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06.09.2022 10:43

Erderwärmung von bis zu 5 Grad im östlichen Mittelmeerraum und Nahen Osten erwartet

Claudia Dolle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Chemie

    Noch nie dagewesene und für die Gesellschaft verheerende extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Staubstürme und sintflutartige Regenfälle werden bald zur Realität, wenn nicht sofort ehrgeizige und grenzüberschreitende Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden, so die jüngste wissenschaftliche Bewertung des Klimas in der Region.

    In einem neuen Bericht, der im Open Access Journal „Reviews of Geophysics“ erschienen ist, identifiziert eine Gruppe internationaler Wissenschaftler:innen die Länder des östlichen Mittelmeerraums und des Nahen Ostens als einen Klimawandel-Hotspot. Das Gebiet wird sich fast doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt und rascher als andere bewohnte Teile der Erde erwärmen. In einem Business-As-Usual-Szenario, bei dem keine sofortigen, weitreichenden Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden, gehen die Wissenschaftler von einer regionalen Erderwärmung von bis zu 5 Grad oder mehr aus.

    Im Sommer wird der Temperaturanstieg am stärksten sein und mit beispiellosen Hitzewellen einhergehen, so die Prognose. Es wird so wenig regnen, dass die Wasser- und Ernährungssicherheit in Gefahr ist. Praktisch alle sozioökonomischen Sektoren werden kritisch betroffen sein, mit potenziell katastrophalen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebensgrundlage der 400 Millionen Menschen, die in der EMME leben, sowie maßgeblichen Folgen für die ganze Welt.

    Der Bericht ist unter der Schirmherrschaft des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPIC) und des Cyprus Institutes in Vorbereitung der nächsten UN-Klimakonferenz, der COP 27, entstanden. Diese findet im November im ägyptischen Sharm El Sheikh statt. Der Artikel bietet eine umfassende Bewertung von Messdaten und jüngsten Klimaanalysen, die ein breites Spektrum von Zeitskalen, Klimaphänomenen und möglichen Zukunftsszenarien abdecken. In ihrer Bewertung prognostizieren die Wissenschaftler auch, dass die EMME die Europäische Union als Quelle von Treibhausgasen schnell überholen und einer der Haupt-Emittenten weltweit sein wird.

    Die Forschenden gehen in ihrem Beitrag auch davon aus, dass die Stärke und die Dauer von Hitzewellen, Dürren, Staubstürmen und sintflutartigen Regenfällen, die voraussichtlich Sturzfluten auslösen werden, signifikant zunehmen werden. Im Bericht werden ferner die Luftverschmutzung und die Art, wie landwirtschaftliche Flächen in der Region in Zukunft genutzt werden, diskutiert, weitere Diskussionspunkte sind die zunehmende Verstädterung, Wüstenbildung und Entstehung von Waldbränden. Empfehlungen für mögliche Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels runden die Bewertung der Forscher:innen ab.

    Business-As-Usual-Haltung schadet praktisch allen sozioökonomischen Sektoren

    Bei dem im Bericht skizzierten „Business-As-Usual-Szenario” gehen die Wissenschaftler:innen davon aus, dass sofortige und ehrgeizige Klimaschutzmaßahmen nicht zur Anwendung kommen. „In diesem Fall würden sich die trockenen Klimazonen nach Norden hin ausdehnen, auf Kosten der gemäßigteren Regionen“, erklärt Dr. George Zittis vom Cyprus Institute und Erstautor der Studie. Gebirgige Klimazonen, in denen es schneit, würden im Lauf des Jahrhunderts abnehmen. Die Kombination aus weniger Regen und starker Erwärmung würde zu schweren Dürren beitragen. Der Meeresspiegel in der EMME würde voraussichtlich ebenso rasch ansteigen wie man dies auch auf globaler Ebene prognostiziert, wobei viele Länder auf die Gefahren eines solchen Anstiegs nicht vorbereitet sind. „Ein höherer Meeresspiegel in der EMME würde die Infrastruktur an den Küsten und die Landwirtschaft vor große Herausforderungen stellen. Es könnte dazu führen, dass die Grundwasservorkommen an den Küsten und im dicht besiedelten und bewirtschafteten Nildelta versalzen“, warnt Zittis.

    Praktisch alle sozioökonomischen Gebiete werden kritisch beeinflusst, das machen die Autoren in ihrem Bericht und vor allem im Business-As-Usual-Szenario deutlich. Jos Lelieveld, Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie, Institutsprofessor am Cyprus Institute und Koordinator der Bewertung stellt fest: „Die Menschen, die in der EMME leben, werden mit großen gesundheitlichen Herausforderungen konfrontiert. Dies gilt besonders für unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen, ältere Menschen, Kinder und Schwangere.“

    Ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen sind sofort erforderlich

    Um die schlimmsten Wetterereignisse in der Region abzuwenden, halten die Wissenschaftler sofortige und effektive Klimaschutzmaßnahmen für dringend erforderlich. „Das Motto der COP 27 ist gut gewählt: „Gemeinsam für eine gerechte, ehrgeizige Umsetzung – jetzt!“, erklärt Jos Lelieveld. „Da viele der regionalen Folgen des Klimawandels grenzüberschreitend sind, ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Ländern unerlässlich, um die erwarteten negativen Auswirkungen zu bewältigen. Die Notwendigkeit, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, ist dringlicher denn je“, sagt Lelieveld abschließend. Würden die wichtigsten Ziele des Pariser Abkommens eingehalten, so das Fazit der Studie, könnte der jährliche Temperaturanstieg in der EMME bis zum Ende des Jahrhunderts auf circa zwei Grad stabilisiert werden – und nicht auf die verheerenden fünf Grad, die im Business-As-Usual-Szenario prognostiziert werden.

    Die in dem Bericht aufgeführten Anpassungsoptionen und politischen Empfehlungen unterstreichen, wie wichtig eine rasche Umsetzung von Dekarbonisierungsmaßnahmen vor allem im Energie- und Transportsektor ist, da diese beiden Bereiche die Hauptverursacher der Treibhausgasemissionen in der EMME sind. Ein weiterer Punkt, der im Bericht angeführt wird, ist die Klimaresilienz, also die Fähigkeit der Länder, Auswirkungen und Belastungen des Klimawandels abzumildern, indem sie ihre Strukturen und Mittel für ein Leben angesichts der zunehmend schwierigeren Umweltbedingungen anpassen und transformieren. Zu den vorrangigen Bereichen zählen der Umgang mit begrenzten Wasserressourcen und die Vorbereitung auf häufigere Wetterextreme wie Hitzewellen, die für die wachsende Stadtbevölkerung eine besondere Herausforderung darstellen werden.

    Der Bericht wurde im Open Access Journal der American Geophysical Union (AGU) veröffentlicht. Das Online-Magazin zeichnet sich durch den höchsten Impact Factor in den Geowissenschaften aus. Er geht auf die 2019 ins Leben gerufenen Initiative der Regierung Zyperns zur Koordinierung von Klimaschutzmaßnahmen in der EMME zurück. Die Initiative hat einen gemeinsamen regionalen Klimaaktionsplan zum Ziel, um die spezifischen Bedürfnisse der EMME-Länder zu adressieren und die Ziele des Pariser Abkommens voranzutreiben.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Jos Lelieveld, jos.lelieveld@mpic.de


    Originalpublikation:

    Climate change and weather extremes in the Eastern Mediterranean and Middle East.

    Reviews of Geophysics, 28 June 2022,
    https://doi.org/10.1029/2021RG000762

    G. Zittis, M. Almazroui, P. Alpert, P. Ciais, W. Cramer, Y. Dahdal, M. Fnais, D. Francis, P. Hadjinicolaou, F. Howari, A. Jrrar, D. G. Kaskaoutis, M. Kulmala, G. Lazoglou, N. Mihalopoulos, X. Lin, Y. Rudich, J. Sciare, G. Stenchikov, E. Xoplaki, J. Lelieveld


    Weitere Informationen:

    https://www.mpic.de/5264981/climate-change-emme?c=3477744


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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