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Der Junge (10) aus Westafrika kam mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt, der in Deutschland im ersten Lebensjahr operiert wird. Der Arzt Dr. Klaus Kogelmann aus Emden hat die Initiative ergriffen: Herzspezialisten in Bad Oeynhausen haben den Zehnjährigen erfolgreich operiert.
Jedes 100. Kind weltweit wird mit einem angeborenen Herzfehler geboren. In Deutschland können fast alle Kinder ihr Leben dank sehr guter und früher medizinischer Versorgung meistern. Phillipe ist in Benin geboren. Er bekam diese Möglichkeit nicht. Deshalb haben sich einige Wohltätigkeitsorganisationen – allen voran der Verein Bild hilft e.V. „Ein Herz für Kinder“ sowie die Uwe Seeler Stiftung, die Gerald Asamoah Stiftung, die Stiftung Zuversicht, das Unternehmen Cytosorbents Europe und die Ronald McDonald Stiftung sowie über 200 Menschen mit einer privaten Spende dafür eingesetzt, dass der zehnjährige Junge aus Westafrika im Kinderherzzentrum am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen erfolgreich versorgt und operiert werden konnte. Alle gemeinsam haben Phillipe das Leben gerettet.
Fallot-Tetralogie: Eine vierfache Herzfehlbildung
Als Dr. Klaus Kogelmann Phillipe im vergangenen Jahr kennenlernt, ist der im Benin, Westafrika, lebende Junge gesundheitlich stark eingeschränkt. Er leidet an einer sogenannten Fallot-Tetralogie. Das ist eine seltene und komplexe vierfache Herzfehlbildung, die etwa sechs bis sieben Prozent aller angeborenen Herzfehler ausmacht. Als Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Emden weiß Kogelmann, dass Phillipe dringend am Herzen operiert werden muss: Je nach Ausmaß der Erkrankung beträgt die mittlere Lebenserwartung ohne Operation zwölf Jahre, 95 Prozent der Betroffenen erreichen das 40. Lebensjahr nicht.
„Für die Familie war es unmöglich, diese Operation in Afrika machen zu lassen“, beschreibt Kogelmann die Situation. Da sich Phillipes Zustand deutlich verschlechtert, setzt der Arzt alle Hebel in Bewegung, knüpft Kontakte, gründet ein Fundraising und findet so Mittel und Wege, um Phillipe nach Bad Oeynhausen zu bringen. „Im Laufe von acht Monaten sind fast 25.000 Euro über das Fundraising gespendet worden. Die genannten Einrichtungen und Vereine haben gemeinsam zusätzliche 45.000 Euro bereitgestellt.“
Voruntersuchungen
Bereits im Mai finden im Bad Oeynhausener Herzzentrum präzise Voruntersuchungen statt. „Normalerweise möchten wir Kinder mit einer Fallot-Tetralogie noch im ersten Lebensjahr operieren“, erläutert Prof. Dr. Eugen Sandica, Klinikdirektor der Kinderherzchirurgie und Chirurgie angeborener Herzfehler, der das Bad Oeynhausener Kinderherzzentrum gemeinsam mit dem Kinderkardiologen Prof. Dr. Stephan Schubert leitet. „Phillipe hat mehr als elf Jahre mit Sauerstoffunterversorgung gelebt, seine Herzkammern konnten sich nicht wie bei einem gesunden Kind entwickeln. Die Herzmuskulatur ist verdickt, weil sein Herz über Jahre hinweg gegen den durch die Fehlbildung verursachten Widerstand pumpen musste.“
Zu den Voruntersuchungen zählen Herzkatheterdiagnostik, Echokardiografie sowie Lungenfunktionsanalyse und umfangreiche Laboruntersuchungen. Anhand der vorliegenden Befunde bereiten die erfahrenen Herzspezialisten den Eingriff sorgfältig vor. Dazu gehört auch, dass Phillipe zunächst noch zu einem Zahnarzt geschickt wird. „Bakterien von kranken Zähnen können bei einer Herzoperation ein besonderes Risiko sein, weil sich Keime an einer Herzklappe ansiedeln könnten. Das sollte vor einer Operation deshalb vollständig behandelt sein“, erklärt Professor Schubert.
Die Operation
Am 27. Juli ist es dann soweit: Während der fast sieben Stunden dauernden Operation schließen Professor Sandica und sein Team ein Loch in Phillipes Herzscheidewand, korrigieren die Position der Körperschlagader (Aorta) und erweitern die zu enge Lungenschlagader, so dass das das Herz des Jungen fortan ohne den bisher hohen Widerstand Blut aus der rechten Kammer in die Lunge pumpen kann. Mit dem Skalpell lockert Professor Sandica die verwachsenen Klappenränder, so dass die Taschen der Herzklappe wieder beweglich sind. „Dass die Herzklappe auf diese Weise erhalten werden konnte, ist eine sehr gute Nachricht.“
Phillipes Mutter, seine Tante Sissy Coffy und sein Cousin Sinclair durften zeitweise im nahe gelegenen Elternhaus der Ronald McDonald Stiftung wohnen. Erleichtert erfahren sie, dass die Operation erfolgreich verlaufen ist und Philippe den schweren Eingriff gut überstanden hat.
Schon 15 Tage nach der großen Operation kann Phillipe aus dem Herzzentrum entlassen werden. Bei seiner Tante in Nordhorn wird er sich weiter erholen, bis er Mitte September wieder nach Hause zu seiner Familie nach Benin fliegen darf. Seine Prognose ist gut, sagen die Herzspezialisten. Die lebensrettende Operation fand gerade noch rechtzeitig statt. „Ein Kind in Deutschland würde man nun regelmäßig alle sechs bis zwölf Monate durch einen Kinderkardiologen auf mögliche Rhythmusstörungen oder andere Auffälligkeiten kontrollieren“, erläutert Professor Schubert. Das werde im Benin kaum möglich sein. Aber er ist sehr zuversichtlich, dass Phillipes Herz sich jetzt altersentsprechend entwickeln wird. Dr. Klaus Kogelmann hat dank weiterer Unterstützung über Spenden einen erfahrenen Herzspezialisten in Ghana für die in Westafrika notwendigen Nachuntersuchungen gewinnen können: „Wir sind alle unendlich dankbar für die große Hilfsbereitschaft und Unterstützung. So viele Menschen haben das Richtige getan und ein ihnen völlig unbekanntes Kind gerettet. Lebensnotwendige medizinische Versorgung darf einfach nicht daran scheitern, nicht im richtigen Land geboren zu sein.“
Hintergrundinformationen:
BILD hilft e.V. „Ein Herz für Kinder“ ist eine Hilfsorganisation, die sich national und international für in Not geratene Kinder einsetzt. Der Verein unterstützt u.a. Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten und soziale Einrichtungen. Schwerkranke Kinder werden bei lebensrettenden OPs unterstützt. Der Kampf gegen seltene Kinderkrankheiten und gegen Krebsarten im Kindesalter wird vorangetrieben. Der Verein unterstützt u.a. groß angelegte Studien am Hopp-Kindertumorzentrum und der Charité. Außerdem setzt sich BILD hilft e.V. dafür ein, dass das Leid der ukrainischen Kinder verringert wird.
Als Spezialklinik zur Behandlung von Herz-, Kreislauf- und Diabeteserkrankungen zählt das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen (HDZ NRW), Bad Oeynhausen mit 35.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr, davon 14.600 in stationärer Behandlung, zu den größten und modernsten Zentren seiner Art in Europa.
Das Kinderherzzentrum und Zentrum für angeborene Herzfehler des HDZ NRW wird von Prof. Dr. Stephan Schubert, Direktor der Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, und Prof. Univ. Dr. Eugen Sandica, Direktor der Kinderherzchirurgie und angeborene Herzfehler, gemeinsam geleitet. Es zählt zu den international führenden Kliniken zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit angeborenem Herzfehler und ist zertifiziertes Zentrum für die Behandlung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH). Zur ausgewiesenen Expertise des Zentrums zählt die Therapie des gesamten Spektrums von angeborenen Herzfehlbildungen im Neugeborenen-, Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Jährlich werden hier über 1.000 Patienten mit herausragenden Ergebnissen auch im internationalen Vergleich stationär sowie 4.500 bis 5.000 Patienten ambulant betreut.
Weitere Informationen:
Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leitung: Anna Reiss
Georgstr. 11
32545 Bad Oeynhausen
Tel. 05731 97-1955
Fax 05731 97-2028
Univ.-Prof. Dr. med. Stephan Schubert
Prof. Univ. (assoc) Dr. Eugen Sandica
Zentrum für angeborene Herzfehler / Kinderherzzentrum
Herz- und Diabeteszentrum NRW
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Phillipe (10) mit (v.l.) Prof. Univ. Dr. Eugen Sandica, Dr. Klaus Kogelmann und Prof. Dr. Stephan Sc ...
(Foto: Marcel Mompour).
HDZ NRW
Phillipe (10)
(Foto: Marcel Mompour).
HDZ NRW
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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