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Wissenschaft
Neuronen feuern elektrische Impulse ab, Synapsen sorgen für deren Übertragung. Diese Prinzipien, die im menschlichen Gehirn funktionieren, können nun auch als Bausteine in künstlich hergestellten Schaltkreisen verwendet werden, um lernfähige Systeme zu erschaffen. Sogenannte "neuromorphe Elektronik" bietet auch das Potenzial, eine Schnittstelle zwischen der künstlichen und der biologischen Domäne zu schaffen. Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung sind diesem Ziel nun einen Schritt näher gekommen, indem sie künstliche Neuronen geschaffen haben, die direkt und in Echtzeit in einer biologischen Umgebung arbeiten können.
Künstliche Intelligenz ist seit langem ein vieldiskutiertes Thema: Ein Computeralgorithmus "lernt" durch Beispiele, was "richtig" und was "falsch" ist. Im Gegensatz zu einem Computeralgorithmus arbeitet das menschliche Gehirn mit so genannten "Neuronen" - Zellen des Gehirns. Diese werden trainiert und leiten Signale an andere Neuronen weiter. Dieses komplexe Netzwerk aus Neuronen und den Verbindungsbahnen, den Synapsen, steuert unser Denken und Handeln.
Biologische Signale sind im Vergleich zu denen in herkömmlichen Computern komplexer. So kommunizieren die Neuronen in einem biologischen neuronalen Netz mit Ionen, Biomolekülen und Neurotransmittern. Genauer gesagt kommunizieren Neuronen entweder chemisch - durch die Abgabe von Botenstoffen wie Neurotransmittern - oder über elektrische Impulse, so genannte "Aktionspotenziale" oder "Spikes".
Künstliche Neuronen sind ein aktuelles Forschungsgebiet. Die effiziente Kommunikation zwischen der Biologie und der Elektronik erfordert hier die Realisierung künstlicher Neuronen, die die Funktion ihrer biologischen Gegenstücke realistisch nachbilden. Dies bedeutet, dass künstliche Neuronen in der Lage sind, die Vielfalt der in der Biologie vorkommenden Signale zu verarbeiten. Bislang ahmen die meisten künstlichen Neuronen ihre biologischen Gegenstücke nur elektrisch nach, ohne die feuchte biologische Umgebung zu berücksichtigen, die aus Ionen, Biomolekülen und Neurotransmittern besteht.
Wissenschaftler*innen um Paschalis Gkoupidenis, Gruppenleiter in der Abteilung von Paul Blom am Max-Planck-Institut für Polymerforschung, haben sich diesem Problem nun genommen und das erste biorealistische künstliche Neuron entwickelt. Dieses Neuron kann in einer biologischen Umgebung arbeiten und ist in der Lage, verschiedene in der Biologie vorkommende „Spiking-Dynamiken“ zu erzeugen und somit mit seinen "echten" biologischen Gegenstücken zu kommunizieren. Zu diesem Zweck realisierte die Gruppe von Gkoupidenis ein nichtlineares Element aus organischer weicher Materie, wie es auch in biologischen Neuronen existiert. "Ein solches künstliches Element könnte der Schlüssel für eine biorealistische Neuroprothetik sein, die dieselbe Sprache wie die Biologie spricht und die effiziente Wiederherstellung, den Ersatz oder sogar die Erweiterung der Funktionen des Nervensystems ermöglicht", so Gkoupidenis.
Hiermit konnten die Forschenden erstmals ein realistisches künstliches Neuron entwickeln, welches auf diversen Wegen - chemisch oder über ionische Ladungsträger - in biologischer Umgebung kommunizieren kann.
Ihre Ergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift Nature Electronics veröffentlicht.
Dr. Paschalis Gkoupidenis
T: +49 6131 379-605
gkoupidenis@mpip-mainz.mpg.de
T. Sarkar, K. Lieberth, A. Pavlou, T. Frank, V. Mailaender, I. McCulloch, P. W. M. Blom, F. Torriccelli, P. Gkoupidenis
An organic artificial spiking neuron for in situ neuromorphic sensing and biointerfacing
Nat. Electron., DOI: 10.1038/s41928-022-00859-y (2022)
https://www.nature.com/articles/s41928-022-00859-y
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Informationstechnik, Physik / Astronomie
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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