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Für die Beweglichkeit von Spermienzellen sind spezielle Proteine – sogenannte Membrantransporter – von entscheidender Bedeutung. Einem Forschungsteam des Biochemiezentrums der Universität Heidelberg (BZH) unter Leitung von Prof. Dr. Cristina Paulino ist es mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie gelungen, erstmals den Aufbau eines solchen Transporters und dessen Mechanismus zu entschlüsseln. Nach Angaben der Wissenschaftler ermöglichen diese Erkenntnisse ein besseres Verständnis molekularer Grundlagen der Fortpflanzungsfähigkeit und könnten über lange Sicht dazu beitragen, neue Ansätze zur Behandlung von Fertilitätsstörungen und neue Methoden zur spezifischen Verhütung zu entwickeln.
Pressemitteilung
Heidelberg, 26. Oktober 2023
Membrantransporter sorgen für Mobilität von Spermienzellen
Neu entdeckter Mechanismus trägt zum besseren Verständnis molekularer Grundlagen der Fortpflanzungsfähigkeit bei
Für die Beweglichkeit von Spermienzellen sind spezielle Proteine – sogenannte Membrantransporter – von entscheidender Bedeutung. Einem Forschungsteam des Biochemiezentrums der Universität Heidelberg (BZH) unter Leitung von Prof. Dr. Cristina Paulino ist es mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie gelungen, erstmals den Aufbau eines solchen Transporters und dessen Mechanismus zu entschlüsseln. Nach Angaben der Wissenschaftler ermöglichen diese Erkenntnisse ein besseres Verständnis molekularer Grundlagen der Fortpflanzungsfähigkeit und könnten über lange Sicht dazu beitragen, neue Ansätze zur Behandlung von Fertilitätsstörungen und neue Methoden zur spezifischen Verhütung zu entwickeln.
Spermienzellen unterscheiden sich in Aufbau und Funktion grundlegend von allen anderen Zelltypen. Letztlich besteht ihre einzige Aufgabe darin, die Eizelle aufzufinden und mit ihr zu verschmelzen. Ihre volle Aktivität erlangen Spermien erst in der sogenannten Kapazitation, das heißt bei der Reifung der Samenzellen. In einem der letzten Schritte dieses biochemischen Prozesses muss die Beweglichkeit der Spermien erhöht werden. Sind sie nicht oder lediglich in eingeschränktem Maße in der Lage, sich eigenständig zu bewegen, folgt daraus in der Regel eine verringerte Fruchtbarkeit oder vollständige Unfruchtbarkeit. Die Samenzellen können dann die Eizelle nicht erreichen und befruchten.
Innerhalb dieses finalen Reifungsprozesses kommt speziellen Proteinen, die sich in der Hülle des Spermiums befinden, eine besondere Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um Membrantransporter. Sie sind dafür verantwortlich, zum Beispiel Nährstoffe in die Zelle hinein oder aus der Zelle heraus zu transportieren. „Bei Spermien hat der Transport von bestimmten Ionen in die Zelle hinein eine Erhöhung der Eigenbeweglichkeit zur Folge. Daher sind die für den Transport verantwortlichen Proteine direkt verbunden mit der Fertilität eines Spermiums und damit mit der Fruchtbarkeit eines männlichen Lebewesens“, betont Prof. Paulino. Ihre Forschungsgruppe beschäftigt sich am BZH mit Membrantransportern von Seeigeln, einem Modellsystem für die Forschung an Spermien.
Mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie konnten die Wissenschaftler nun den Aufbau eines wichtigen Membrantransporters für Spermien auf molekularer Ebene entschlüsseln. Sie haben dabei unter anderem herausgefunden, wie dessen funktionelle Einheiten aussehen, wie diese zusammenhängen und wie sie miteinander interagieren. „Wir haben beobachtet, dass das entscheidende Protein wie ein Legospielzeug aus verschiedenen Baueinheiten aufgebaut ist. Diese Bauteile sind im Grunde von anderen Proteinen bekannt, wurden allerdings noch nie zusammenhängend beobachtet. Mithilfe dieser Informationen konnten wir zum ersten Mal den Mechanismus dieses Transporters entschlüsseln“, erläutert Dr. Valeria Kalienkova von der Universität Bergen (Norwegen), die zuvor der Forschungsgruppe von Prof. Paulino angehört hat.
Nach den Worten von Dr. Martin Peter, Mitglied im Team von Prof. Paulino, sind diese neuen Erkenntnisse hilfreich, um in einem nächsten Schritt potentielle Substanzen zu entwickeln, die diesen Mechanismus beeinflussen. Damit ließen sich die Funktionen der Proteine möglicherweise aktivieren oder auch deaktivieren. Inwieweit sich diese Erkenntnisse auch auf den Mechanismus von humanen Spermien übertragen lassen, bedarf weiterer Forschung. Auf lange Sicht bergen sie das Potential, neue Wege bei der Behandlung von Unfruchtbarkeit oder umgekehrt bei der absichtlichen Verhinderung einer Befruchtung der Eizelle durch Spermien zu eröffnen.
Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten sind in der Fachzeitschrift „Nature“ erschienen. Sie wurden mit dem Wechsel der Forschungsgruppe von den Niederlanden nach Deutschland zunächst an der Universität Groningen und anschließend am Biochemiezentrum der Universität Heidelberg durchgeführt. Gefördert wurden die Arbeiten von der Nederlandse Organisatie voor Wetenschappelijk Onderzoek, der Niederländischen Organisation für wissenschaftliche Forschung, sowie vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung.
Kontakt:
Kommunikation und Marketing
Pressestelle
Tel. +49 6221 54-2311
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Prof. Dr. Cristina Paulino
Biochemiezentrum
Telefon +49 6221 54-4173
cristina.paulino@bzh.uni-heidelberg.de
V. Kalienkova, M. F. Peter, J. Rheinberger, C. Paulino: Structures of a sperm-specific solute carrier gated by voltage and cAMP. Nature (25. Oktober 2023); DOI: 10.1038/s41586-023-06629-w
https://paulinolab.com/ Forschungsgruppe Cristina Paulino
Aufbau des neu-entschlüsselten Proteins, das sich in der Hülle von Spermienzellen befindet. Mithilfe ...
Martin F. Peter
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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