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Interstellare Molekülwolken gelten als Wiegen von Planetensystemen. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS entdeckt mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskops das tiefst gelegene und kälteste Eis, das je in einer solchen Molekülwolke nachgewiesen wurde. Der Fund ermöglicht der Astronomie neue Einblicke in die eisigen Bestandteile, die im Verlauf der Zeit in Planeten eingebaut werden und dort letztlich die Grundlage für Leben bilden könnten.
In einer neuen Studie hat ein internationales Forschungsteam, unter Beteiligung der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS, nun tiefer in einer solchen Molekülwolke Eis entdeckt als jemals zuvor. Gleichzeitig handelt es sich mit einer Temperatur von etwa minus 263 Grad Celsius (oder etwa zehn Grad über dem absoluten Nullpunkt) um das kälteste je gemessene Eis. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Nature Astronomy veröffentlicht.
Eine Fülle an Eissorten
«Dies ist das erste Mal, dass Forschende in der Lage waren, die Zusammensetzung sogenannt prästellarer Eissorten nahe dem Zentrum einer Molekülwolke zu untersuchen», sagt Melissa McClure, Astronomin am Leiden Observatory und Hauptautorin der Studie. «Neben eher simplen Eissorten wie Wasser, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Ammoniak und Methan konnten wir auch einige weitere Verbindungen identifizieren, darunter das komplexere organische Methanoleis.»
Die Messungen, die das Team mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskop der NASA, ESA und der Kanadischen Weltraumorganisation CSA durchführte, ermöglichen der Forschungsgemeinschaft beispiellose Einblicke in die Fülle an eisigen Verbindungen, die sich im Inneren interstellarer Molekülwolken befinden – und in der Folge in daraus entstandene Sterne und Planeten eingelagert werden können.
Notwendige Präzision
«Die unterschiedlichen Eismoleküle erkennen wir anhand ihres sogenannten Absorptionsspektrums. Diesen chemischen Fingerabdruck hinterlassen sie im Hintergrundsternenlicht, welches durch die Wolke hindurch auf das Teleskop scheint», erklärt Studienmitautorin und Forscherin am NFS PlanetS und der Universität Bern, Maria Drozdovskaya. Sie ist Teil des Team Ice Age Projektteams, das aus 50 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Astrochemie, Laborastrophysik, zur Sternentstehung und dem interstellare Medium aus 10 Ländern besteht (siehe auch Infobox).
In dieser Studie konzentrierte sich das Team auf die über 500 Lichtjahre von der Erde entfernte Molekülwolke «Chameleon I», in welcher sich derzeit Dutzende von jungen Sternen bilden. Sie befinden sich nahe dem Zentrum, in einer besonders kalten, dichten und deshalb schwer zu untersuchenden Region. «Nur mit den hochpräzisen Infrarot-Spektrographen (NIRSpec und MIRI) des Webb, die Strahlung dieser Wellenlängen exakt detektieren und aufschlüsseln können, waren diese Messungen möglich», so die Astronomin.
Enthalten Planeten die Zutaten des Lebens von Beginn an?
Doch die Messungen gewährten dem Forschungsteam nicht nur nie dagewesene Einblicke, sondern stellten es auch vor neue Rätsel. «Wir konnten nicht nur das Vorkommen dieser Stoffe messen, sondern auch die Häufigkeit einiger Elemente, die in den eisigen Verbindungen enthalten sind», erklärt Drozdovskaya. Bei diesen Elementen handelt es sich um Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel, die das Team (nach ihrer englischen Bezeichnung) unter dem Begriff CHONS zusammenfasst. «Diese Elemente sind wichtige Bestandteile präbiotischer Moleküle wie einfacher Aminosäuren – und damit sozusagen Zutaten des Lebens», so Drozdovskaya. Doch das Team fand weniger von diesen Elementen als im Vergleich mit der Dichte der Wolke. Dies deutet darauf hin, dass diese Elemente nicht ausschliesslich in den eisigen Bestandteilen der Molekülwolken vorkommen, sondern auch anderswo lauern könnten.
«Die Tatsache, dass uns ein Teil des CHONS-Budgets ‘fehlt’, könnte bedeuten, dass CHONS etwa in felsigen Staubpartikeln eingeschlossen sind», erklärt Melissa McClure. «Dies könnte eine grössere Vielfalt in der Zusammensetzung terrestrischer Planeten ermöglichen.» Die Identifizierung komplexer organischer Moleküle wie Methanol und möglicherweise Ethanol durch das Team deutet auch darauf hin, dass die vielen Stern- und Planetensysteme, die sich in dieser speziellen Wolke entwickeln, die Moleküle aus der Molekülwolke in einem ziemlich fortgeschrittenen chemischen Zustand übernehmen.
«Dies könnte bedeuten, dass das Vorhandensein präbiotischer Moleküle in Planetensystemen ein häufiges Ergebnis der Sternentstehung ist und nicht nur ein einzigartiges Merkmal unseres Sonnensystems», so McClure.
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Early Release Science James-Webb-Weltraumteleskop
Das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST), auch bekannt als «Webb», ist das grösste und leistungsstärkste Teleskop, das jemals ins All geschossen wurde. Webb ist nach Hubble das nächste grosse Observatorium der Weltraumforschung, das bahnbrechende Entdeckungen in allen Bereichen der Astronomie machen soll. Es wird die Grenzen des Wissens über unser Sonnensystem erweitern, die ersten Galaxien des Universums und die Entstehung von Sternen und Planeten aufdecken und nach Exoplaneten suchen, auf denen Leben möglich ist. Webb ist ein Gemeinschaftsprojekt der nordamerikanischen (NASA), europäischen (ESA) und kanadischen (CSA) Raumfahrtagenturen.
Die Schweiz ist Teil des national finanzierten europäischen Konsortiums, das zusammen mit den USA eines der vier wissenschaftlichen Instrumente des JWST entwickelt hat: das Mid Infrared Instrument (MIRI).
Das Ice Age Projekt ist eines der 13 «Early Release Science»-Programme von Webb. Diese Beobachtungen dienen dazu, die Beobachtungsmöglichkeiten von Webb zu präsentieren und der astronomischen Gemeinschaft zu zeigen, wie sie das Beste aus den Instrumenten herausholen kann.
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Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze
Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant, gebaut und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.
Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht.
Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.
Dr. Maria N. Drozdovskaya
Center for Space and Habitability (CSH) und NFS PlanetS, Universität Bern
+41 31 684 34 43
maria.drozdovskaya@unibe.ch
M. K. McClure et al., An Ice Age JWST inventory of dense molecular cloud ices , Nature Astronomy, January 2023
DOI: 10.1038/s41550-022-01875-w
https://www.unibe.ch/aktuell/medien/media_relations/medienmitteilungen/2023/medi...
Dieses Bild der Nah-Infrarot-Kamera (NIRCam) des James Webb-Weltraumteleskops der NASA/ESA/CSA zeigt ...
© NASA, ESA, CSA, und M. Zamani (ESA/Webb)
Dr. Maria N. Drozdovskaya, Center for Space and Habitability (CSH) und NFS PlanetS, Universität Bern
© zvg
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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