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16.06.2004 09:22

Heiliges Russland - Drittes Rom

Dr. Hermann Beyer-Thoma
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Wissenschaftler am Osteuropa-Institut München klärt grundlegende Fragen der politischen Mythologie und Ideologie Russlands

    Am 24. Juni 2004 wird eine der am meisten verehrten Ikonen der russischen Orthodoxie, die Gottesmutterikone von Tichvin, an den Platz zurückkehren, an dem sie der Legende zufolge im Jahr 1383 auf wunderbare Weise erschien und an dem sie sich bis 1941 befand, ehe ihr verschlungener Weg über Deutschland und schließlich in die USA ihren Anfang nahm.

    Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Gottesmutterikone von Tichvin für identisch mit einer der am meisten verehrten Ikonen Konstantinopels, der Gottesmutterikone von Lydda und Rom ("Rimljanynja") erklärt. Diese soll - so die Überlieferung - die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches genau 70 Jahre vor ihrer Eroberung 1453 durch die "ungläubigen" Türken auf wunderbare Weise verlassen haben, um in Russland Zuflucht zu suchen. Neben der Gottesmutterikone von Vladimir war die "Tichvinskaja" somit die zweite Ikone, die der Legende zufolge im Laufe der christlichen Heilsgeschichte aus dem Heiligen Land, wo Jesus Christus gelebt hatte, nach Byzanz, der Hauptstadt des orthodoxen Universalreichs, gelangt war, um dann weiter nach Russland zu wandern, wo das Moskauer Zartum als das letzte wahrhaft christliche Reich an die Stelle des untergegangenen byzantinischen getreten war und wo die Wiederkunft Christi erwartet wurde. Insofern symbolisiert die Tichviner Ikone in perfekter Weise die drei zentralen Aspekte des Selbstverständnisses der Moskauer Eliten jener Zeit, das durch die Gleichung "Moskauer Zartum - Heiliges Russland - Neues Israel - Drittes Rom" charakterisiert werden kann.

    Obwohl diese Idee ursprünglich von der hohen Moskauer Geistlichkeit entwickelt worden wurde sie auch von Zar Ivan IV. ("dem Schrecklichen") von seiner Krönung bis zu seinem Tod geteilt. Die Tatsache, dass Ivan IV. die Gottesmutterikone von Tichvin nur wenige Wochen vor seiner Krönung zum Zaren im Januar 1547 persönlich aufsuchte, kann als bewusste Entscheidung, das Moskauer Zartum und damit sich selbst als dessen Herrscher in das byzantinische Erbe einzuordnen, gedeutet werden. Diese Interpretation wird gestützt durch eine ganze Reihe anderer Hinweise auf die offizielle staatliche Förderung des Kultes der Ikone von Tichvin während der Regierungszeit Ivans IV.

    Die Forschungsergebnisse sind veröffentlicht in den Jahrbüchern für Geschichte Osteuropas, Band 52, 2004, Heft 2, S. 188-234.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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