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„Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.“ Mit diesem Zitat Mahatma Gandhis eröffnete Achim Uhl, Leiter des Bayerischen Landesamtes für Pflege, am 14. Dezember den 5. Pflegefachtag an der Technischen Hochschule Deggendorf (THD). Thema war „Community Health Nursing“ (CHN) und die Implementierung dieses Konzeptes in unser Gesundheitswesen.
Das Thema ist aktuell sehr präsent und so war der Fachtag der Fakultät Angewandte Gesundheitswissenschaften (AGW) bestens besucht. Knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten die Online-Gelegenheit, sieben Expertinnen und Experten zu hören und wichtige Fragen zum Thema CHN einzubringen. Organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung durch Studierende des Studiengangs Pflege Dual.
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung prognostiziert bis 2050 einen Anstieg der Pflegebedürftigen um zwei Millionen. Die Folge: Das Gesundheitssystem wird an seine Grenzen kommen. Viele Betroffene, aber auch Angehörige, sind beispielsweise nach einer Klinikentlassung oder mit einer chronischen Erkrankung überfordert und wünschen sich konkrete und dauerhafte Beratung und Begleitung. Bund, Ländern und Pflegebranche muss es gelingen, dem Problem des enormen Personalmangels entgegenzuwirken und innovative, multiprofessionelle und überregional vernetzte Versorgungsstrukturen zu etablieren. Uhl berichtete, dass „speziell das Berufsbild des CHN einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsversorgung leistet.“
Was ist Community Health Nursing? Kernaufgaben sind die Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention, die Koordination und Begleitung während eines Krankheitsverlaufes, unabhängig von Alter und Lebenslage. Durch die Begleitung einer CHN kann einem erneuten Krankenhausaufenthalt entgegengewirkt werden. Außerdem sind Community Health Nurses in einem übergeordneten Rahmen tätig, der beispielsweise die Verbesserung der kommunalen Gesundheitsversorgung, der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung und das gesundheitspolitische Engagement einschließt. CHN wird jetzt auch in Deutschland eingeführt und soll nachhaltig verankert werden. Auf internationaler Ebene ist dies ein bereits seit mehreren Jahren etabliertes Fachgebiet der professionellen Pflege.
Edith Dürr, Generaloberin und Vorsitzende der Schwesternschaft München vom BRK e. V., berichtete über den politischen Hintergrund der Heilkundeübertragung bzw. der Handlungsfreiheiten einer Community Health Nurse. Die Corona-Pandemie hat deutlich vor Augen geführt, welchen Mehrwert eine funktionierende Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung hat. Kritisch ist außerdem der zunehmende Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten in manchen Regionen Deutschlands. Die Einführung des neuen Berufsbilds und zugleich die professionelle Pflege durch erweiterte heilkundliche Aufgaben aufzuwerten, ist demnach ein wichtiger Baustein zur Lösung dieser gravierenden Probleme.
Prof. Dr. Bernd Reuschenbach stellte beim Pflegefachtag mögliche Bildungsoptionen vor. Er leitet an der katholischen Stiftungshochschule München den Studiengang Community Health Nursing. Reuschenbach: „Es liegt in unserer Verantwortung als Hochschule, dass wir dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Wir haben eine veränderte Versorgungslandschaft, an die die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Pflegefachkräfte angepasst werden müssen.“ In Deutschland gebe es schon vereinzelt Gesundheitskioske, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in seinen Konzepten fordere. Zudem seien weitere Einsatzfelder der CHN auch in den von der Robert-Bosch-Stiftung vorangetriebenen patientenorientierten Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung (PORT-Zentren) verortet. Die Implementierung des Konzeptes setze allerdings rechtlich-politische Rahmenbedingungen voraus, die jetzt geschaffen werden müssten.
Dr. David Rester, Leiter des Modellprojektes „ALIA – Agil Leben im Alter“ der Lars und Christian Engel Stiftung, berichtete über die Gemeinde Weiherhammer und deren sozialraumorientierte Hilfe und Pflege in Bezugnahme zur CHN. Lösungsansätze zur Sicherung der Lebensqualität im Alter müssen neu gedacht werden, insbesondere im ländlichen Raum. „Genau diesen Ansatz realisiert das Projekt ALIA“, sagt Rester. „Ein zentraler Baustein der sorgenden Gemeinde in Weiherhammer ist dabei die Bebauung des ALIA-Areals mit 14.000 Quadratmetern, um Hilfe und Pflege für ein Wohnen bis ans Lebensende vor Ort zu ermöglichen.“
Dr. Christine Aumer und Elisa Johannsdottir, beide wissenschaftliche Mitarbeiterinnen der THD, stellten im Anschluss konkrete Ansätze zu Implementierung und Aufgabenbereiche der Community Health Nurse vor. „Uns ist es ein großes Anliegen, jetzt ins Tun zu kommen“, so Aumer. Nicht zuletzt die Aussagen von Befragten machten deutlich, wie wichtig und wertvoll die Implementierung von CHN in die Praxis wirklich ist. „Diese wünschen sich eine bedarfsgerechte Behandlungskontinuität, so lange wie möglich in der eigenen Wohnung zu leben oder einen persönlichen Ansprechpartner vor Ort“, erklärt Aumer. „Besonders wichtig ist, dass Doppelstrukturen vermieden werden. CHN soll keine Konkurrenz sein oder andere Berufsgruppen ersetzen“ so Johannsdottir. Ziel ist stattdessen, die Lücken, die derzeit in der Gesundheitsversorgung bestehen, durch interprofessionelle Zusammenarbeit und eine bedarfsgerechte Koordination der Versorgungsstrukturen, sowie eine ganzheitliche Beratung und Begleitung zu schließen.
Prof. Dr. Christian Rester, Dekan der Fakultät Angewandte Gesundheitswissenschaften beendete den Fachtag mit einem Appell: „Wir müssen nun in die Eigenständigkeit, dazu braucht es politische Klarheit.“ Den Vertreter des Landesamtes, Uhl, forderte Rester auf, seine Macht als politischer Akteur zu nutzen. Dass die Pioniere einen langen Atem brauchen, da macht sich der THD-Professor keine Illusionen. Aber: „Wir sind zuversichtlich!“
Das Konzept „Community Health Nursing“ (CHN) soll auch in Bayern eingeführt werden.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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