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Intensivmedizin rettet Menschenleben, Palliativmedizin begleitet unheilbar Kranke. So gegensätzlich beide Disziplinen sind, verbindet sie doch der Kontakt zu Schwerstkranken und Menschen am Lebensende. Das gemeinsame Ziel, den Patientenwunsch zu erfüllen und sinnlose Behandlungen zu vermeiden, scheitert allzu oft am „Wirtschaftsbetrieb Krankenhaus“ und einem Fallpauschalensystem, das zwar Diagnosen, nicht aber die komplexe Betreuung Sterbender abbildet.
Wo das DRG-System versagt und wie der Patientenwunsch in den Mittelpunkt der medizinischen Behandlung gerückt werden kann, diskutieren Experten unterschiedlicher Fachbereiche auf der Eröffnungs-Pressekonferenz, die am 30. April 2022 zum Start des 128. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) online stattfindet.
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Wenn Heilung nicht mehr möglich ist, kommt der Linderung von Schmerzen, anderen belastenden Krankheitssymptomen und Ängsten eine wichtige Rolle zu. Die originäre Aufgabe der Palliativmedizin ist es daher, die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen zu ermitteln, auf sie einzugehen und ihre Lebensqualität bis zum Lebensende möglichst gut zu erhalten. „Dabei spielen körperliche Probleme ebenso eine Rolle wie seelische, soziale oder spirituelle Bedürfnisse“, sagt Professor Dr. med. Claudia Bausewein, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin und Vorsitzende des Klinischen Ethikkomitees an der LMU Ludwig-Maximilians-Universität München und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Im Fokus der Palliativmedizin stehe die komplexe Gesamtsituation des Patienten oder der Patientin, die von der Art der Grunderkrankung oft weitgehend unabhängig sei. Im DRG-Fallpauschalensystem, das nach Diagnosen strukturiert ist, würden Palliativmaßnahmen daher oft nicht ausreichend abgebildet, könnten also auch nicht angemessen abgerechnet werden.
Hinzu komme, dass die Palliativversorgung oft in Konkurrenz zu teuren Therapien und apparativen Untersuchungen steht, die besonders hohe Gewinne generieren. „Gerade bei fortgeschrittenen Erkrankungen hinterfragt die Palliativmedizin viele dieser Therapien und diagnostischen Maßnahmen kritisch“, sagt Bausewein. So sei es mit einem würdigen Lebensende und dem unter Umständen vorhandenen Patientenwunsch nicht vereinbar, Todgeweihte noch an die Dialyse anzuschließen, invasiv zu beatmen oder künstlich zu ernähren, und so nur das Sterben zu verlängern. Würde konsequent palliativ gedacht, könnte dies jedoch zu einer Abwertung von DRGs führen. Immerhin: Aktuell würden palliativmedizinische Leistungen im Fallpauschalensystem über Zusatzentgelte abgerechnet, deren Höhe aber nur zum Teil festgelegt sei. „Beispielsweise muss bei den Palliativdiensten im Krankenhaus individuell mit den Krankenkassen verhandelt werden“, erklärt Bausewein. Die dabei angebotenen Stundensätze oder Pauschalvergütungen seien jedoch meist nicht annähernd kostendeckend. Sollte die palliativmedizinische Versorgung weiterhin über das Fallpauschalensystem finanziert werden, müssten die Zusatzentgelte so angepasst werden, dass eine kostendeckende Abrechnung möglich sei, fordert Bausewein.
Auch Intensivmediziner Professor Dr. med. Uwe Janssens, Chefarzt an der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital Eschweiler, kritisiert die Medizin am Lebensende, speziell die Überversorgung in der Intensivmedizin – also diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die nicht angemessen sind, da sie Lebensdauer oder Lebensqualität der Patienten nicht verbessern, mehr Schaden als Nutzen verursachen oder von den Patienten nicht gewollt werden. Daraus würden hohe Belastungen resultieren – für die Patienten, deren Familien, die Behandlungsteams und – aufgrund finanzieller Mehraufwände – auch für die Gesellschaft. Er fordert: „Der Patientenwille – inklusive der dafür hinterlegten Patientenverfügung – muss wieder mehr in den Mittelpunkt der Behandlung rücken“, sieht aber auch eine mitunter unnötige Beanspruchung von Ressourcen im Gesundheitswesen, die dann an anderer Stelle fehlen. „Dahinter stecken im Wesentlichen nicht adäquate Indikationsstellungen, aber auch falsche Vorstellungen und Erwartungen seitens der Patienten oder ihrer Angehörigen in Bezug auf Nutzen und Risiken intensivmedizinischer Behandlungsmaßnahmen“, so Janssens. Für Maßnahmen gegen Überversorgung – auch bei der Behandlung Schwerstkranker und Sterbender – verweist Janssens auf ein gemeinsames Positionspapier der intensivmedizinischen Gesellschaften DGIIN und DIVI. Darin fordern sie etwa die regelmäßige Evaluierung des Therapieziels im Behandlungsteam unter Berücksichtigung des Patientenwillens, eine patientenzentrierte Unternehmenskultur im Krankenhaus und die Minimierung von Fehlanreizen im Krankenhausfinanzierungssystem.
Als einen Aspekt des Kongressmottos „Grenzen der Inneren Medizin“ hat Kongress-Präsident Professor Dr. med. Markus M. Lerch aus München die ethischen Grenzen ärztlichen Handelns und damit auch die Medizin am Lebensende in den Fokus des diesjährigen Kongresses gestellt. „Wir müssen der Versorgung am Lebensende mehr Zeit und Raum geben, um ein Gleichgewicht zwischen dem therapeutisch und technisch Machbaren, dem wirtschaftlich Sinnvollen und – allen voran – dem Patientenwunsch, zu finden“, so Lerch. Für Letzteres sei eine sprechende Medizin, die auch vergütet wird, unerlässlich – unabhängig davon, ob nun die Betreuung eines Schwerstkranken oder Sterbenden in der Palliativmedizin, Intensivmedizin oder bei einer anderen Fachdisziplin verortet sei. „Das Lebensende ist oft mit großem Unwissen über Wirkweisen, Chancen und Grenzen der noch zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden verbunden. Hier brauchen unsere Patientinnen und Patienten Ansprechpartner mit Fachwissen, Feingefühl und Zeit“, so Lerch. Teil der notwendigen Überlegungen zu strukturellen Änderungen sei zudem, die Rolle des Arztes beim durch das Bundesverfassungsgericht 2020 verkündeten Recht auf Hilfe bei einem selbstbestimmten Sterben zu beleuchten. Gemeinsam mit Experten der Inneren Medizin diskutiert Lerch bei der Eröffnungs-Pressekonferenz anlässlich des 128. Internistenkongresses daher dieses und weitere Themen rund um die „Medizin am Lebensende“.
Bei Abdruck Beleg erbeten.
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Terminhinweise:
Die ausführlichen Programme aller Pressekonferenzen zum Internistenkongress finden Sie online unter: Presse | DGIM. Zur Anmeldung zu den Pressekonferenzen klicken Sie bitte auf die hier aufgeführten Links.
Eröffnungs-Pressekonferenz anlässlich des 128. Kongresses der DGIM
Termin: Samstag, 30. April 2022, 12.00-13.00 Uhr
Online unter: https://attendee.gotowebinar.com/register/771896067344923408
Thema: Medizin am Lebensende – wo verlaufen ethische, wo individuelle Grenzen?
Montags-Pressekonferenz anlässlich des 128. Kongresses der DGIM
Termin: Montag, 2. Mai 2022, 12.00-13.00 (Kongressmittagspause)
Online unter: https://attendee.gotowebinar.com/register/6311360992406035727
Thema: Stellen wir Datenschutz vor Menschenleben? – Überwindung von Grenzen der Digitalisierung in der Medizin
Pressekonferenz der Korporativen Mitglieder der DGIM
Termin: Montag, 2. Mai 2022, 14.00-15.00 Uhr
Online unter: https://attendee.gotowebinar.com/register/3387052588194303504
Thema: Digitale Medizin in der Versorgung
Dienstags-Pressekonferenz anlässlich des 128. Kongresses der DGIM
Termin: Dienstag, 3. Mai 2022, 12.00-13.00 Uhr
Online unter: https://attendee.gotowebinar.com/register/697083097167857932
Thema: Wo endet gesund, wo beginnt krank? Grenzen des Normalen in der Inneren Medizin
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Eröffnungs-Pressekonferenz anlässlich des 128. Kongresses der DGIM
Termin: Samstag, 30. April 2022, 12.00-13.00 Uhr
Anmeldung online unter: https://attendee.gotowebinar.com/register/771896067344923408
Thema: Medizin am Lebensende – wo verlaufen ethische, wo individuelle Grenzen?
Medizin am Lebensende – wo verlaufen ethische, wo individuelle Grenzen?
Themen und Referenten:
Wenn die moderne Medizin mehr kann, als der Patient will – wie können Wünsche Kranker und Sterbender möglichst gut umgesetzt werden?
Professor Dr. med. Markus M. Lerch
Vorsitzender der DGIM 2021/2022 und Präsident des 128. Kongresses, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des LMU Klinikums München
Multimorbide: Wenn mehrere Krankheiten Prognose und Lebensqualität bestimmen
Professor Dr. med. Georg Ertl
Generalsekretär der DGIM, Internist und Kardiologe aus Würzburg
Kostendeckend bis zum Lebensende? Warum das DRG-System eine menschenwürdige Palliativmedizin erschwert und was wir dagegen tun können
Professor Dr. med. Claudia Bausewein
Direktorin der Klinik für Palliativmedizin und Vorsitzende des Klinischen Ethikkomitees
des LMU Klinikums München
Assistierter Suizid als ärztliche Aufgabe?
Alexandra Scherg
Ärztin in Weiterbildung Hämatologie / Onkologie, Evangelisches Krankenhaus Wesel
Überversorgung am Lebensende – Grenzfallentscheidungen in der Intensivmedizin
Professor Dr. med. Uwe Janssens
Chefarzt an der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital Eschweiler
Moderation: Anne-Katrin Döbler, Pressestelle der DGIM, Stuttgart
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Pressekontakt für Rückfragen:
Janina Wetzstein/Juliane Pfeiffer/Heinke Schöffmann
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V.
Pressestelle
Postfach 30 11 20
70469 Stuttgart
Fon +49[0]711/8931-457/-693/-442
Fax +49[0]711/8931-167
wetzstein@medizinkommunikation.org
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Medizin
überregional
Pressetermine
Deutsch
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