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11.05.2004 11:03

Zwangserkrankungen: Kombinierte Therapie verringert Rückfallgefahr nach Absetzen der Medikamente

Svenja Niescken Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V.

    Zwangserkrankte müssen nach Absetzen der Einnahme von "Selektiven Serotonin- Wiederaufnahmehemmern (SSRI) nicht notgedrungen einen Rückfall erleiden. Wie eine Forschergruppe der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Schleswig-Holstein in einer demnächst veröffentlichten Studie herausfand, können die im Rahmen einer 10-wöchigen stationären Behandlung erzielten Verbesserungen der Zwangssymptome durchaus über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren stabil bleiben. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die medikamentöse Behandlung mit einer kognitiven Verhaltenstherapie gekoppelt wird und die Patienten von Anfang an gut auf die Behandlung ansprechen.

    Die meist chronisch verlaufenden Zwangserkrankungen können sowohl mit kognitiver Verhaltenstherapie als auch mit den so genannten Selektiven Serotonin- Wiederaufnahmehemmern (SSRI), die den Hirnstoffwechsel regulieren, erfolgreich behandelt werden. Ein Absetzen der medikamentösen Behandlung ohne begleitende Verhaltenstherapie führt jedoch zu sehr hohen Rückfallquoten, die je nach Studie zwischen 45 und 89 Prozent liegen.

    Auch eine kombinierte Therapie von SSRI und kognitiver Verhaltenstherapie stellt bei Zwangserkrankungen einen allgemein akzeptierten Therapieansatz dar. Vor allem die Langzeitwirkungen eines solchen kombinierten Therapieverfahrens sind bislang jedoch nur unzureichend untersucht worden. Unklar ist beispielsweise, wie hoch nach dem Absetzen der SSRI im Anschluss an eine erfolgreich durchgeführte kombinierte Therapie die Rückfallgefahr für die Betroffenen tatsächlich ist.

    Die Lübecker Forschungsgruppe um den Psychiater Dr. Andreas Kordon untersuchte im Rahmen ihrer Studie "Clinical outcame in patients with obsessive-compulsive disorder after discontinuation of SRI treatment: results from a two-year follow-up" 74 nacheinander stationär aufgenommene Zwangspatienten. 37 Zwangserkrankte wurden ausschließlich mit kognitiver Verhaltenstherapie behandelt, die anderen 37 Patienten erhielten eine kombinierte Therapie aus SSRI und kognitiver Verhaltenstherapie. 17 dieser kombiniert behandelten Betroffenen setzten die SSRI nach einer erfolgreichen Therapie im Zeitraum der zweijährigen Nachuntersuchungsphase ab. Mehr als 60 Prozent von ihnen bereits im Laufe des ersten Jahres der Nachuntersuchung.
    Die drei Patientengruppen unterschieden sich nicht in wesentlichen demographischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Beginn und Dauer der Zwangserkrankung, begleitende psychiatrische Störungen oder körperliche Erkrankungen. Ausschlusskriterien für die Teilnahme waren psychotische Störungen, Alkoholabhängigkeit, organische Gehirnschäden sowie eine akute Suizidalität.
    Die Schwere der Zwangssymptome wurde mit der Y-BOCS ("Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale") gemessen, die Depressionswerte mit der Hamilton Depressionsskala und das psychosoziale Funktionsniveau mit der GAF ("Global Assessment of Functioning")- Skala.

    Die Zwangserkrankten wurden jeweils zu Beginn und am Ende der stationären Therapie sowie 1 beziehungsweise 2 Jahre nach Abschluss der Behandlung untersucht. Als Ansprechen auf die Behandlung ("Response") wurde eine Verringerung der Y-BOCS Werte von 30 Prozent und mehr festgelegt.

    Bei den Untersuchungen kam heraus, dass alle drei Gruppen die erzielten Ausgangswerte in allen Bereichen signifikant verbessern konnten. Dabei entpuppten sich die kognitive Verhaltenstherapie und die kombinierte Therapie im Hinblick auf die Verringerung von Zwangssymptomen und Depressionen als ungefähr gleich wirksam.

    Die Studie ergab darüber hinaus, dass die Behandlungsergebnisse auch 2 Jahre nach Abschluss der Behandlung noch relativ stabil waren und die Rückfallquoten in allen drei Behandlungsgruppen etwa gleich hoch waren. Interessanterweise gab es im Rahmen der kombinierten Therapie keinen signifikanten Unterschied zwischen den Patienten, welche die SSRI abgesetzt hatten (Rückfallquote: 20 Prozent) und denen, die weiterhin medikamentös behandelt wurden (Rückfallquote: 22 Prozent). Dieses Ergebnis widerspricht früheren Untersuchungen, in denen eine deutlich erhöhte Rückfallquote nach Absetzen der medikamentösen Behandlung gefunden wurde. Allerdings erhielten die Patienten in diesen Studien keine begleitende psychotherapeutische Behandlung.

    Die Ergebnisse lassen sich laut Dr. Andreas Kordon, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen und Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Lübeck, dahingehend interpretieren, dass ein Absetzen der SSRI im Rahmen einer kombinierten Therapie bei Zwangserkrankten dann mit einem relativ geringen Rückfallrisiko verbunden sind, wenn im Rahmen der Therapie eine stabile Verbesserung der Zwangswerte erzielt werden konnte und die Patienten von Anfang an gut auf die Behandlung angesprochen haben. Die Ergebnisse müssten allerdings noch an einer größeren Patientenstichprobe überprüft werden.

    Den Leiter der Studie, Herrn Dr. med. Andreas Kordon, erreichen Sie unter: Kordon.A@Psychiatry.Mu-Luebeck.de

    Belegexemplare/ Veröffentlichungshinweise bitte an:
    Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen
    Postfach 1545
    49005 Osnabrück

    Veranstaltungshinweis:
    Vom 30. September bis 2. Oktober 2004 findet in Lübeck die 7. Jahrestagung der "Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V." zum Thema "Neue Perspektiven in Forschung und Therapie von Zwangserkrankungen" statt. Die Veranstaltung wird in Kooperation mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und der Schweizerischen Gesellschaft für Zwangsstörungen organisiert. Im Vorfeld der Tagung ist eine entsprechende Pressekonferenz geplant. Genauere Informationen werden wir Ihnen so früh wie möglich zur Verfügung stellen.


    Weitere Informationen:

    http://www.zwaenge.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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