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17.08.2022 09:31

Auf Onlinelehre reagiert der Körper anders

Dr. Julia Weiler Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Moderater Stress kann das Lernen fördern. Ob er in gleichem Maße bei Onlinelehre wie Präsenzlehre auftritt, haben Forschende der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Sie maßen verschiedene physiologische Parameter bei Studierenden, die entweder digital oder in Präsenz einen Anatomie-Kurs absolvierten. Obwohl die Kurse mental gleichermaßen fordernd waren, zeigte die Online-Gruppe einen signifikant geringeren physiologischen Erregungszustand. Die Ergebnisse beschreibt ein Team um Morris Gellisch und Prof. Dr. Beate Brand-Saberi in der Zeitschrift „Anatomical Sciences Education“, online veröffentlicht am 29. Juli 2022.

    Physiologischer Stress äußert sich zum Beispiel in erhöhten Werten des Stresshormons Cortisol, verminderter Herzratenvariabilität und einer erhöhte Herzrate. „Es ist bekannt, dass Stress starken Einfluss auf Lern- und Gedächtnisprozesse und auch auf das Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit hat“, sagt Morris Gellisch. Und zwar nicht nur negativen Einfluss. Ein moderater physiologischer Erregungszustand wirkt positiv, wenn er zeitlich im Kontext der Lernaufgabe auftritt.

    „Bislang wurden die Unterschiede zwischen Präsenz- und Onlinelehre häufig mit Fragebogenstudien untersucht, in denen subjektive Parameter wie Motivation oder empfundener Stress erhoben wurden“, schildert Gellisch. „Da Lernen aber eine klare physiologische Komponente besitzt, hat sich die Frage aufgedrängt, ob es hier ebenfalls Unterschiede gibt.“

    Anatomie-Kurs digital und in Präsenz

    Die Forschenden analysierten daher die Herzratenvariabilität und die Speichel-Cortisol-Konzentrationen von 82 Studierenden während eines Anatomie-Kurses. Dieser fand als Blended-Learning-Veranstaltung statt: Die Studierenden waren in Gruppen eingeteilt, und für jede Gruppe folgte auf einen Online-Kurstag ein Präsenz-Kurstag. An jedem Kurstag gab es somit eine Gruppe, die im Histologiesaal Präsenzunterricht erhielt, und eine weitere Gruppe, die das gleiche Unterrichtsgeschehen zeitgleich online verfolgte. An einem repräsentativen Kurstag maßen die Forschenden die Herzratenvariabilität mit speziellen Sensoren über die gesamte Kurszeit von 120 Minuten. Außerdem nahmen sie zu Beginn, nach 60 Minuten und zum Ende des Kurses Speichelproben. Die Studierenden, die über eine Videoplattform teilnahmen, führten die Messungen mit den gleichen Materialien und einer Schritt-für-Schritt-Anleitung selbst durch.

    Die physiologische Erregung war während des Online-Kurstags signifikant vermindert. Das zeigte sich in geringeren Cortisol-Konzentrationen, geringerer sympathischer Aktivität und erhöhter parasympathischer Aktivität. Die beiden letzten Werte lassen sich aus der Herzratenvariabilität ableiten und sind ein Maß für die Anspannung: An Online-Kurstagen waren die Studierenden entspannter.

    Fragebogendaten zusätzlich ausgewertet

    Zusätzlich zu den physiologischen Werten ermittelte das Team mit Fragebögen auch subjektiv empfundene Parameter, etwa wie viel Freude die Kursteilnahme machte. Ein Ergebnis: Eine erhöhte Aktivität des sympathischen Nervensystems korrelierte mit erhöhter Freude während der Präsenzlehre. Diese Korrelation fand sich nicht in der Online-Gruppe.

    Förderung

    Die Studie wurde unterstützt durch die Forschungsförderung an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (FoRUM) unter dem Förderkennzeichen F1028-2021.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Morris Gellisch
    Anatomie und Molekulare Embryologie
    Fakultät für Medizin
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 25212
    E-Mail: morris.gellisch@rub.de


    Originalpublikation:

    Morris Gellisch, Oliver T. Wolf, Nina Minkley, Wolfgang H. Kirchner, Martin Brüne, Beate Brand-Saberi: Decreased sympathetic cardiovascular influences and hormone-physiological changes in response to Covid-19-related adaptations under different learning environments, in: Anatomical Sciences Education, 2022, DOI: 10.1002/ase.2213, https://anatomypubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ase.2213


    Bilder

    Beate Brand-Saberi und Morris Gellisch im Histologiesaal der Ruhr-Universität Bochum
    Beate Brand-Saberi und Morris Gellisch im Histologiesaal der Ruhr-Universität Bochum

    RUB, Marquard


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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