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Projekt der Universität Jena beweist großen Bedarf an Mitbestimmung bei Thüringer Patienten
(Jena) Jeder zweite Thüringer Tumorpatient möchte bei der Behandlung seiner Erkrankung mitentscheiden. Das zeigte eine von Medizinern und Sozialwissenschaftlern der Universität Jena am Universitätsklinikum Jena durchgeführte Patientenbefragung im Rahmen des interdisziplinären Projektes "Patienten als Partner - Tumorpatienten und ihr Mitwirken bei medizinischen Entscheidungen".
Dabei sprachen sich 51 Prozent der befragten schwerkranken Tumorpatienten dafür aus, nach gründlicher Information über alle Möglichkeiten gemeinsam mit ihrem Arzt die Entscheidung über den weiteren Therapieverlauf zu fällen. Lediglich 17 Prozent wollten selbst die Entscheidung über ihre weitere Behandlung treffen. "Darin zeigt sich, dass mehr Mitbestimmung für Patienten nicht automatisch heißt, dass diese allein entscheiden wollen", erklärt Dr. Birgitt van Oorschot, Leiterin des Jenaer Projektes, zu den Ergebnissen. Vielmehr sei es wichtig, ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Patienten und Arzt aufzubauen, und den Betroffenen ausreichend Informationen über die Chancen und Risiken möglicher Therapien zu vermitteln. "Immerhin ein Drittel der Befragten möchte die Letztentscheidung dann aber doch dem Fachmann, also dem Arzt, überlassen", so Dr. van Oorschot. Als ein Fazit der Befragung, in die Daten von 272 Patienten einflossen, möchte Dr. van Oorschot dabei eines festhalten: Für die Thüringer Krebspatienten bedeutet partnerschaftliche Entscheidungsfindung nicht vordergründig, dass sie die Entscheidungen selbst treffen, sondern die Beteiligung durch Gespräche und eine offene und ehrliche Kommunikation mit einem verlässlichen und zugänglichen Arzt.
Ärzte unterschätzen Bedürfnis nach Vertrauen und gemeinsamen Gesprächen
Dass dies von den Ärzten nicht immer so gesehen wird, zeigt die parallel zur Patientenumfrage durchgeführte Befragung von Hausärzten zum selben Thema. Zwar sprachen sich auch hier mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) für eine gemeinsam Entscheidungsfindung mit den Patienten aus. Doch bei den beiden anderen Optionen zeigte sich eine andere Wichtung der Mediziner: Immerhin fast ein Drittel der Ärzte (27 Prozent) sagte, dass die Patienten selbst entscheiden sollten, während nur 11 Prozent der Meinung sind, der Arzt sollte die Letztentscheidung über die Therapie treffen. Ein genau umgekehrtes Bild zu den Wünschen der Patienten also.
Hierbei zeigte sich, dass Ärzte oft davon ausgehen, dass die Patienten zwar viel über die Erkrankung wissen, aber deutlich schlechter über die Prognose, also ihre Überlebenschancen, informiert sind. Statt hier Verantwortung wahrzunehmen, delegieren die Mediziner die "unangenehme" Aufgabe, sich mit schwierigen Fragen auseinander zu setzen. Das führt die Jenaer Forscher zu der Erkenntnis: Nicht die Patienten müssen als kompetenter Partner im Gesundheitswesen fit gemacht werden, sondern die Ärzte. Diese müssten mehr lernen, auf den Patienten zuzugehen. "Als Konsequenz arbeiten wir jetzt an praxistauglichen Empfehlungen für den Klinikalltag, die den Patientenwunsch nach Gesprächen aufgreifen, und einem Kommunikationstraining für Ärzte, das gezielt den partnerschaftlichen Umgang mit Patienten fördern soll", so Birgitt van Oorschot.
Das Jenaer Projekt gehört zu den bundesweit zehn Projekten mit dem Schwerpunkt "Patienten als Partner", die seit 2001 vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziales (BMGS) gefördert werden. Ziel der Projekte ist, Möglichkeiten der Umsetzung einer "partizipativen Entscheidungsfindung" zu erforschen, um langfristig den Medizinbetrieb patientenfreundlicher zu gestalten.
(Helena Reinhardt)
Ansprechpartner:
Dr. Birgitt van Oorschot
Modellprojekt "Patienten als Partner", Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 03641 / 945810, Mobil: 0151 / 12133646
E-Mail: birgitt.oorschot@uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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