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Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und von der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) erprobten an Mäusen erstmals erfolgreich eine neue Form der zellulären Immuntherapie gegen Hirntumoren.
Glioblastome sind die aggressivsten aller Hirntumoren. Sie breiten sich diffus im Gehirn aus und sind operativ nur schwer vollständig zu entfernen. Auch Chemo- oder Strahlentherapie sind häufig nur begrenzt wirksam. Um neue, wirksamere Behandlungsoptionen für die Betroffenen zu finden, erproben Ärzte und Wissenschaftler zahlreiche immuntherapeutische Ansätze, darunter auch so genannte „adoptive“ T-Zell-Therapien: Dazu werden dem Patienten T-Zellen entnommen, im Labor modifiziert und ihm zurückübertragen. Dabei verfolgen die Ärzte verschiedene Ansätze.
Lukas Bunse, Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum und Arzt an der Universitätsmedizin Mannheim, setzt in seiner aktuellen Studie auf das vergleichsweise neue Konzept der „T-Zell-Rezeptor-transgenen Zellen“: Dazu wurden Hirntumor-Patienten zunächst mit einem antigenen Abschnitt des Proteins NLGN4X (Neuroligin4X) geimpft. Dieses Eiweiß ist an der Bildung von Synapsen beteiligt. Es wird in Glioblastomzellen in großen Mengen gefunden, ist im gesunden Gehirngewebe dagegen so gut wie nicht nachweisbar.
Aus dem Blut der Geimpften isolierte das Team um Bunse anschließend diejenigen T-Zellen, die durch NLGN4X aktiviert worden waren und die folglich einen T-Zell-Rezeptor trugen, der dieses Glioblastom-assoziierte Antigen spezifisch „erkennt“.
Da sich aber auf diese Weise nur wenige NLGN4X-spezifische T-Zellen gewinnen lassen, die für eine Zelltherapie nicht ausreichen, griffen die Wissenschaftler zu einem Trick: Sie isolierten das für den NLGN4X-spezifischen T-Zellrezeptor kodierende Gen. Damit konnten sie anschließend in der Kulturschale T-Zellen aus Spenderblut oder auch T-Zelllinien ausstatten. Auf diese Weise gelang es ihnen, große Mengen an T-Zellen mit identischer Spezifität herzustellen, die alle das Krebsantigen NLGN4X erkennen.
Das Team um Bunse demonstrierte anschließend in der Kulturschale, dass die NLGN4X-spezifischen T-Zellen in der Lage sind, Hirntumorzellen in der Kulturschale abzutöten. Hirntumor-tragende Mäuse, die mit transgenen NLGN4X-spezifischen menschlichen T-Zellen behandelt wurden, sprachen zu über 40 Prozent auf die Behandlung an. Die Tumoren schrumpften und die Tiere überlebten länger als unbehandelte Artgenossen.
Nach den erfolgreichen ersten Versuchen geht Lukas Bunse davon aus, dass Impfstoff-induzierte T-Zell-Rezeptoren, die auf Hirntumor-Antigene abzielen, ein vielversprechender Ansatz zur Entwicklung neuer Immuntherapien gegen Glioblastome sein könnten. Beim Melanom, dem bösartigen schwarzen Hautkrebs, konnten solche T-Zell-Rezeptor-transgenen T-Zellen bereits das Leben einiger Patienten verlängern. Denkbar ist es nach Ansicht des Wissenschaftlers ebenfalls, T-Zell-Rezeptor-transgene Zelltherapien gegen patientenindividuelle Krebsantigene zu generieren.
Deutlich weiter fortgeschritten in der klinischen Entwicklung als die T-Zell-Rezeptor-transgenen Zellen sind zelluläre Therapien mit so genannten CAR-T-Zellen (chimeric antigen receptor), die bereits zur Behandlung verschiedener Leukämien und Lymphomen zugelassen sind. Doch die beiden zelltherapeutischen Ansätze unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt. „Mit den T-Zell-Rezeptor-transgenen Zellen können wir auch auf solche Antigene abzielen, die nur im Inneren der Krebszellen vorkommen und deren Bruchstücke über als die MHC Klasse 1 bezeichneten Präsentationsmoleküle auf der Zelloberfläche ausgestellt werden“, erklärt Lukas Bunse. Mit dem Rezeptor der CAR-T-Zellen ist dies nicht möglich.
Michael Platten, Direktor der Klinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mannheim und Abteilungsleiter im Deutschen Krebsforschungszentrum, resümiert: „Wir werden nun intensiv daran arbeiten, dieses Konzept auch in der Klinik prüfen zu können.“
C. Krämer, M. Kilian, YC. Chih, A. Kourtesakis, D. C. Hoffmann, T. Boschert, P. Koopmann, K. Sanghvi, A. De Roia, S. Jung, K. Jähne, B. Day, L. D. Shultz, M. Ratliff, R. Harbottle, E. W. Green, R. Will, W. Wick, M. Platten and L. Bunse: NLGN4X TCR transgenic T cells to treat gliomas.
Neuro-Oncology 2023, https://doi.org/10.1093/neuonc/noad172
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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Neuro-Oncology 2023, https://doi.org/10.1093/neuonc/noad172
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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