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12.09.2022 12:00

Aktuelle Studie zeigt keinen Vorteil für Asundexian zusätzlich zu ASS für die Schlaganfall-Rezidivprophylaxe

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Berlin - Nach Schlaganfällen besteht ein hohes Rezidivrisiko. Daher ist die Sekundärprävention mit gerinnungshemmenden Medikamenten wichtig; z. B. mit Thrombozyten-Aggregationshemmern wie ASS (Acetylsalicylsäure), die jedoch das allgemeine Blutungsrisiko erhöhen können. Die neue Substanz Asundexian inhibiert den Gerinnungsfaktor XIa, ohne das Blutungsrisiko signifikant zu erhöhen, und wurde daher in einer Schlaganfallstudie [1] additiv zur Thrombozyten-Aggregationshemmung evaluiert. Das Sicherheitsprofil bestätigte sich zwar, das Schlaganfallrisiko sank jedoch nicht weiter ab als mit Thrombozyten-Aggregationshemmern alleine.

    Nach einem ischämischen Schlaganfall besteht ein hohes Rezidivrisiko – besonders in den ersten Tagen und Wochen. Daher muss sobald wie möglich eine Sekundärprävention mit oralen gerinnungshemmenden (antithrombotischen) Medikamenten begonnen werden. Es gibt hierfür zwei Möglichkeiten: Thrombozyten-Aggregationshemmer, die die Blutplättchenfunktion hemmen (z. B. Acetylsalizylsäure /ASS, Clopidogrel, Ticagrelor), und sogenannte Antikoagulanzien, die bestimmte Gerinnungsfaktoren im Blut blockieren. Antikoagulantien werden gegeben, wenn der Schlaganfall durch eine Embolie aus dem Herzen, z.B. bei Vorhofflimmern, bedingt war.

    Es ist durch Studien gesichert, dass ASS das Schlaganfall-Rezidivrisiko signifikant reduziert. Der größte Nutzen besteht dabei in den ersten Wochen nach dem Initialereignis. Bei vertretbarem Blutungsrisiko ist die frühe und kurzzeitige doppelte Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und Clopidogrel für 10-21 Tage oder alternativ ASS und Ticagrelor für 30 Tage möglich [2]. Mit einer effektiven Gerinnungshemmung geht bei diesen Medikamenten jedoch ein geringer Anstieg des allgemeinen Blutungsrisikos einher, was zwar selten ist, aber gefährlich sein kann. Daher wird die Behandlung nach der Nutzen-Risiko-Abwägung immer an die individuelle Situation angepasst. Klinisch besteht ein großes Interesse an neuen risikoärmeren Medikamenten wie beispielsweise das neue orale Antikoagulans Asundexian (ein sogenanntes „small molecule“), das den Gerinnungsfaktor XIa effektiv hemmt und nur sehr geringe Effekte auf das Blutungsrisiko hat. Menschen mit angeborenem Faktor XI-Mangel haben ein geringes Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte.

    Die PACIFIC-Stroke-Studie [1] ist die erste randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie, die bei Betroffenen nach einem ersten nicht-kardioembolischen ischämischen Schlaganfall den Nutzen von Asundexian zusätzlich zur Behandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern untersuchte. Die internationale Phase-2b-Dosisfindungsstudie schloss 1.808 Patientinnen und Patienten aus 196 Kliniken in 23 Ländern ein (mittleres Alter 67 Jahre, 66% Männer), die in vier gleichgroße Gruppen randomisiert wurden. Der mediane Schlaganfall-Schweregrad (NIHSS-Score) lag bei 2,0 (IQR 1,0-4,0); die mittlere Zeit vom Schlaganfall bis zur Randomisierung betrug 36±10 Stunden. Die Teilnehmenden wurden entsprechend der Thrombozytenaggregationshemmung (43% duale Therapie, 57% Monotherapie) stratifiziert; zusätzlich erhielten sie einmal täglich oral entweder 10 mg Asundexian (n=455), 20 mg (n=450), 50 mg (n=447) oder Placebo (n=456). Das Follow-up betrug 26-52 Wochen. Zerebrale MRT-Untersuchungen erfolgten initial und nach 26 Wochen. Das primäre Outcome war die dosisabhängige Effektivität auf den kombinierten Endpunkt, der zwei mögliche Ereignisse beinhaltete: symptomatische Schlaganfall-Rezidive und/oder neue symptomlose, im MRT aber erkennbare kleine Hirninfarkte. Primäre Sicherheitsendpunkte waren große bzw. klinisch relevante Blutungen, definiert nach den ISTH-Kriterien („International Society on Thrombosis and Haemostasis“).

    Im Ergebnis zeigte sich nach 26 Wochen für die additive Gabe von Asundexian (gegenüber der Placebo-Gruppe mit alleiniger Thrombozytenaggregationshemmung) keine weitere Reduktion des primären Endpunktes. In allen vier Gruppen trat der primäre Endpunkt bei ca. 20% der Teilnehmenden ein (87/456=19% mit Placebo vs. 86/455=19% mit 10 mg Asundexian, 99/450=22% mit 20 mg und 90/447=20% mit 50 mg; p=0,8). Das Sicherheitsprofil war ebenfalls in allen Gruppen vergleichbar: der primäre Sicherheitsendpunkt (Blutungen) wurde von 2% in der Placebogruppe und dosisunabhängig von 3-4% in den Asundexian-Gruppen erreicht (HR 1,57).

    Eine Post-hoc-Analyse zeigte jedoch einen gewissen Asundexian-Nutzen für eine Subgruppe mit deutlicher Atherosklerose zerebraler Arterien. Dies sollte nun nach Ansicht der Studiengruppe in einer weiteren Studie untersucht werden.

    Professor Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN steht dem Vorhaben etwas verhaltener gegenüber, wie er auch in einem ebenfalls in „The Lancet“ publizierten Kommentar [3] ausführt: „Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gesehen, dass Studien keinen Vorteil zeigen konnten, aber bestimmte Subgruppen scheinbar profitierten. Wurden dann größere Studien in diesen Subgruppen durchgeführt, zeigte sich dennoch kein Vorteil. Aber natürlich ist insgesamt weitere Forschung erforderlich, um die antithrombotische Therapie für die sekundäre Schlaganfallprävention weiter zu optimieren.“ Der Experte verweist außerdem auf die Bedeutung der anderen Säulen der Sekundärprävention: Die Therapie von Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus. „Unverzichtbar ist darüber hinaus die Mitwirkung der Betroffenen im Hinblick auf ihren Lebensstil: Nikotinverzicht, Limitierung des Alkoholkonsums, Reduktion von Übergewicht – und regelmäßige Bewegung.“

    [1] Shoamanesh A, Mundl H, Smith EE et al. Factor XIa inhibition with asundexian after acute non-cardioembolic ischaemic stroke (PACIFIC-Stroke): an international, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 2b trial. Lancet 2022 Sep 2; S0140-6736(22)01588-4 doi: 10.1016/S0140-6736(22)01588-4. Online ahead of print.
    [2] Hamann GF, Sander D et al. Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke: Teil 1, S2k-Leitlinie, 2022, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: https://dgn.org/leitlinien/ll-030-133-sekundarprophylaxe-ischamischer-schlaganfa... (abgerufen am 07.09.2022)
    [3] Diener HC, Rothwell PM. Antithrombotic drugs in secondary stroke prevention: still some way to go. Lancet. 2022 Sep 2:S0140-6736(22)01703-2. doi: 10.1016/S0140-6736(22)01703-2. Epub ahead of print. PMID: 36063822.

    Pressekontakt
    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    c/o Dr. Bettina Albers, albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
    Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren fast 11.000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

    Präsident: Prof. Dr. med. Christian Gerloff
    Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. Lars Timmermann
    Past-Präsidentin: Prof. Dr. med. Christine Klein
    Generalsekretär: Prof. Dr. Peter Berlit
    Geschäftsführer: David Friedrich-Schmidt
    Geschäftsstelle: Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
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    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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