idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
02.12.2022 15:03

Desinfektionsmittel in hessischen Böden

Lisa Dittrich Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Forscherteam weist Wirkstoffe in 97 Prozent der Proben nach

    Wiesbaden/Gießen, 02.12.2022
    In Pandemiezeiten waren und sind sie unentbehrlich und allgegenwärtig: Desinfektionsmittel. Doch wie wirkt sich der massenhafte Gebrauch auf unsere Umwelt aus? Dieser Frage ist nun ein gemeinsames Forscherteam der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen und des Hessischen Landesamtes für Natur-schutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) auf den Grund gegangen: In einer breit angeleg-ten Studie untersuchten sie das Vorkommen wichtiger Wirkstoffe von Desinfektionsmit-teln und Tensiden, den Quartären Alkylammoniumverbindungen (kurz QAAV), in hessi-schen Böden. Das Ergebnis: In 97 % der 65 untersuchten Bodenproben konnten QAAV nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich, dass sowohl Acker-, als auch Grünland-, Wald- und Weinbaustandorte mit dem Fremdstoff belastet waren. Die Gehalte der Des-infektionsmittel überschritten teilweise Werte von 1 mg kg-1 – und liegen damit zwei bis drei Größenordnungen oberhalb von Gehalten, wie sie für Arzneimittel und Antibiotika in Böden nachgewiesen wurden.

    Problematisch an QAAV und ihrem Vorkommen in der Umwelt ist, dass sie Antibiotika-resistenzen verursachen können. Eine Verbreitung dieser Desinfektionsmittelgruppe in Böden ist deshalb kritisch zu sehen und könnte – wie der missbräuchliche Einsatz von Antibiotika – das Problem der Antibiotikaresistenzen zusätzlich verschärfen. Aktuelle Vorhersagen gehen davon aus, dass bereits im Jahr 2050 jährlich 10 Millionen Men-schen weltweit durch antibiotikaresistente Keime sterben werden.
    Da die Stoffgruppe der QAAV analytisch nur schwer zugänglich ist, steht die Forschung zu deren Verbreitung und Effekten in Böden noch ganz am Anfang. In einer an der JLU betreuten Doktorarbeit konnte gezeigt werden, dass vor allem Böden, die regelmäßig durch Hochwasser der Flüsse Rhein und Main überschwemmt werden, stark mit QAAV kontaminiert sind. Überraschend war hierbei, dass QAAV selbst in Waldböden nachge-wiesen werden konnten, obwohl ein unmittelbarer Eintrag durch Überschwemmungen oder beispielsweise über Gülle-, Klärschlamm- oder Pestizidausbringung wie auf land-wirtschaftlichen Flächen in Wäldern allgemein nicht gegeben ist. Die Untersuchungs-standorte liegen unter anderem in den Landkreisen Marburg-Biedenkopf, Gießen, der Wetterau, dem Vogelsberg, Kassel und dem Raum Frankfurt. Die Mehrheit der Boden-proben wurde durch das HLNUG zur Verfügung gestellt und ist Teil des umfangreichen Probenarchivs der hessischen Bodendauerbeobachtung. Finanziert wurde das Projekt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

    Ob und in welcher Weise die teils sehr hohen QAAV-Gehalte in hessischen Böden zu Resistenzen in Mikroorganismen und Pathogenen beitragen, ist noch nicht bekannt. Alle Ergebnisse sind im Fachmagazin „Science of the Total Environment“ publiziert und kön-nen unter https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.159228 eingesehen werden (dort auch eine Karte von Hessen mit alle beprobten Standorten und gemessenen Gehalten).


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Kontakt JLU Gießen:
    Dr. Ines Mulder
    Institut für Bodenkunde und Bodenerhaltung
    E-Mail: Mulder.ines@umwelt.uni-giessen.de

    Kontakt HLNUG:
    Dr. Christian Heller
    Dezernat G3, Boden und Altlasten
    Vorsorgender Bodenschutz
    E-Mail: christian.heller@hlnug.hessen.de


    Originalpublikation:

    Kai Jansen, Christian Mohr, Katrin Lügger, Christian Heller, Jan Siemens, Ines Mulder:
    Widespread occurrence of quaternary alkylammonium disinfectants in soils of Hesse, Germany, Science of The Total Environment, Volume 857, Part 1, 2023
    https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.159228


    Weitere Informationen:

    https://www.hlnug.de/themen/boden/erhebung/boden-dauerbeobachtung
    https://www.hlnug.de/themen/boden


    Bilder

    Probennahme Bodenauflagehorizont.
    Probennahme Bodenauflagehorizont.

    HLNUG

    Beprobter Boden an einer hessischen Bodendauerbeobachtungsfäche.
    Beprobter Boden an einer hessischen Bodendauerbeobachtungsfäche.

    HLNUG


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geowissenschaften, Medizin, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).