idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
02.05.2022 13:49

Diversität im Topmanagement: „Wer nicht für alle Gruppen attraktiv ist, begeht einen strategischen Fehler“

David Knapp Pressestelle
FOM Hochschule

    FOM Professor Dr. Peter Ruhwedel ist Experte für Corporate Governance. Im Interview spricht er über die Vorteile eines vielfältig besetzten Topmanagements, die Effektivität von Quoten und die Frage, welche Verantwortung Führungskräften zukommt.

    Sind Quoten der richtige Weg für mehr Vielfalt beim Führungspersonal? Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich? Und welche Vorteile bringen Mitarbeitende mit unterschiedlichem Background einem Unternehmen? Dr. Peter Ruhwedel ist Professor für Strategisches Management und Organisation an der FOM Hochschule in Duisburg und in Essen. In den Vorständen der meisten Unternehmen ist der Frauenanteil seines Erachtens nach noch nicht ausreichend. Gleichzeitig plädiert er dafür, Vielfalt nicht auf eine Gender-Frage zu verengen. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollten Unternehmen schon aus Eigeninteresse für jeden und jede offen sein, um die am besten Qualifizierten zu gewinnen. Im Interview spricht der Experte für Corporate Governance über Diversität, Quoten und die Verantwortung von Führungskräften.

    Herr Professor Ruhwedel, Sie haben im Frühjahr 2021 im Handelsblatt einen Kommentar mit dem Titel „Die Frauenquote hilft nur, wenn sie auch ernst genommen wird“ publiziert. Wie fällt Ihr Befund ein Jahr später aus?

    Es ist gut, wenn der Frauenanteil in den Vorständen genau wie in allen anderen Bereichen steigt. Das heutige Niveau ist meines Erachtens nach aber nicht ausreichend. Wir müssen eigentlich dahin kommen, dass die Frage der Gender-Diversität überhaupt keine Rolle mehr spielt, weil wir erst dann über eine gleichberechtige Teilhabe und eine rein kompetenzorientierte Auswahl sprechen können. Gleichzeitig finde ich es wichtig, Diversität breit zu verstehen. Denn dazu zählen ebenso Fragen nach Internationalität, Inklusion Ausbildung, Alter und sozialem Hintergrund. Insgesamt gibt es sicherlich Verbesserungen, die jedoch schneller geschehen könnten.

    Beispielsweise?

    Etwa die Frauenquote in Aufsichtsräten, vor deren Einführung sich wenig getan hatte. Eine Rolle in Aufsichtsräten spielt sicherlich, dass Veränderungen aufgrund der Mandatsdauern lange brauchen. Das Problematische oder Gute – je nachdem, wie man das bewerten möchte, ist: Die Quote wirkt. Zuvor ist viel Zeit vertan worden in der Hoffnung, dass die Quote nicht kommt.

    Heißt das, es braucht die Politik, damit Unternehmen sich bewegen?

    Von „den Unternehmen“, „den Vorständen“ oder „den Aufsichtsräten“ zu sprechen, ist etwas eindimensional. Das Bild ist sehr unterschiedlich. Es gibt Unternehmen, die haben bereits sehr viel angestoßen. Insgesamt aber hat sich sicherlich zu wenig getan. Wir müssen das ganze Thema Vielfalt viel stärker und selbstverständlicher leben. Das betrifft übrigens alle Lebensbereiche.

    In anderen Industrieländern – den USA, Großbritannien oder Skandinavien etwa – arbeiten prozentual mehr Frauen im Topmanagement als in Deutschland. Sehen Sie Punkte, die dort strukturell anders laufen?

    Meine Außenwahrnehmung gerade in Nordamerika ist, dass dort die Sensibilität gegenüber möglichen Diskriminierungen höher ist. Es ist viel normaler, Menschen unabhängig von ihrer Herkunft anhand ihrer Qualifikation zu beurteilen. Ein anderes Beispiel aus Europa: Norwegen hat 2003 als erstes Land der Welt eine Geschlechterquote von 40 Prozent für Aufsichtsräte eingeführt. In der Konsequenz sind mehr Frauen in den Auswahldiskussionen und an Entscheidungen beteiligt. Deshalb ist es dann wiederum viel normaler, Frauen in den Vorstand zu wählen, weil die Diskussion eine andere ist, wenn die Gruppe diverser aufgestellt ist.

    Welche Vorteile ergeben sich denn überhaupt durch ein vielfältig besetztes Topmanagement?

    Grundsätzlich kann Diversität positive Konsequenzen haben: auf Innovationsfähigkeit, Teameffektivität und Diskussionskultur. Das sind alles wichtige Faktoren für den Unternehmenserfolg. Auf dem Weg aus einer homogenen Gruppe hin zu mehr Diversität laufen die Dinge jedoch nicht zwangsläufig besser. Studien zeigen, dass die Gruppenleistung sogar abnimmt, weil homogene Gruppen Entscheidungen schneller und gemeinsamer treffen, da mehr Vertrauen vorhanden ist. Wenn diverse Gruppen gut funktionieren, liefern sie jedoch deutlich bessere Ergebnisse ab, insbesondere in Situationen mit einer großen Dynamik und einer hohen Komplexität an Umwelt- und Umfeldveränderungen, wie wir sie aktuell erleben. Das erfordert Diskussionsfähigkeit, die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven, eine realistische Risikoeinschätzung und den Umgang mit Ambiguitäten.

    Wie kann Diversität denn organisatorisch verankert werden?

    Man benötigt Mitarbeitende und Führungskräfte, die mit Unterschiedlichkeit umgehen können. Führen ist nämlich viel einfacher, wenn alle so sind wie man selbst. Schwierig kann es werden, wenn die Menschen anders sind. Wir brauchen ein hohes Maß an Akzeptanz für Unterschiedlichkeit in Unternehmen, Abteilungen und Teams. Zudem sind systematische und kompetenzorientierte Auswahlprozesse ein wichtiger Schlüssel. Eine Position als Aufsichtsrat sollte nicht als Abrundung einer erfolgreichen Karriere gesehen werden. Stattdessen gilt der Kompetenz- und Performanceorientierung das Hauptaugenmerk.

    Und wie blicken Sie in die Zukunft?

    Sehr positiv. Wir sehen große Veränderungen bei der gesellschaftlichen Akzeptanz. Und es gibt einen weiteren wichtigen Punkt, der in der Betrachtung nicht fehlen darf: Wir kommen in eine Phase des massiven Fachkräftemangels – das ist nicht zu unterschätzen. Deshalb müssen wir alle Potenziale im Inland und aus dem Ausland anzapfen, um die Richtigen zu gewinnen. Wer nicht für alle Gruppen attraktiv ist, begeht einen strategischen Fehler.


    Bilder

    Prof. Dr. Peter Ruhwedel ist Experte für Corporate Governance.
    Prof. Dr. Peter Ruhwedel ist Experte für Corporate Governance.
    privat
    Peter Ruhwedel


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter
    Politik, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).