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Wissenschaft
Nr. 138 / 4. Dezember 1998 / mea
!!! Sperrfrist: 5.12.1998, 12.00 Uhr !!!
Jahresbericht des Rektors:
"Die Universität lebt - und sie lebt im Wandel"
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"Die Universität lebt - und sie lebt im Wandel": Unter diesem Motto stand der Jahresbericht, den der Rektor der Universität Karlsruhe, Professor Dr.-Ing. Sigmar Wittig, am 5. Dezember hielt. "Der Absatz unserer Produkte 'boomt'. Absolventen, vor allem der Ingenieur- und Naturwissenschaften, Forschungs- und Entwicklungsergebnisse sowie der Technologietransfer erleben eine überaus große Nachfrage", erklärte Wittig.
Vor dem Hintergrund des sogenannten Solidarpaktes zwischen der Landesregierung und den Landesuniversitäten, der zu einem Abbau der Personalressourcen von bis zu 13 Prozent führen wird, unterstrich der Rektor "die Fähigkeit des Universitätssystems zur ständigen Selbsterneuerung". Hierzu gehöre die flexible Anpassung an die veränderten Bedingungen in der Gesellschaft. "Im Bereich der Studienreform ist die Fridericiana ständig in Bewegung, viele engagierte Mitglieder der Universität arbeiten mit Innovationsgeist, Sachverstand und Fleiß daran, die Studienangebote den modernen Entwicklungen in Beruf und Wissenschaft anzupassen", sagte der Rektor. Allerdings könne "das pulsierende Leben" an der Universität nur begrenzt Eingriffe von außen ertragen: "Gesetzesänderungen, Strukturveränderungen, sogenannte Reformen dürfen kein Selbstzweck sein", sagte Wittig.
Universität wird weiter internationalisiert
"In keinem Jahr meiner Amtszeit hat es eine derart große Zahl neuer Initiativen gegeben, wurden alle Beteiligten auch nur annähernd so gefordert", resümierte der Rektor. Die Entwicklung neuer Vorstellungen zur wirtschaftlich-organisatorischen Gestaltung, die Verteilung von Ressourcen, eine verstärkte Internationalisierung, Kooperationen, die erfolgreiche Demonstration und Überprüfung der neuen Lehrmodelle und Forschungsansätze, Planungen über lange Zeiträume und die Erarbeitung von Zielvorstellungen seien nur einige Aspekte.
Sigmar Wittig berichtete exemplarisch über die Einführung des Bakkalaureats/Bachelor in den Studiengängen Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik und Wirtschaftsingenieurwesen. Dadurch sei die Kompatibilität des Studiensystems mit der Studienstruktur ausländischer Hochschulen verbessert worden. "Die neuen Bakkalaureatsstudiengänge nach dem Karlsruher Modell sind so konzipiert, daß sie in die bestehenden Diplomstudiengänge eingebettet sind und einen zusätzlichen akademischen Abschluß nach dem sechsten oder siebten Semester bieten", betonte der Rektor. "Da die ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge in Karlsruhe einen komplett modularen Aufbau studienbegleitender Prüfungen sowie bereits im Grundstudium einen hohen Praxisanteil aufweisen, sind sie für den Einbau des neuen Studienmodells in die bisherigen Diplomstudiengänge hervorragend geeignet."
Eine "große Studienreform" habe auch die Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften eingeleitet. Sie werde ihr System komplett umgestalten und die bestehenden Magisterstudiengänge nach dem Bachelor-/Mastermodell umstrukturieren. Veränderungen wurden aber auch in den Studiengängen Vermessungswesen, Chemieingenieurwesen, Lebensmittelchemie und in anderen Fachgebieten vorgenommen. Besonders bemerkenswert sei der im vergangen Wintersemester begonnene Aufbaustudiengang Altbauinstandsetzung, der sich einer regen Nachfrage erfreue.
International Department als Modell
Der Rektor hob hervor, daß im Zusammenhang mit dem in der Öffentlichkeit viel beachteten geplanten "International Department" an den Fakultäten für Maschinenbau und Elektrotechnik erstmals Lehrveranstaltungen sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache angeboten wurden. "Die Idee des mittlerweile auch vom Land geförderten International Department ist zu einem Modellfall geworden, der große Resonanz und Spendenbereitschaft in der Industrie gefunden hat." Ziel sei es, für vorwiegend jüngere Studierende aus Asien und Amerika ein Umfeld zu schaffen, das ihnen ohne Sprachbarrieren die ersten Studienjahre in Deutschland erleichtere.
Neue Wege durch privates Sponsoring beschreiten
Sigmar Wittig unterstrich weiter die "überragende Bedeutung" privater Sponsoren. "Die Einrichtung des neuen Studiengangs Informationswirtschaft in den Fakultäten für Informatik und Wirtschaftswissenschaften wäre nicht möglich gewesen ohne die großzügige Zusage von Stiftungsprofessuren." Hier zeige sich, "daß mit derartigen Zuwendungen neue Wege beschritten werden können". Der Rektor verwies darüber hinaus auf den neuen Stiftungslehrstuhl "Ökonomie und Ökologie des Wohnungsbaus" an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und auf den Stiftungslehrstuhl "Entrepreneurship" an der Fakultät für Elektrotechnik.
Wichtige Aspekte der Forschung
Beweis für die Lebendigkeit der Universität sei auch die enorme Forschungsleistung, die in zahlreichen Projekten, Initiativen und Verbünden erbracht werde. So sei die Fridericiana nach wie vor die Technische Universität mit den meisten Graduiertenkollegs. Auch die Zahl der Sonderforschungsbereiche sei nach wie vor hoch und werde jetzt um einen weiteren SFB mit dem Titel "Elektromagnetische Verträglichkeit" erhöht. Einen "großartigen Erfolg" habe die Fakultät für Chemie vorzuweisen: Als einzige deutsche Forschungseinrichtung wurde sie von einer international anerkannten Zeitschrift unter die 20 führenden Forschungseinrichtungen weltweit gruppiert.
"Wichtig ist es zu erwähnen, daß die größte Zahl der Arbeiten in Kooperationen über die engen Fachgrenzen hinaus durchgeführt werden", betonte Wittig. Als typisches Beispiel nannte er die Initiativen zur Zusammenarbeit in der Nanotechnologie. "Hier haben sich Institute aus der Physik, der Chemie, der Elektrotechnik und dem Chemieingenieurwesen zusammengefunden und wenden sich mit großzügiger Unterstützung des Landes zukunftsweisenden Fragen dieses neuen Wissensgebietes zu."
Als weiteren Beweis für die Lebendigkeit der Universität nannte Wittig auch die über 90 ausländischen Gastprofessoren, die an der Universität im vergangenen Akademischen Jahr tätig waren. Die Zahl der Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler sei allerdings noch um ein Vielfaches höher. Der Schwerpunkt liege bei Gästen aus den USA, so Wittig.
Auswahl von Studienbewerbern
Professor Wittig kündigte an, daß die Universität ab dem Wintersemester 1999/2000 vierzig Prozent der Bewerber in den zulassungsbeschränkten Studiengängen selbst auswählen werde. Auswahlkriterien seien zum Beispiel bei der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften eine qualifizierte Durchschnittsnote, die sich aus den Oberstufennoten in Deutsch, Mathematik und einer lebenden Fremdsprache zusammensetzt, eine einschlägige Berufsausbildung sowie ein Motivationsschreiben des Studienbewerbers.
Als "Gewinn" für die Lehrerbildung für Gymnasien sowie für Grund- und Hauptschulen bezeichnete Wittig die noch weiter intensivierte Kooperation zwischen Universität und Pädagogischer Hochschule. "Die Studierenden beider Hochschulen können nun im Rahmen eines besonderen Lehrangebotes Vorlesungen und Seminare an beiden Hochschulen besuchen, Qualifikationen erwerben und zum Beispiel die Bibliotheken benutzen, ohne an der jeweils anderen Hochschule eingeschrieben zu sein." Die neuen Studienmöglichkeiten umfassen nicht nur das klassische Angebot an Lehrveranstaltungen, sondern auch eine praxisorientierte Ausbildung in der Multimedia-Arbeit, in Rundfunk und Fernsehen, in der interkulturellen Kommunikation oder der Betriebspädagogik.
Hochschulpolitik
Kritisch setzte sich Rektor Wittig mit der von der Landesregierung im Zuge des Solidarpaktes eingesetzten Hochschulstrukturkommission (HSK) auseinander. Da sie geringere Einsparungen vorschlage, als es der Solidarpakt vorsehe, sei in der HSK "ein natürlicher Verbündeter" zu sehen. Nicht zutreffend, zumindest für die Kernfächer der Universität Karlsruhe, sei jedoch die Arbeitsmarktprognose der HSK, die von einem mittelfristig zu erwartenden tendenziellen Überhang von Hochschulabsolventen ausgehe. "Auch die Tendenz, die Forschung starr an die Studierendenquoten zu koppeln, ist meiner Ansicht nach falsch", erklärte Wittig. Es sei nicht einsichtig, weshalb in Karlsruhe aus der Informatik und dem Maschinenbau, "wo wir nachweislich im Wettbewerb Spitzenleistungen erbracht haben", Stellen abgezogen wurden, um an anderen Universitäten neue Fakultäten mit Hunderten von Stellen und Millionen Mark an Investitionen aufzubauen. Keine Vorteile erblicke er auch in dem Vorschlag der HSK zur Veränderung der Leitungsstrukturen an den Universitäten. Diese sehen die Einführung von Hochschulräten mit strategischer Führungsverantwortlichkeit sowie eine Stärkung des Rektorats vor, wobei der Große Senat und der Verwaltungsrat ihre Funktion verlieren sollen. "Wir werden aber prüfen, wieweit die dem Recht von Aktiengesellschaften entlehnten Vorstellungen auf die Universität übertragbar sind", so der Rektor. Dennoch böten die Empfehlungen der Kommission die Möglichkeit, die auch im Solidarpakt angedachten Mittelverteilungen und -umverteilungen durch das Land leistungsorientiert anzupassen.
"Zu begrüßen ist der Vorschlag der Hochschulstrukturkommission zur Flexibilisierung der Haushalte bis hin zur Globalisierung. Finanzautonomie und zeitliche Übertragbarkeit könnten uns sehr helfen", sagte Wittig. Allerdings sei jetzt schon absehbar, daß dies erhebliche Personalressourcen erfordere. Große Schwierigkeiten deuten sich nach Auffassung Wittigs bei der sogenannten indikatorgesteuerten zwischenuniversitären Mittelverteilung an.
Weitere Aufgaben für das Rektorat
Als wichtigste Aufgabe für die kommenden Jahre nannte Rektor Wittig die Anpassung der Rahmenbedingungen und Organisationsstrukturen der Universität an die gesetzlichen Vorgaben. Dabei müsse die Identität der Universität erhalten bleiben und die wirtschaftliche Basis gesichert sein, forderte er. Ein weiteres Ziel sei es, die Attraktivität der technisch-naturwissenschaftlichen Fächer zu erhöhen. Dazu gehörten neue Lehrinhalte und neue Lehr- und Lernmethoden mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnik, aber auch die Weiterbildung. Die Verbindung von Forschung und Lehre sei zu erhalten, die Qualität der Forschung zu sichern. Auch solle die Internationalisierung noch stärker vorangetrieben werden. Zu fördern seien aber auch die regionale Einbindung der Universität und der Technologietransfer. Und letztlich gelte es, die Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken und den Kontakt mit den Absolventinnen und Absolventen der Universität zu intensivieren.
Ingo Wolff erhielt Heinrich-Hertz-Preis
Bei der Jahresfeier wurde auch der mit 25.000 Mark dotierte Heinrich-Hertz-Preis verliehen. Er ging an den Elektrotechniker Professor Dr.-Ing. Ingo Wolff von der Universität - Gesamthochschule Duisburg. Ingo Wolff hat international führend an der Entwicklung neuer numerischer Verfahren zur Berechnung elektromagnetischer Felder gearbeitet und diese Verfahren für die Analyse und den Entwurf von Hochfrequenz-Bauelementen, -schaltungen und -antennen sowie für die Lösung von Problemen im Bereich der elektromagnetischen Verträglichkeit zur direkten Anwendung in industriellen Problemstellungen zugänglich gemacht.
Der Heinrich-Hertz-Preis wurde 1975 erstmals von der Universität Karlsruhe und der Badenwerkstiftung verliehen. Mit ihm werden etwa alle drei Jahre hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Erzeugung, Verteilung und Anwendung elektrischer Energie ausgezeichnet. Den Preis übergaben Universitätsrektor Wittig und Dr.-Ing. Klaus J. Kasper, Vorstandsmitglied der Badenwerk AG.
Diese Presseinformation ist auch im Internet unter folgender Adresse abrufbar:
http://www.uni-karlsruhe.de/Uni/Verwaltung/Pressestelle/pi138.html
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