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Nutzen liegt eher in der Effizienz: Stellungnahme von Games-Experte Prof. Dr. Lutz Anderie zu Potenzial und Limits von ChatGPT und Co
Dialoge oder ganze Spielsequenzen auf Knopfdruck – revolutioniert die Künstliche Intelligenz (KI) den Videospielemarkt? Nachdem KI-basierte Grafik-, Bild- und Textgeneratoren in vielen Branchen für Umwälzungen sorgen, diskutiert auch die Games-Industrie über die neuen Möglichkeiten, die ihr die generative KI eröffnet. Games-Experte Prof. Dr. Lutz Anderie warnt vor zu hohen Erwartungen. Der Branchenkenner, der als Professor für Wirtschaftsinformatik an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) lehrt und forscht, ordnet im Vorfeld der weltweit größten Computer- und Videospielemesse „Gamescom“ einige Fakten und erläutert die Chancen und Grenzen von ChatGPT und Co.
„Generative KI wie ChatGPT birgt Potenzial für die Games-Branche, indem sie automatisierte Prozesse in der Spieleentwicklung ermöglicht. Von der Optimierung der NPCs (Non-Playable Character) und Dialoge bis hin zur Verbesserung von Spieltests und Balancing kann KI die Effizienz steigern und neue kreative Möglichkeiten eröffnen“, so Anderie. „Dennoch müssen wir sicherstellen, dass Originalität, menschliche Emotionen und ethische Bedenken nicht vernachlässigt werden.“
Grundsätzlich haben laut Anderie ChatGPT als Large Language Model und KI-gestützte Bildgeneratoren wie beispielsweise Midjourney und DALL-E 2, die Text in Bilder umwandeln können, sicherlich das Potenzial, die Gamesbranche zu beeinflussen.
Konkrete Beispiele sind:
• Automatisierte Spieleentwicklung: KI-Modelle könnten dazu verwendet werden, bestimmte Aspekte der Spieleentwicklung zu automatisieren, wie das Generieren von Spielwelten, Charakteren oder Quests (Aufgaben oder Mission). Bereiche, die stark von wiederholbaren Mustern geprägt sind, könnten durch KI-Generierung optimiert werden.
• NPC-Dialoge und Storytelling: KI könnte zur Optimierung der NPCs (Non-Playable Character) verwendet werden, die realistischere und dynamischere Dialoge führen. Dadurch könnten Spiele lebendiger wirken.
• Spieltests und Balancing: KI kann auch eingesetzt werden, um Spiele zu testen und das Balancing zu verbessern. Sie könnte automatisch verschiedene Spielszenarien durchspielen und Schwachstellen im Gameplay aufdecken.
• User-generierte Inhalte: KI-Modelle könnten den Benutzerinnen und Benutzern helfen, eigene Inhalte zu erstellen, sei es in Form von Level-Designs, Charakteren oder sogar ganzen Narrativen. Dies könnte die Kreativität der Spieler*innen fördern und die Spielerbindung erhöhen.
Allerdings gibt es laut Anderie auch klare Limitierungen in Bezug auf:
• Kreative Originalität: Während KI zur Generierung von Inhalten verwendet werden kann, könnte dies dazu führen, dass Spiele sich ähnlicher anfühlen oder weniger kreativ sind, da die KI oft auf existierenden Mustern basiert.
• Menschliches Einfühlungsvermögen: KI-Systeme haben Schwierigkeiten, menschliche Emotionen und Empfindungen zu verstehen und korrekt darzustellen. In Spielen, in denen Emotionen eine wichtige Rolle spielen, könnte die KI möglicherweise nicht so effektiv sein.
• Ethik und Kontrolle: Die Verwendung von KI in Spielen wirft ethische Fragen auf, insbesondere in Bezug auf Datenschutz, Diskriminierung und Kontrolle über die generierten Inhalte.
Die Vorteile dürften jedoch nach Anderies Einschätzung die Limitierungen überwiegen und einen weiteren Markt-Wachstumsschub generieren. „Die User Experience für den Gamer wird sich verbessern, was zu einer erhöhten Nachfrage führen kann“, so der Wissenschaftler. Schon seit längerem spielt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) eine große Rolle für die Monetarisierungsmodelle der Spielehersteller, vor allem in Bezug auf Mikrotransaktionen, also im Spielverlauf getätigte Kleinkäufe virtueller Güter (In-Game Items).¹ „Durch die Nutzung von ChatGPT und generativen KI-Technologien lässt sich die Monetarisierung von In-Game-Items weiter optimieren. In Kombination mit KI-Modellen, die auf Predictive Analytics, maschinellem Lernen und datengetriebenen Geschäftsmodellen basieren, können Computerspiele auf verschiedene Weisen verbessert werden und eine höhere Wertschöpfung generieren.“
Konkrete Beispiele sind:
• Personalisierte Angebote: KI kann das Spielerverhalten analysieren und Muster erkennen, um personalisierte In-Game-Item-Angebote zu erstellen. So können Gamer Items angeboten bekommen, die besser zu ihrem Spielstil passen, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie diese tatsächlich kaufen.
• Dynamische Preisgestaltung: KI kann Marktdaten und Spieleraktivitäten analysieren, um die Preise für In-Game-Items in Echtzeit anzupassen. Dadurch können Preise optimiert werden, um sowohl den Erwartungen der Spielenden als auch den Umsatzzielen gerecht zu werden.
• Empfehlungssysteme: KI kann Empfehlungen für In-Game-Items basierend auf den Präferenzen des Spielenden und dem aktuellen Spielverlauf geben. Dies kann den Gamern helfen, relevante Items zu entdecken, die ihr Spielerlebnis verbessern.
• Dynamische Events und Herausforderungen: KI kann genutzt werden, um automatisch zeitlich begrenzte Events oder Herausforderungen zu generieren, die spezielle In-Game-Items als Belohnung bieten. Dies kann die Spielerbindung erhöhen und den Kaufanreiz für bestimmte Items steigern.
• Anti-Cheat-Maßnahmen: KI kann verwendet werden, um betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit In-Game-Items zu erkennen und zu bekämpfen, was wiederum das Vertrauen der Spieler*innen in den Kaufprozess stärkt.
• Anpassbare Items: KI kann es ermöglichen, In-Game-Items anzubieten, die sich an die individuellen Vorlieben und Bedürfnisse der Spieler*innen anpassen lassen. Dies kann deren Interesse an personalisierten Angeboten steigern.
• Datenanalyse für Trendvorhersagen: KI kann Spielerdaten analysieren, um Trends und Verhaltensmuster frühzeitig zu erkennen. Dadurch können Spieleentwickler und -publisher vorausschauende Maßnahmen ergreifen, um ihre In-Game-Item-Angebote anzupassen.
Anderies Fazit: Grundsätzlich ist die Games-Branche seit jeher als „digital frontrunner“ ein richtungsweisender Innovationstreiber der Digitalisierung gewesen. „Die Vorstellung, dass KI die Spieleentwicklung allein übernehmen könnte, ist aber unwahrscheinlich. KI-Modelle wie ChatGPT sind eher als unterstützende Werkzeuge zu sehen, die menschliche Kreativität und Entscheidungsfindung ergänzen. Gamer können von erweiterten Möglichkeiten für User-generierte Inhalte profitieren, während die Gamesbranche weiterhin auf menschliche Innovation und künstlerischen Ausdruck setzt.“
Zur Person Anderie:
Prof. Dr. Lutz Anderie ist Honorar-Professor für Wirtschaftsinformatik an der Frankfurt University of Applied Sciences und vertritt dort insbesondere den Bereich E-Commerce. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören u. a. Games sowie die digitale Transformation. Er ist Autor mehrerer Fachbücher, zahlreicher wissenschaftlicher Schriften und regelmäßig als Referent auf internationalen Fachkonferenzen, in Hochschulen und in der Praxis tätig.
¹Zum Thema KI-gestützte Monetarisierungsmodelle der Spielehersteller siehe auch Prof. Dr. Lutz Anderies Untersuchungen „Frankfurt Game Studies I bis III“, deren Ergebnisse nachzulesen sind in:
Lutz Anderie: Games Industry Management. Gründung, Strategie und Leadership - Theoretische Grundlagen, 2. Auflage 2003, S. 394 ff
Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 3: Wirtschaft und Recht, Prof. Dr. Lutz Anderie, Telefon: +49 69 1533-2939, Mobil: +49 173-6585491, E-Mail: l.anderie@fb3.fra-uas.de
https://www.frankfurt-university.de/?id=5374
https://www.frankfurt-university.de/fb3
Games-Experte Prof. Dr. Lutz Anderie
©Anderie
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Informationstechnik, Wirtschaft
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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