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16.01.2023 17:00

Heirat im Minoischen Kreta

Sandra Jacob Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

    Ein internationales Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig erzielt völlig neue Einblicke in bronzezeitliche Heiratsregeln und Familienstrukturen in Griechenland. Analysen alter Genome zeigen, dass die Partnerwahl keineswegs zufällig, sondern von der eigenen Verwandtschaft bestimmt wurde.

    • Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig, gewann über genetische Analysen an Knochen bronzezeitlicher Menschen neue Erkenntnisse, wen die bronzezeitlichen Minoer und Mykener geheiratet haben.
    • Die Archäologen konnten zeigen, dass es üblich war, seinen Cousin ersten Grades zu heiraten.
    • Außerdem ist es das erste Mal gelungen, einen biologischen Stammbaum für eine mykenische Familie zu rekonstruieren.

    Als Heinrich Schliemann vor über 100 Jahren die goldreichen Schachtgräber von Mykene mit ihren berühmten Goldmasken entdeckte, konnte er über die Verwandtschaft der darin bestatteten Menschen nur spekulieren. Nun ist es mit Hilfe der Analyse alter Genome gelungen, erstmals Einblicke in Verwandtschafts- und Heiratsregeln im minoischen Kreta und dem mykenischen Griechenland zu gewinnen. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Nature Ecology & Evolution veröffentlicht.

    Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) hat zusammen mit einem internationalen Team von Partnern über 100 Genome bronzezeitlicher Menschen aus der Ägäis analysiert. „Ohne die großartige Zusammenarbeit mit unseren Partnern in Griechenland und weltweit wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Archäologe Philipp Stockhammer, einer der führenden Autoren der Studie.

    Erster biologischer Stammbaum einer mykenischen Familie

    Erst jüngste methodische Fortschritte in der Produktion und Auswertung alter genetischer Datensätze haben es nun ermöglicht, auch in Regionen mit klimabedingt problematischer DNA-Erhaltung wie Griechenland umfangreiche Daten zu produzieren. Für das Gehöft einer mykenischen Familie des 16. Jahrhunderts vor Christus ist es sogar gelungen, die Verwandtschaft der Bewohner zu rekonstruieren - der erste Familienstammbaum, der bislang für den gesamten antiken Mittelmeerraum genetisch rekonstruiert werden konnte.

    Anscheinend wohnten einige der Söhne auch noch im Erwachsenenalter im Gehöft der Eltern. Zumindest wurden ihre Kinder in einem Grab unter dem Hof des Gehöfts bestattet. Eine der einheiratenden Ehefrauen brachte gleich noch ihre Schwester mit in die Familie, deren Kind ebenfalls dort bestattet wurde.

    Heirat mit Cousine oder Cousin ersten Grades

    Völlig unerwartet war jedoch ein weiterer Befund: Auf Kreta und den anderen griechischen Inseln wie auch auf dem Festland war es vor 4000 Jahren üblich, seine Cousine bzw. seinen Cousin ersten Grades zu heiraten. „Mehr als tausend alte Genome aus den verschiedensten Regionen der Welt sind inzwischen publiziert, aber so ein strenges System der Verwandtenheirat scheint es sonst nirgendwo in der Antike gegeben zu haben“, sagt Eirini Skourtanioti, die Erstautorin der Studie, die die Analysen durchgeführt hat. „Das kam für uns alle völlig überraschend und wirft viele Fragen auf.“

    Wie diese besondere Heiratsregel zu erklären ist, kann das Forschungsteam nur mutmaßen. „Vielleicht wollte man auf diese Weise verhindern, dass das ererbte Ackerland immer weiter aufgeteilt wurde? Auf jeden Fall garantierte es eine gewisse Kontinuität der Familie an einem Ort, was etwa für den Anbau von Oliven und Wein eine wichtige Voraussetzung ist“, vermutet Stockhammer. „Sicher ist, dass die Analyse alter Genome uns auch in Zukunft fantastische, neue Einblicke in antike Familienstrukturen ermöglichen wird“, ergänzt Skourtanioti.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Philipp Stockhammer
    Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
    +49 170 646-3031
    philipp_stockhammer@eva.mpg.de

    Dr. Eirini Skourtanioti
    Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
    +49 341 3550-854
    eirini_skourtanioti@eva.mpg.de

    Prof. Dr. Johannes Krause
    Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
    +49 341 3550-867
    krause@eva.mpg.de


    Originalpublikation:

    Eirini Skourtanioti et al.
    Ancient DNA reveals admixture history and endogamy in the prehistoric Aegean
    Nature Ecology & Evolution, 16 Januar 2023, https://doi.org/10.1038/s41559-022-01952-3


    Bilder

    Lebensbild: Bronzezeitliche Familie bei der Getreideernte.
    Lebensbild: Bronzezeitliche Familie bei der Getreideernte.

    © Nikola Nevenov

    Lebensbild: Olivenernte in der ägäischen Bronzezeit.
    Lebensbild: Olivenernte in der ägäischen Bronzezeit.

    © Nikola Nevenov


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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