schluss, dass die funktionale Spezialisierung offenbar eine optimale Strategie für die Wahrnehmung dieser Aufgaben darstellt: Im Gehirn optimiert über die Evolution in Millionen von Jahren, und in künstlichen Netzwerken optimiert anhand von Millionen von Trainingsbeispielen. Traditionell war es in den Neurowissenschaften schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, solche „Warum“-Fragen zu beantworten. „Die Fortschritte in der künstlichen Intelligenz, vor allem in der künstlichen visuellen Wahrnehmung, öffnen uns hier ganz neue Türen“, sagt Dr. Katharina Dobs. „Was mich am meisten begeistert: Ich glaube, dass wir damit die Möglichkeit haben, generelle Fragen darüber zu beantworten, warum das Gehirn so ist, wie es ist“, fügt Prof. Nancy Kanwisher vom MIT hinzu.

    Offen bleibt bislang die Frage nach dem „Warum des warum“: Was unterscheidet die Wahrnehmung von Gesichtern so sehr von der Wahrnehmung anderer Objekte, dass sowohl natürliche als auch künstliche neuronale Netze sich automatisch auf sie spezialisieren? „Unsere aktuellen Ergebnisse geben eine Antwort darauf noch nicht her. Die gute Nachricht ist aber, dass unsere Methode uns die Möglichkeit gibt, dieser Frage intensiver nachzugehen und die verschiedenen bereits existierenden Hypothesen zu überprüfen“, sagt Dr. Dobs.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Katharina Dobs
    Allgemeine Psychologie
    Otto-Behaghel-Str 10F, 35394 Gießen
    E-Mail: katharina.dobs@psychol.uni-giessen.de


    Originalpublikation:

    Dobs, K., Martinez, J., Kell, A.J.E., & Kanwisher, N. (2022). Brain-like functional specialization emerges spontaneously in deep neural networks. Science Advances, 8, eabl8913.

    https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abl8913
    DOI: 10.1126/sciadv.abl8913.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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