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25.01.2023 13:47

Herzmuskelzellen hören früher auf zu schlagen - Omicron-Subvariante BA.5 schädigt Kardiomyozyten stärker als BA.1

Andrea Weber-Tuckermann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Eine Studie des Universitätsklinikums Ulm hat untersucht, wie gut sich verschiedene Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2 in kultivierten humanen Herzmuskelzellen vermehren. Die Ergebnisse zeigen, dass sich zwar die ursprüngliche Omicron-Subvariante BA.1 nur sehr begrenzt in Herzmuskelzellen ausbreitet. Die aktuelle BA.5 Subvariante hingegen kann Kardiomyozyten so effektiv infizieren wie die frühere Delta-Variante. Verantwortlich dafür sind zusätzliche Mutationen – vor allem im Spike-Protein, die die Infektiosität und zellschädigende Wirkung von BA.5 stärken. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Nature-Zeitschrift „Signal Transduction and Targeted Therapy“.

    Nimmt man gesunde Herzmuskelzellen in Kultur und vermehrt sie, fangen sie an, spontan zu schlagen. „Dieser spontane ‚Herzschlag‘ von Kardiomyozyten ist ein guter Indikator für die Gesundheit und Funktionstüchtigkeit der Zellen“, erläutert Professor Steffen Just, Leiter der Sektion für Molekulare Kardiologie an der Klinik für Innere Medizin II. Just hat gemeinsam mit dem Ulmer Virologen Professor Frank Kirchhoff eine Studie über die pathogene Wirkung verschiedener SARS-CoV-2-Varianten auf den Weg gebracht. „Dafür haben wir spontan schlagende Herzmuskelzellen mit Coronaviren infiziert und untersucht, wie stark sich die Viren vermehren beziehungsweise wie groß deren zellschädigende Wirkung ist,“ erklärt Kirchhoff, der am Ulmer Uniklinikum das Institut für Molekulare Virologie leitet. Je pathogener eine Virus-Variante oder -Subvariante ist, desto früher stoppt der „Herzschlag“ der Zellen.

    Die Forschenden haben frühe SARS-CoV-2-Varianten wie NL-02-2020 und Delta mit verschiedenen Subvarianten von Omicron verglichen. Erwartungsgemäß war die – gemeinhin als weniger aggressiv eingestufte – frühe Omicron-Subvariante BA.1 deutlich weniger zellschädlich als die frühen Varianten NL-02-2020 und Delta. Die Untersuchung von Omicron-BA.5-Viren brachte dagegen ein anderes Ergebnis ans Licht: „Die damit infizierten Herzmuskelzellen hörten deutlich früher auf zu schlagen als Kulturen, die mit der frühen BA.1 Omicron-Subvariante infiziert waren. Das Ergebnis glich der Infektion mit der Delta-Variante – die Schläge stoppten nach 3 bis 5 Tagen“, so Rayhane Nchioua, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Institut für Molekulare Virologie, die gemeinsam mit Federica Diofano aus der Sektion für Molekulare Kardiologie die Herzzellen untersucht hat.

    Herzmuskelzellen sind besonders anfällig für SARS-CoV-2

    Verschiedene Zelltypen, Gewebe und Organe sind unterschiedlich empfänglich für SARS-CoV-2. Herzmuskelzellen sind besonders anfällig, weil diese viele ACE2-Rezeptoren präsentieren, über die die Viren an den Zellen andocken. Dies erleichtert dem Virus die Vermehrung und erklärt wahrscheinlich, warum Herzmuskelerkrankungen und Herzschäden zu häufigen Komplikationen von COVID-19 gehören. Zu den klinischen Erscheinungsbildern gehört insbesondere die Herzmuskelentzündung, aber auch Herzrhythmusstörungen werden beobachtet. Autopsien verstorbener COVID-19-Patienten wiesen in Herzmuskelzellen außerdem hohe Anteile an viraler RNA und von Spike-Proteinen nach.

    Das Ulmer Forschungsteam hat daher auch analysiert, wie hoch bei unterschiedlichen Varianten die Virus-RNA-Konzentration und der Anteil von Spike-Proteinen in viral infizierten Kardiomyozyten ist. Dabei kam heraus, dass insbesondere die Herzmuskelzellen, die mit Viren der Delta-Variante oder eben der späten Omicron-Subvariante BA.5 infiziert wurden, besonders hohe Konzentrationen solcher Virus-Spuren aufwiesen.

    Ein wesentliches Fazit der Studie ist, dass BA.5 nicht nur resistent gegen viele neutralisierende Antikörper der adaptiven Immunantwort ist, sondern sich auch sehr effektiv in menschlichen Zellen vermehren kann. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die effiziente Umgehung adaptiver Immunantworten durch BA.1 zunächst auf Kosten der viralen Infektiosität ging. Zusätzliche Mutationen im Spike-Protein von BA.5 stellten jedoch das volle Replikationspotential wieder her“, so die Forschenden. Aktuelle Studien mit Tiermodellen zeigen ebenfalls eine höhere Pathogenität von BA.5 im Vergleich zu BA.1 und bestätigen damit das Ergebnis der Ulmer Studie. Ob dies auch beim Menschen der Fall ist, müssen weitere Untersuchungen klären.

    Gefördert wurde das Forschungsprojekt im Rahmen der Sonderforschungsbereiche 1279 und 1506 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Weitere Fördergelder kommen aus dem Fight-nCoV-Programm der EU sowie aus dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Frank Kirchhoff, Leiter des Instituts für Molekulare Virologie, Universitätsklinikum Ulm, E-Mail: frank.kirchhoff@uni-ulm.de
    Prof. Dr. Steffen Just, Leiter der Sektion für Molekulare Kardiologie an der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Ulm, E-Mail: steffen.just@uniklinik-ulm.de


    Originalpublikation:

    Strong attenuation of SARS-CoV-2 Omicron BA.1 and increased replication of the BA.5 subvariant in human cardiomyocytes. Rayhane Nchioua, Federica Diofano, Sabrina Noettger, Pascal von Maltitz, Steffen Stenger, Fabian Zech, Jan Münch, Konstantin M. J. Sparrer, Steffen Just & Frank Kirchhoff. In: Signal Transduction and Targeted Therapy volume 7, Article number: 395 (2022), 25 December 2022, https://doi.org/10.1038/s41392-022-01256-9


    Bilder

    Kultivierte humane Herzmuskelzellen: (links) nicht infiziert, (rechts) infiziert mit der Omicron Subvariante BA.1. Virales Spike-Protein wird in den gelben Punkten sichtbar
    Kultivierte humane Herzmuskelzellen: (links) nicht infiziert, (rechts) infiziert mit der Omicron Sub ...

    https://doi.org/10.1038/s41392-022-01256-9

    v.l. Prof. Frank Kirchhoff, Rayhane Nchioua und Prof. Steffen Just
    v.l. Prof. Frank Kirchhoff, Rayhane Nchioua und Prof. Steffen Just

    Uniklinikum Ulm


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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