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Das Erinnerung wird schwieriger je mehr Zeit zwischen dem Einspeichern der Informationen und deren Abruf vergeht. Die Erinnerungsleistung lässt in der Zeit kurz nach dem Einspeichern besonders stark nach; im weiteren zeitlichen Verlauf mündet sie in weniger starkem, weiterem Vergessen. Der selektive Abruf eines Teils zu einem bestimmten Zeitpunkt eingespeicherter Informationen kann das zeitabhängige Vergessen unterbrechen - dies zeigten zwei Psychologen der Universität Regensburg, Prof. Dr. Karl-Heinz Bäuml und Lukas Trißl, in ihrer kürzlich im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichten Studie.
Mithilfe von drei Experimenten zeigten die Psychologen, dass der selektive Abruf eines Teils zu einem bestimmten Zeitpunkt eingespeicherter Informationen das zeitabhängige Vergessen unterbrechen kann. Dieses gilt sowohl für die selektiv abgerufenen Inhalte selbst, als auch für die anderen, nicht selektiv abgerufenen Informationen. Dabei erreichen die Erinnerungsquoten für beide Materialien kurz nach dem selektiven Abruf Niveaus, wie sie kurz nach dem Einspeichern der Informationen noch vorlagen. Insbesondere zeigen die Experimente, dass diese Unterbrechung einen bleibenden Effekt induziert. So ähnelt das neue zeitabhängige Vergessen nach dem selektiven Abruf dem ursprünglichen zeitabhängigen Vergessen unmittelbar nach dem Einspeichern, was darauf hinweist, dass selektiver Abruf - auf dem neuen, wieder erhöhten Erinnerungsniveau - einen Neustart zeitabhängigen Vergessen mit sich bringt und so zu einer Art „Reset“ des Erinnerns führt.
„Vermutlich stellt selektiver Abruf den räumlich-zeitlichen Kontext, so wie er beim Einspeichern der Informationen vorlag, im Gedächtnis wieder her. Dieser reaktivierte Kontext fungiert dann als Schlüssel, um die scheinbar vergessenen Inhalte wieder zum Leben zu erwecken“, erklärt Prof. Bäuml.
Insgesamt nahmen an den drei Experimenten 728 Studierende aus unterschiedlichen deutschen Universitäten teil. Sie alle lernten zunächst eine Wortliste (Experimente 1 und 2) oder Prosamaterial (Experiment 3). Bei der einen Hälfte der Probanden wurde das zeitabhängige Vergessen nach dem Lernen bestimmt, ohne vorherigen selektiven Abruf. Die andere Hälfte der Probanden sollte nach einem Zeitintervall von 30, 90, 120 oder 180 Minuten einen bestimmten Teil der gelernten Informationen selektiv abrufen, bevor im Anschluss das zeitabhängige Vergessen aller Informationen bestimmt wurde. Sowohl die anfänglichen Erinnerungsquoten - nach dem ursprünglichen Lernen bzw. nach dem selektiven Abruf – als auch das darauffolgende zeitabhängige Vergessen der beiden Probandengruppen fielen nahezu identisch aus.
Im Alltag ist der Abruf von zu einem bestimmten Zeitpunkt eingespeicherten Gedächtnisinhalten oft selektiv und erfolgt erst nach einer gewissen zeitlichen Verzögerung, wie beispielsweise im pädagogischen Kontext, wenn Studierende sich auf Prüfungen vorbereiten, oder bei Zeugenbefragungen, wenn gezielt nach gewissen Detailinformationen gefragt wird. Die Ergebnisse legen nun nahe, dass selektiver Abruf in solchen Situationen das Erinnern von Personen verbessern kann: das Erinnern der abgerufenen, wie auch das Erinnern der restlichen Information.
„Die Befunde liefern auch eine post-hoc Rechtfertigung für die Vorgehensweise bei manchen Befragungs- und Interviewtechniken, bei denen das Erinnern von Personen für kritische Informationen dadurch verbessert werden soll, indem die Personen angehalten werden, sich an jedes, auch noch so irrelevant erscheinende Detail der ursprünglichen Informationen zu erinnern“, erklärt Prof. Bäuml.
Prof. Dr. Karl-Heinz T. Bäuml
Universität Regensburg
Lehrstuhl für Entwicklungs- und Kognitionspsychologie
Telefon +49 (0) 941-943-3818
E-Mail karl-heinz.baeuml@ur.de
Bäuml, Karl-Heinz T., Trißl, L. (2022) Selective memory retrieval can revive forgotten memories. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)
https://doi.org/10.1073/pnas.2114377119
Mit zunehmender Zeit seit dem Lernen tritt Vergessen auf. Selektiver Gedächtnisabruf fördert den Abr ...
Lukas Trißl & Karl-Heinz Bäuml
© Universität Regensburg
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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