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11.06.2004 10:43

Der Kultur auf der Spur - im Baltikum

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums - Präsentation am 28. Juni 2004 in Riga, Lettland, und am 29. Juni in Tartu und Tallinn, Estland

    Auf der Suche nach Gelegenheitsgedichten aus der Frühen Neuzeit durchstöbern Osnabrücker Wissenschaftler seit Jahren die Archive und Bibliotheken der Baltischen Staaten, Polens und Russlands. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: In neun Bänden des "Handbuchs des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven" haben sie bereits die Bestände polnischer Bibliotheken dokumentiert. Am 28. und 29. Juni 2004 - fast pünktlich zum Beitritt Estlands und Lettlands zur Europäischen Union - stellen die Wissenschaftler gemeinsam mit der VolkswagenStiftung, die das Vorhaben seit rund zehn Jahren fördert, in Riga, Tartu und Tallinn sechs weitere Bände des Handbuchs vor.

    Wer kennt sie nicht, die Gedichte, die der Großmutter zum Geburtstag, dem Hochzeitspaar zur Vermählung oder dem Kollegen zum Dienstjubiläum gewidmet werden? Schon in der Frühen Neuzeit war das Schreiben von Gedichten zu besonderen Anlässen ein weit verbreiteter Brauch. Dem so genannten Gelegenheitsschrifttum kam zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert sogar der Rang einer eigenen Literaturgattung zu: Von den Humanisten gepflegt, stand die Gelegenheitsdichtung von der Renaissance bis zur Aufklärung in schönster Blüte - ganz besonders zur Zeit des Barock. Ihre Verfasser waren oft Gelehrte, unter ihnen berühmte Lyriker wie Paul Fleming oder Martin Opitz.

    Professor Dr. Klaus Garber und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Interdisziplinären Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück arbeiten seit einigen Jahren daran, die Gelegenheitsgedichte für die geisteswissenschaftliche Forschung nutzbar zu machen. Im "Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven" erfassen sie die Bestände von Bibliotheken im ehemaligen deutschen Sprachraum. Mit Hilfe der VolkswagenStiftung - sie unterstützt das Vorhaben mit 2,6 Millionen Euro - hat das Forscherteam nun rund 6100 Gedichte, die seit Jahrhunderten in Bibliotheken Estlands und Lettlands lagern, in sechs neuen Bänden katalogisiert. Zur Präsentation der Bände Riga (4), Tartu (1) und Tallinn (1) laden wir interessierte Journalisten herzlich ein für

    - Montag, den 28. Juni um 11 Uhr in die Nationalbibliothek in Riga (Ausstellungssaal, Kr. Barona iela 14, 1423 Riga), Lettland - und

    - Dienstag, den 29. Juni um 10.30 Uhr in die Universitätsbibliothek in Tartu (großer Konferenzsaal, W. Struve t. 1, 50091 Tartu), Estland, sowie um
    17 Uhr in die Akademische Bibliothek der Tallinner Pädagogischen Universität (Konferenzsaal, Rävala pst. 10, 15042 Tallinn), Estland.

    Als Gesprächspartner stehen Ihnen dort unter anderem zur Verfügung:
    - der Herausgeber des Gesamtwerkes, Professor Dr. Klaus Garber, Interdisziplinäres Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Uni Osnabrück,
    - Andris Vilks, Direktor der Nationalbibliothek Lettlands in Riga,
    - Toomas Liivamägi, Direktor der Universitätsbibliothek Tartu,
    - Anne Valmas, Direktorin der Estnischen Akademischen Bibliothek in Tallinn,
    - Professor Dr. Rainer Künzel, Präsident der Universität Osnabrück,
    - Dietrich Olms, Direktor des herausgebenden Verlags Olms-Weidmann,
    - Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung.

    Für manche Städte und Regionen nicht nur des Ostseeraumes sind Gelegenheitsgedichte die einzige bezeugte literarische Form. Von Bibliotheken und Wissenschaftlern lange nachrangig behandelt, besinnt man sich inzwischen zunehmend auf die Bedeutung der Gelegenheitsschriften für die Literatur- und Kulturwissenschaft - lassen sich doch an keiner anderen literarischen Gattung kulturelle Kommunikationsformen und -prozesse so gut rekonstruieren. "Literarisches Leben im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit hat sich in erster Linie über das Gelegenheitsschrifttum konstituiert. Es ist für die nationale wie die regionale Literaturgeschichte eine Quelle ersten Ranges", sagt Professor Klaus Garber.

    Bei ihrer Suche haben es die Forscher alles andere als leicht. Die meist nicht sehr umfangreichen Werke wurden allenfalls in kleinen Auflagen gedruckt. Nicht wenige fielen politischen Umbrüchen, Feuersbrünsten oder Verwüstung zum Opfer. Doch so manche überdauerten dennoch, weil sich Sammler für sie interessierten. Als Sammelbände oder Einzeldrucke fanden sie den Weg in kleine und in große Bibliotheken oder Archive - von der Forschung bisher zumeist unbeachtet, ungenutzt.

    Tallinn, Tartu und Riga gehörten in der Frühen Neuzeit zu den wirtschaftlichen und kulturellen Zentren im östlichen Europa. Im Laufe der Geschichte hatten alle drei Städte unter wechselnder Herrschaft, Kriegen und Naturkatastrophen zu leiden. Ganze Bibliotheken wurden zerstört, Sammlungen verschleppt oder ausgelagert. Anders als bei den bereits im vergangenen Jahr der Öffentlichkeit übergebenen polnischen Beständen ist nicht zuletzt daher die Zahl der in Estland und Lettland dokumentierten Gelegenheitsschriften wesentlich kleiner und gibt nur einen Bruchteil des geistigen Lebens der einstigen kulturellen Hochburgen wieder. So sind in Riga nur noch etwa 4700 Titel erhalten. In Tartu gingen frühneuzeitliche Gelegenheitsschriften fast vollständig verloren; die knapp 600 hier dokumentierten stammen vor allem aus dem 18. Jahrhundert. In Tallinn, einst wichtige wirtschaftliche und kulturelle Brücke zwischen Ost und West, finden sich noch rund 800 Schriften, überwiegend aus dem 17. Jahrhundert.

    Wo sie zu finden sind, zeigt das Handbuch - gegliedert nach den einzelnen Institutionen in den jeweiligen Ländern. Wer das Buch öffnet, findet zunächst eine bibliotheksgeschichtliche Einleitung und eine damit korrespondierende Bibliographie. Der Katalogteil verzeichnet zu jedem Einzelwerk neben einem Incipit (die ersten sechs Worte des Titels) insbesondere den Anlass, die Adressaten und den Autor (sowie gegebenenfalls weitere Beitragende, oft eine ganze Reihe in einer einzigen Schrift). Darüber hinaus finden sich ergänzende buchkundlich-bibliographische Angaben und Hinweise zu poetischen Merkmalen der Texte. Umfangreiche Register leiten schließlich gezielt zu den Einträgen. Die Texte selbst werden später auch in einer Microfiche-Edition zur Verfügung stehen.

    Das Handbuch könnte somit weit reichende Folgen für die geisteswissenschaftliche Forschung haben. "Zwar werden Gelegenheitsgedichte in allen großen und vielen kleinen Bibliotheken Europas verwahrt, geisteswissenschaftliches Arbeiten mit diesem Material ist aber erst möglich, wenn die Quellen in aufwändigen Verfahren erfasst und erschlossen sind. Dies leistet das 'Handbuch' für den alten deutschen Sprachraum im Osten", betont Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung.

    Das Handbuch erscheint im Verlag Olms-Weidmann, Hildesheim. Die Bände zu Tallinn und Tartu haben die ISBN-Nummern 3-487-11398-8 und 3-487-11399-6, die Bände zu Riga haben die ISBN-Nummern 3-487-11403-8, 3-487-11404-6, 3-487-11405-4 und 3-487-11406-6.

    Der Text der Presseinformation steht im Internet zur Verfügung unter http://www.volkswagenstiftung.de/presse-news/presse04/11062004.htm; dort finden Sie auch das ausführliche Programm der beiden Veranstaltungstage.
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    Kontakt VolkswagenStiftung
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
    Dr. Christian Jung
    Telefon: 05 11/83 81 - 380
    E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

    Pressekontakte zu den einzelnen Veranstaltungen:

    28. Juni / Riga
    11 Uhr / Nationalbibliothek
    Herr Direktor Andris Vilks
    E-Mail: Andris.Vilks@lnb.lv

    29. Juni / Tartu
    10.30 Uhr / Universitätsbibliothek
    Frau Malle Ermel
    E-Mail: malle@utlib.ee

    29. Juni / Tallinn
    17 Uhr / Akademische Bibliothek der Tallinner Pädagogischen Universität
    Frau Professor Dr. Tiiu Reimo
    E-Mail: tiiur@tpu.ee


    Weitere Informationen:

    http://www.volkswagenstiftung.de/presse-news/presse04/11062004.htm


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kunst / Design, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Musik / Theater, Sprache / Literatur
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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