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25.10.2022 15:09

ZI an ERC Synergy Grant beteiligt – Wie integriert unser Gehirn Raumgeometrie und soziale Hierarchien?

Torsten Lauer Referat Kommunikation und Medien
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

    Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim erhält eine Förderung des Europäischen Forschungsrats (ERC Synergy Grant), um herauszufinden, wie der Sinn für Raum, soziale Hierarchien und territoriale Grenzen in unserem Gehirn verankert ist.

    Die Menschen begannen vor mehr als 70.000 Jahren sich von Afrika aus auf der ganzen Welt auszubreiten. Die Reise unserer Vorfahren in neue Länder wurde wahrscheinlich durch ausgeklügelte Gehirnmechanismen zur räumlichen Navigation in Verbindung mit einer genetisch bedingten Tendenz zur sozialen Kooperation ausgelöst. Viel später, mit der Erfindung von Ackerbau und Viehzucht, legte die geografische Besiedlung des Menschen den Grundstein für die heutigen Territorien: ein Stück Land, das wir als unser Eigentum beanspruchen und vor anderen verteidigen. Territoriales Verhalten hat im Laufe der menschlichen Evolution nicht nachgelassen, sondern prägt noch immer stark unsere Wahrnehmung von Raum, der in privat, öffentlich oder neutral („Niemandsland“) aufgeteilt ist.

    Neuronale Grundlage für die Verarbeitung von Raumwahrnehmung

    Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim will die neuronale Grundlage der Fähigkeit des Menschen verstehen, Raumgeometrie im Sinne von Raumbesitz, Nutzwert und sozialen Hierarchien zu verarbeiten, was zur Wahrnehmung von Territorialität führt. Das Team wird koordiniert von Prof. Dr. Valery Grinevich (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit/Deutschland) und setzt sich zusammen aus seiner Forschungsgruppe und den Labor-Teams von Angela Sirigu (Centre National de la Recherche Scientifique CNRS/Frankreich), Dori Derdikman (Technion – Israel Institute of Technology/Israel) und David Omer (The Hebrew University of Jerusalem/Israel). Das gemeinsame Forschungsprojekt wurde nun vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council ERC) mit dem ERC-Synergy-Grant (10 Millionen Euro für 6 Jahre) gefördert, um dieses anspruchsvolle multidisziplinäre Forschungsvorhaben anzugehen.

    Oxytocin moduliert die neuronale Aktivität im Hippocampus

    Unser Gehirn verfügt über ein zentrales System im Hippocampus, das reich an bestimmten Neuronen ist, die auf Raum-Metriken wie Entfernungen, Orientierungspunkte und Grenzen reagieren. Doch wenn es darum geht, sich in unserer Umgebung zurechtzufinden, ordnet unser Gehirn den Raum auch in sozial bedeutsame Territorien ein. Wie integriert unser Gehirn Geometrie und Territorium?

    Das neu gegründete Forschungsteam geht davon aus, dass dieser Prozess durch das Oxytocin-System gesteuert wird. Oxytocin ist ein Neurohormon, von dem bekannt ist, dass es im Gehirn von Säugetieren die soziale Aktivität steigert. Es hat sich kürzlich herausgestellt, dass Oxytocin auch die neuronale Aktivität im Hippocampus moduliert. Seine mögliche Rolle bei der territorialen Repräsentation ist jedoch noch nicht untersucht worden. In diesem Projekt werden Experten aus komplementären Bereichen – Sozialverhalten, räumliche Navigation, Neurophysiologie, Anatomie und Zellsignalgebung – die Ähnlichkeiten und Unterschiede sozio-territorialer Strategien bei fünf Säugetierarten untersuchen: Fledermäuse, Mäuse, Ratten sowie Marmosetten und Makaken.

    Ihr zentrales Ziel ist es, zu untersuchen, wie Neuronen, die für die Raumgeometrie kodieren, auch auf sozial-abhängige, territoriale Parameter wie Besitz, Nutzen und Hierarchien reagieren. Diese neue, speziesübergreifende Perspektive wird erstmals einen Einblick in die neuronalen Schaltkreise geben, die das Territorialitätsverhalten von Säugetieren in der Vergangenheit und auch heute noch steuern.

    Darüber hinaus wird diese gemeinsame Anstrengung der vier Teams für die psychische Gesundheit des Menschen von großer Bedeutung sein, da diese Arbeit den Hintergrund für neue mögliche Oxytocin-Behandlungen bei Patientinnen und Patienten mit Autismus-Spektrum-Störungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen, schweren Depressionen und anderen psychiatrischen Erkrankungen liefern wird.

    An den 29 ausgezeichneten Projekten sind Forschende aus 19 Ländern beteiligt

    Bei den ERC-Synergy-Grants im Rahmen des EU-Programms „Horizont Europa“ wurden fast 360 Vorschläge eingereicht. Die Fördermittel in Höhe von insgesamt 295 Millionen Euro werden an 29 ausgezeichnete Projekte vergeben, mit insgesamt 105 leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 19 Ländern in Europa und darüber hinaus, hauptsächlich aus Deutschland, Frankreich und Israel. Die geförderten Projekte erhalten Zuschüsse in Höhe von jeweils rund 10 Millionen Euro.

    Mariya Gabriel, EU-Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, sagte zu diesem Anlass: „Das Markenzeichen des ERC ist die langfristige Förderung von einzelnen Spitzenforscherinnen und -forschern. Aber manche Probleme sind zu groß, als dass die herausragendsten Köpfe sie allein lösen könnten. Diese neuen Finanzhilfen werden es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglichen, ihre Kräfte zu bündeln.“

    Die Präsidentin des Europäischen Forschungsrats, Professor Maria Leptin, sagte: „Ich freue mich, dass noch mehr Pionierforschende gefördert werden, die sich auf ehrgeizige und komplexe wissenschaftliche Probleme konzentrieren, die innovative Wege erfordern, um unser Wissen zu erweitern. Um solche Herausforderungen gemeinsam anzugehen, bedarf es der besten Forschenden, die jeweils über einzigartige Fachkenntnisse und Ansätze verfügen.“


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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