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Wissenschaft
Schon vor Corona hatten Deutschlands Innenstädte oft mit Problemen zu kämpfen. Aber welche Optionen haben Kommunen für eine zeitgenössische Gestaltung ihrer Zentren? Dieser Frage ging das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) in einer Studie nach, die zeigt, dass klassische Nutzungen wie Einkauf und Gastronomie heute und zukünftig nicht mehr reichen.
Berlin. Onlineshopping, Coronapandemie, Ukrainekrieg, Klimawandel – die Folgen wirken sich auch auf Deutschlands Innenstädte aus: Sinkende Umsätze im lokalen Einzelhandel, weniger Kundschaft in der City, weiter steigende Gewerbe- und Wohnungsmieten durch eskalierende Energiepreise, mangelnde Aufenthaltsqualität durch Hitze – dies sind nur einige der Auswirkungen. Aber welche Handlungsoptionen haben Kommunen, um in den Stadtzentren Leerstand zu vermeiden, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen und den Innenstadtbesuch langfristig attraktiv zu machen?
Diesen und weiteren Fragen ging das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) in einem interdisziplinären Forschungsprojekt nach. Die daraus entstandene Difu-Studie „Frischer Wind in die Innenstädte“ (als PDF kostenfrei online) soll einen Debattenbeitrag zur künftigen Ausrichtung der Innenstädte liefern und eine kritische Reflexion der bisherigen und zukünftigen Innenstadtpraxis anregen. Das Forschungsteam benennt in der Publikation die dafür notwendigen „Transformationsbausteine“ und zeigt daraus folgende Handlungsoptionen für Kommunen auf.
Ausgewählte Kernaussagen, Empfehlungen und Maßnahmenbeispiele:
- „Kommunen benötigen ein widerspruchsfreies gemeinsames „Zielbild“ für ihre
Innenstadt, das die langfristig gewünschte Entwicklung definiert. Ein Beispiel könnte die
„Alltägliche Innenstadt“ sein,“ so Difu-Wissenschaftlerin Julia Diringer. „Damit die
Innenstadt die Stadtgesellschaft verbindet, braucht es eine Vielfalt an Angeboten und
Anlässen „von Hochglanz bis ohne Glanz“, um das Verweilen für alle zur Normalität
werden zu lassen.“
- Die vorhandene Nutzungsvielfalt sollte laut Difu-Forschungsteam erweitert und bisher
eventuell weiter entfernte Nutzungen in die Innenstadt integriert werden, beispielsweise
Bildung, nichtkommerzielle Kultur- und Freizeitangebote, Gesundheitsangebote, soziale
Einrichtungen, Wohnen, Verwaltung.
- Multifunktionalität sollte ein selbstverständlicher Bestandteil der Gebäude- und
Flächennutzung werden. So können Gebäude morgens anderen Zwecken dienen als
abends. Mischen ist möglich und notwendig, muss aber gesteuert werden, um Konflikte
zu vermeiden.
- Sechs zentralen Schwerpunkten – „Transformationsbausteinen“ – wird derzeit laut Difu
Forschungsteam oft noch zu wenig Relevanz bei der Innenstadtentwicklung
beigemessen. Sie könnten jedoch wirksame Impulse für die Resilienz und „frischen
Wind“ in die Innenstädte tragen: Klimaanpassung, Klimaschutz, Mobilitätswende,
sozialer Zusammenhalt, Gemeinwohlorientierung und Kreislaufwirtschaft.
- Die urbane Transformation bietet viele Möglichkeiten, die Innenstadt im Kaleidoskop der
Zukunftsthemen zu positionieren: So könnten freiwerdende Flächen neu oder anders
genutzt werden. Versiegelte Straßen und Plätze, Dach- und Fassadenflächen aber auch
Gebäude für Klimaschutz, Klimaanpassung sowie Energieerzeugung könnten eine
stärkere Rolle spielen. Aufenthalts- und Lebensqualität können durch eine
mobilitätsgerechte Stadt – gut erreichbar, aber wenig fahrende oder parkende Autos –
verbessert werden. Als Begegnungsort der Stadtgesellschaft zeigt sich in der Innenstadt
auch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher sozialer Realitäten. Durch vielfältige
Angebote für das Miteinander kann die Innenstadt zum gesellschaftlichen
Zusammenhalt beitragen und ihn fördern. Eine stärkere Ausrichtung der Innenstadt auf
das Gemeinwohl ist zudem notwendig, um unsoziale Logiken des Immobilienmarktes zu
durchbrechen und Zugänglichkeit, breite Nutzungsmischung und bezahlbare Flächen für
Kleingewerbe, Handwerk, Kunst, Kultur und Soziales zu ermöglichen. Mit dem
europäischen „Green Deal“ wird Kreislaufwirtschaft zu einem Handlungsfeld für die
kommunale Wirtschaftsentwicklung, die auch die Innenstädte betrifft. Angebote zum
Reparieren und Wiederverwenden, nachhaltige Bauweisen und „Urban Mining“ – also
das Weiternutzen von Rohstoffen in Produkten und Infrastrukturen nach
Gebrauchsende – sollten ins urbane Repertoire gehören. Denkt man all diese
Perspektiven weiter, könnte die Innenstadt in ihrer zentralen Funktion auch ein
„Schaufenster der zukunftsorientierten Transformation“ werden.
- Da die Handlungsspielräume der Kommunen insbesondere durch ein vielerorts
geringes kommunales Flächenvermögen in der Innenstadt eingeschränkt sind, bedarf
es auch einer Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten (z.B. durch
Innenstadtentwicklungsmaßnahmen, Regelungen zum Gewerbemietrecht oder den
Schutz für bestimmte Nutzungen).
- Welche Rolle eine zeitgenössische Innenstadt tatsächlich ausfüllen kann, muss
stadtindividuell entschieden werden. Dafür braucht es eine gemeinsame Verständigung
über die „langen Linien“ der Transformation – und Ausdauer.
„Die Innenstadt ist ein Gemeinschaftswerk. Die jetzt notwendige Transformation kann sich für Kommunen als Chance erweisen, die Stadtgesellschaft in diesen wichtigen Prozess einzubinden,“ so Difu-Wissenschaftlerin Sandra Wagner-Endres. „Einige Städte zeigen dies bereits, wie die Studie zeigt: Für „frischen Wind in der Innenstadt“ braucht es große Ideen und die Bereitschaft mutige Entscheidungen zu treffen.“
Kontakt:
Julia Diringer, M.Sc.
+49 30 39001-283
diringer@difu.de
Dipl.-Ing.
Ricarda Pätzold
+49 30 39001-190
paetzold@difu.de
Dipl.-Soz.
Jan Hendrik Trapp
+49 30 39001-210
trapp@difu.de
Dipl.-Ing.
Sandra Wagner-Endres
+49 30 39001-154
wagner-endres@difu.de
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Der Text ist selbstverständlich frei zur Weiternutzung. Über ein Belegexemplar/Beleglink an presse@difu.de würden wir uns sehr freuen.
Kurzinfo: Deutsches Institut für Urbanistik
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) ist als größtes Stadtforschungsinstitut im deutschsprachigen Raum die Forschungs-, Fortbildungs- und Informationseinrichtung für Städte, Kommunalverbände und Planungsgemeinschaften. Ob Stadt- und Regionalentwicklung, kommunale Wirtschaft, Städtebau, soziale Themen, Umwelt, Verkehr, Kultur, Recht, Verwaltungsthemen oder Kommunalfinanzen: Das 1973 gegründete unabhängige Berliner Institut – mit einem weiteren Standort in Köln (Bereich Umwelt) – bearbeitet ein umfangreiches Themenspektrum und beschäftigt sich auf wissenschaftlicher Ebene praxisnah mit allen Aufgaben, die Kommunen heute und in Zukunft zu bewältigen haben. Der Verein für Kommunalwissenschaften e.V. ist alleiniger Gesellschafter des in der Form einer gemeinnützigen GmbH geführten Forschungsinstituts.
Pressekontakt:
Deutsches Institut für Urbanistik (Difu)
Sybille Wenke-Thiem
Ltg. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Zimmerstraße 15, 10969 Berlin
+49 30 39001-208/-209
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Virtuelle Pressemappe: difu.de/17523
Cover der Difu-Publikation "Frischer Wind in die Innenstädte"
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Bauwesen / Architektur, Gesellschaft, Politik, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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