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21.03.2022 08:54

DFG-Projekt „Experiencing Ethnoracial Exclusion“: Wie sich Alltagsrassismus anfühlt

Kathrin Haimerl Abteilung Kommunikation
Universität Passau

    Dr. Eunike Piwoni, Soziologin an der Universität Passau, erforscht in einem neuen DFG-Projekt, welche Gefühle Erfahrungen von Alltagsrassismus und Diskriminierung bei Betroffenen auslösen. Sie konzentriert sich dabei auf die gebildete Mittelschicht der zweiten Einwanderungsgeneration, die landläufig als perfekt integriert gilt.

    Erfahrungen von Diskriminierung, Stigmatisierung und Rassismus machen psychisch krank. Zudem zeigen Studien, dass diese Erfahrungen der Integration im Wege stehen, insbesondere der Identifikation mit der neuen Heimat. Migrationssoziologisch kaum erforscht hingegen ist, welche Emotionen und Affekte alltägliche Diskriminierungen und Rassismus bei Betroffenen auslösen.

    Hier setzt das DFG-Projekt „Experiencing Ethnoracial Exclusion“ von Dr. Eunike Piwoni an. Die Akademische Rätin am Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Passau nähert sich dem Thema in den nächsten drei Jahren aus der Perspektive der Emotionssoziologie. Sie untersucht, welche Gefühle diese Erfahrungen bei den Betroffenen auslösen. „Affekte und Emotionen wie Angst, Furcht, Unsicherheit, Unwohlsein und Traurigkeit bilden den Kern dieser Erfahrungen“, sagt Dr. Piwoni.

    Fokus auf zweite Generation der Zugewanderten

    In ihrem Projekt konzentriert sie sich auf subjektive Erfahrungen von Exklusion: „Das Spektrum reicht von ethnischen Witzen über die Frage, woher die Person nun wirklich komme, über die Verweigerung von Bildungschancen bis hin zu tätlichen Angriffen.“

    Den Fokus legt sie auf drei Gruppen, die eine Zuwanderungsgeschichte haben und deren Erfahrungen mit dem Thema recht unterschiedlich sein dürften: Deutsche mit türkischem und polnischem Hintergrund sowie Schwarze Deutsche. Alle eint, dass sie in der Bundesrepublik aufgewachsen sind, sie entweder als Kind nach Deutschland kamen, oder dass ihre Eltern zugewandert sind. Weiter haben die Teilnehmenden an Dr. Piwonis Studie mindestens einen höheren Bildungsabschluss, gehören also der gebildeten Mittelschicht an. „Wenn diese Menschen, die landläufig als perfekt integriert gelten, Diskriminierungserfahrungen machen und in der Folge affektive Distanz spüren, dann haben wir als Gesellschaft, in der ein Viertel aller Menschen Migrationshintergrund haben, Tendenz steigend, ein massives Problem—und zwar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

    Interviews und Audiotagebücher zur Erforschung der Gefühlswelt

    Zentraler Bestandteil des Projekts sind individuelle Tiefeninterviews mit bis zu 36 Personen. Darüber hinaus untersucht die Soziologin mit Hilfe von Fokusgruppeninterviews die Emotionsarbeit der Betroffenen, wie sie mit den wahrgenommenen Gefühlen umgehen, diese benennen und sie im Gespräch mit anderen aushandeln. Mit Hilfe von Audiotagebüchern sollen die Teilnehmenden Situationen dokumentieren, in denen sie mit ihrem Migrationshintergrund in Berührung gekommen sind, positiv wie negativ, und diese beschreiben und bewerten.

    „Ich bin nicht die Erste, die sich mit dem Thema beschäftigt. Aber ich bin die Erste, die die Affekte und Emotionen rund um diese Erfahrungen konsequent ins Zentrum rückt“, sagt Dr. Piwoni. Es habe sie überrascht, dass dieser Aspekt in der Migrationssoziologie bislang so wenig Beachtung fand, wirkt sich dieser doch auf das Gefühl der Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft aus, und somit auch auf die Integration.

    Dr. Piwoni forscht alleine in dem Projekt, ist aber eingebettet in das Team von Prof. Dr. Karin Stögner. Deren Lehrstuhl hat einen Schwerpunkt auf die Themen Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus. Das Team analysiert damit die Ideologien, die dazu führen, dass die von Dr. Piwoni Interviewten Erfahrungen mit Alltagsrassismus machen: „Das sind, wenn man so will, die gesellschaftlichen Makrofaktoren, die natürlich einen Einfluss darauf haben, was auf der Mikroebene erlebt, empfunden, erfahren wird“, sagt Dr. Piwoni. „Gerade wenn man alleine in einem Projekt forscht, ist es ungemein hilfreich, in ein Team eingebunden zu sein, das einem solch wertvolle Impulse gibt.“

    Zur Person

    Dr. Piwoni forscht und lehrt seit Februar 2020 an der Universität Passau. Sie promovierte als Stipendiatin in einem DFG-Graduiertenkolleg an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg zum Thema „Nationale Identität im Wandel. Deutscher Intellektuellendiskurs zwischen Tradition und Weltkultur”. Sie war mehrere Jahre als Akademische Rätin an der Georg-August-Universität Göttingen tätig und absolvierte Forschungsaufenthalte an der University of London und an der Columbia University in New York.

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt „Experiencing Ethnoracial Exclusion“ (Projektnummer: 467462804) über eine Laufzeit von drei Jahren mit 410.503 Euro.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Eunike Piwoni
    Lehrstuhl für Soziologie
    Dr.-Hans-Kapfinger-Straße 14
    Passau
    Eunike.Piwoni@uni-passau.de


    Weitere Informationen:

    https://www.digital.uni-passau.de/index.php?id=403 Interview mit Dr. Piwoni im Forschungsmagazin der Universität Passau


    Bilder

    Dr. Eunike Piwoni
    Dr. Eunike Piwoni
    Valentin Brandes
    Universität Passau


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Psychologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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