idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Patienten, die infolge einer SARS-Cov-2-Infektion intensivpflichtig werden, können schwerwiegende neurologische Manifestationen entwickeln; die Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) berichtete darüber https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34311778/ (1). Aus mehreren Studien, die auch COVID-19-Intensivpatienten enthielten oder auf diese fokussiert waren, ergaben sich je nach Selektions- und Definitionskriterien Häufigkeiten solcher Affektionen des Nervensystems von ca. 13-50% und Assoziationen mit höherer Mortalität und Morbidität https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34411383/ (2).
Die mit Unterstützung der DGNI durchgeführte IGNITE-Studie PANDEMIC https://www.dgni.de/forschung/ignite-initiative-klinischer-multizenter-studien/a... fokussiert sich rein auf COVID-19-Intensivpatienten und fand, vergleichbar mit anderen Studien, als häufigste Manifestationen Enzephalopathien, ischämische/ hämorrhagische Schlaganfälle und neuromuskuläre Komplikationen wie die Critical Illness Neuropathie/Myopathie (Dimitriadis et al., submitted). Gut passend dazu und wenig überraschend werden in der neurorehabilitativen Literatur zu dieser Patientengruppe fortbestehende Lähmungen, kognitive und emotionale Symptome berichtet (3). Diese können Ausprägungen eines Post-Covid-Syndroms (Symptome >2 Monate andauernd, >3 Monate nach Infektion (noch) vorhanden) darstellen, das in anderer Form sonst auch nach milden oder moderaten COVID-19-Verläufen auftritt.
Die Mechanismen, die für ein Post-Covid-Syndrom postuliert werden, umfassen Neurotransmitter-Imbalancen, postinfektiöse Entzündungen, endothelial-mikrozirkulatorische und immunvermittelte (z.B. Zytokin- und Antikörper-assoziierte) Prozesse. Neurologische Manifestationen des COVID-19-Intensivpatienten sollten aktiv gesucht werden und Anlass zu einer Neuro-Frührehabilitation geben https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-144LG.html (4). Die medizinischen und gesellschaftlichen Langzeitfolgen durch anhaltende Symptome wie Fatigue, neurokognitiver Abbau, neuropsychiatrische Defizite und motorische Einschränkungen dürften enorm sein, sind aber hinsichtlich ihrer Bedeutung noch nicht ausreichend untersucht.
Insgesamt erinnern diese Langzeitfolgen stark an das Post-Intensive-Care-Syndrome (PICS), für das mechanistisch vaskuläre, hypoxische, Zytokin- und Mikroglia-assoziierte Prozesse angenommen werden. Die Neuro-COVID assoziierten Langzeitfolgen und diejenigen, die mit der Intensivtherapie (Beatmung, Sedierung, Organersatzverfahren, Medikamente, Delir,...) und/ oder Organschäden wie dem ARDS assoziiert sind, lassen sich in dieser Patientengruppe kaum voneinander trennen. Und ebenso wie beim PICS gibt es für die neurointensivmedizinischen Folgen von COVID-19 bisher keine bekannten kausalen Therapien, sondern multimodale supportiv-symptomatische Ansätze, die allerdings in Ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden sollten.
Für Neuro-Intensivmediziner:innen, die konsiliarisch zu COVID-19-Intensivpatienten hinzugezogen werden, sollte daraus erwachsen, dass sie neurologische Manifestationen in dieser Population aktiv suchen, eine angepasste Diagnostik durchführen (lassen) und dazu beitragen, diese Patienten einer neurologischen Früh-Rehabilitation zuzuführen. Während der Intensivphase erscheinen die leitliniengerechte Therapie von COVID-19, die symptomorientierte neurologische/ neurochirurgische Therapie und die Erwägung immunmodulatorischer Therapieansätze (z.B. bei Enzephalopathien oder Neuropathien), die zunehmend positiv berichtet werden, besonders wichtig.
Die komplette Literaturliste zu diesen Ausführungen ist einsehbar unter https://www.dgni.de/presse/829-prof-dr-julian-boesl-ueber-die-folgen-neurointens...
Prof. Dr. med. Julian Bösel, FNCS, FESO
Präsident der DGNI
E-Mail: Julian.Boesel@gnh.net
1. Leven Y, Bösel J. Neurologic manifestations of COVID-19 – an approach to categories of pathology. Neurologic Research and Practice 2021; 3(1):39
2. u. a. Helms J, Kremer S, Merdji H, et al. Neurologic features in severe SARS-CoV-2 Infection. N Engl J Med 2020; 382(23):2268-2270
3. u.a. Hosp JA, Dressing A, Blazhents G, et al. Cognitive impairment and altered cerebral glucose metabolismus in the subacute stage of COVID-19. Brain 2021; 144(4): 1263-1276
4. Berlit P. et al., Neurologische Manifestationen bei COVID-19, S1-Leitlinie, 2021, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. AWMF Reg 030/144LG
Prof. Dr. Julian Bösel empfiehlt Neuro-Intensivmediziner:innen, die konsiliarisch zu COVID-19-Intens ...
Universitätsklinikum Kassel
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).