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27.10.2023 10:40

Studie nimmt Integrationskurse unter die Lupe: Herausfordernde Rahmenbedingungen benötigen qualifizierte Lehrkräfte

Jochen Hövekenmeier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

    Der Integrationskurs vermittelt Sprach- und Orientierungswissen und bildet das Kernstück der staatlichen Integrationsangebote in Deutschland. Eine neue Studie des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) im Rahmen des Projekts „Evaluation der Integrationskurse (EvIk)“ zeigt: Die Lehrkräfte sind aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Teilnehmenden mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert.

    Seit 2018 untersucht das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) die Wirkungsweise der Integrationskurse und fokussiert sich dabei auf den Allgemeinen Integrationskurs und den Alphabetisierungskurs als die Kurstypen mit den höchsten Teilnehmendenzahlen. Dazu wurden von September 2021 bis April 2022 rund 3.000 Teilnehmende, 350 Lehrkräfte und 200 Integrationskursträger jeweils zu Kursbeginn befragt. Ziel der Studie war einerseits, die Teilnehmendenstruktur der Kurse zu erfassen, aber auch die Rahmenbedingungen zu beleuchten und eine Charakterisierung der Lehrkräfte vorzunehmen.

    Deutsche Sprache als Bindeglied

    „Eine heterogene Zusammensetzung in den Integrationskursen kann helfen, das Verständnis für Vielfalt und andere Kulturen zwischen den Teilnehmenden zu fördern. Die deutsche Sprache fungiert als verbindendes Element zwischen Menschen, die sich hinsichtlich des Geschlechts, der Herkunft, des Bildungsniveaus, des Alters und der Aufenthaltsdauer in Deutschland unterscheiden. Andererseits kann eine heterogene Teilnehmendenstruktur auch ein höheres Konfliktpotenzial hervorrufen und kann die Lehrkräfte vor besondere Herausforderungen stellen“, erklärt Dr. Pia Homrighausen. Eine Ausnahme bilden die Alphabetisierungskurse: Der Anteil an Teilnehmenden mit Fluchthintergrund ist hier doppelt so groß wie bei Teilnehmenden am Allgemeinen Integrationskurs, die Kurszusammensetzung hinsichtlich der Herkunft und Migrationserfahrungen damit deutlich homogener. Dennoch wirkt sich dies nicht zwingend positiv auf die Erfolgsaussichten beim Spracherwerb aus, da Personen mit Fluchthintergrund häufiger unter multiplen Problemlagen leiden, die eine Fokussierung auf das Erlernen der deutschen Sprache zusätzlich erschweren. Im Vergleich zur Teilnehmendenstruktur bei den Allgemeinen Integrationskursen sind die Alphabetisierungskursteilnehmenden im Durchschnitt älter, der Anteil an Männern über 60 Jahre ist höher und fast die Hälfte hat nie eine Schule besucht. „Gerade in Alphabetisierungskursen ist es wichtig, dass gut qualifizierte Lehrkräfte unterrichten. Die Hälfte der Teilnehmenden dieser Kursart hat nie zuvor eine Schule besucht, der Anteil an primären Analphabetinnen und Analphabeten ist hoch und die Erfahrung mit gesteuertem Sprachenlernen im Unterricht dementsprechend niedriger“, erläutert Dr. Christian Babka von Gostomski die besonderen Herausforderungen, denen Lehrkräfte von Alphabetisierungskursen gegenüberstehen.

    In beiden Kursarten, insbesondere aber in Alphabetisierungskursen, sind Frauen mit Kindern unter drei Jahren seltener vertreten als Männer – häufig ist diesen Frauen der Besuch eines Integrationskurses erst mit Sicherstellung der Kinderbetreuung möglich. Die Studie zeigt, dass bei männlichen Teilnehmenden die Kinder unter drei Jahren am häufigsten ausschließlich zuhause betreut werden, wohingegen die weiblichen Teilnehmenden am häufigsten angeben, ihr Kind würde eine Kindertageseinrichtung besuchen. „Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass die Betreuung der Kinder in der Regel von den Frauen übernommen wird und diese einen Integrationskurs erst dann besuchen können, wenn eine Kinderbetreuungsmöglichkeit vorliegt. Vor Ort verfügbare Kinderbetreuungsangebote oder niederschwelligere Kinderbeaufsichtigungsangebote spielen daher eine wichtige Rolle beim Zugang von Müttern in den Integrationskurs“, resümiert Dr. Salwan Saif. Die im Rahmen der Studie befragten Kursträger gaben mehrheitlich an, zwar mindestens ein Zusatzangebot wie beispielsweise eine (Sozial-)Beratung für Migrantinnen und Migranten oder Räume zum Selbststudium bereitzustellen, jedoch bieten nur wenige eine kursbegleitende Kinderbetreuung oder -beaufsichtigung an. Als Gründe wurden fehlende Räumlichkeiten, hohe bürokratische Hürden sowie ein Mangel an geeignetem Personal genannt.

    Hoher Altersdurchschnitt der zumeist weiblichen Lehrkräfte

    Weitere Auswertungen der Studie zeigen: Drei Viertel der Lehrkräfte von Integrationskursen sind weiblich, jede zweite Lehrkraft ist 50 Jahre oder älter. „Inzwischen verfügen viele Lehrkräfte über Erfahrung mit virtuellem Unterricht und dem Einsatz von digitalen Medien und integrieren diese in die Unterrichtsgestaltung. Eine Vermittlung von Sprachkenntnissen allein mit digitalen Unterrichtsformen wird jedoch mehrheitlich kritisch gesehen“, berichtet Dr. Christian Babka von Gostomski. Im Bereich der Unterrichtsgestaltung mit digitalen Medien, aber auch bezüglicher anderer Angebote ist das Interesse an Fort- und Weiterbildungen seitens der Lehrkräfte hoch. Viele Lehrkräfte wünschen sich hierfür jedoch eine Kostenübernahme.

    Gut qualifiziert und ethnisch vielfältig

    Im Gegensatz zu den Allgemeinen Integrationskursen ist die Herkunft der Lehrkräfte bei den Alphabetisierungskursen vielfältiger: Hier gab weniger als die Hälfte der Lehrkräfte Deutschland als Geburtsland an. Grundvoraussetzung für das Unterrichten im Integrationskurs ist eine Qualifikation im Bereich Deutsch als Fremdsprache bzw. Zweitsprache, die Lehrkräfte entweder über ein Studium oder eine spätere Zusatzqualifikation erzielt haben. Viele Lehrkräfte haben Erfahrungen als Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer im Bereich der Erwachsenenbildung, bevor sie zumeist über eine Direktzulassung in das Integrationskurssystem eintraten. Obwohl Lehrkräfte von Integrations- und Alphabetisierungskursen Herausforderungen gegenüberstehen, ist ihre Arbeitszufriedenheit hoch. Doch trotz hoher Arbeitszufriedenheit der befragten Lehrkräfte und einem stetig ansteigenden Bedarf haben fast zwei Drittel der Kursträger Schwierigkeiten, Lehrpersonal für den Allgemeinen Integrationskurs sowie besonders den Alphabetisierungskurs zu finden. Einmal gefunden halten die Lehrkräfte an ihren Beschäftigungen fest – und das sind im Jahr 2021 mit durchschnittlich 5,1 Mitarbeitenden mit unbefristeten Verträgen mehr als es im Jahr 2020 waren (durchschnittlich 3,3 Mitarbeitende). Die durchschnittliche Anzahl an Honorarkräften ist von durchschnittlich 14 Honorarkräften in 2020 auf 11,2 in 2021 gesunken, bezogen auf den Landkreis bzw. die kreisfreie Stadt, in der der Kurs befragt wurde.

    Die Studie kann hier herunterladen werden:
    https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Forschungsberichte/fb46-zwis...

    Weiterführende Informationen zum Projekt finden Sie hier: https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Integration/evalu...

    Über das BAMF-Forschungszentrum:

    Mit der Arbeit des 2005 gegründeten Forschungszentrums kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seiner gesetzlichen Aufgabe nach, wissenschaftliche Forschung zu Migrations- und Integrationsthemen zu betreiben. Das Forschungszentrum betrachtet das Migrationsgeschehen nach und von Deutschland und analysiert die Auswirkungen der Zuwanderung. Es begleitet Integrationsprozesse und trägt mit seinen Erkenntnissen entscheidend zur Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen auf Bundesebene bei. Weitere Forschungsschwerpunkte sind u. a. Erwerbs- und Bildungsmigration, Fluchtmigration, Rückkehr und sicherheitsrelevante Aspekte der Zuwanderung. Damit leistet das BAMF-Forschungszentrum einen grundlegenden Beitrag zum Informationstransfer zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

    Weitere Informationen unter: https://www.bamf.de/DE/Themen/Forschung/forschung-node.html

    Ansprechpartner für Medienanfragen:

    Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
    Jochen Hövekenmeier
    Telefon: +49 911 943 177 99
    E-Mail: pressestelle@bamf.bund.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ)
    Dr. Nina Rother
    Kontakt: +49 911 943 24700
    E-Mail: Dr.Nina.Rother@bamf.bund.de


    Originalpublikation:

    Kay, R., Babka von Gostomski, C., Saif, S., Homrighausen, P., Eckhard, J. & Rother, N. (2023). Zwischenbericht III zum Forschungsprojekt „Evaluation der Integrationskurse (EvIk)“. Analysen und Erkenntnisse zu Kursteilnehmenden, Kursspezifika, Lehrkräften und Integrationskursträgern zu Kursbeginn (Forschungsbericht 46). Nürnberg. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
    https://doi.org/10.48570/bamf.fz.fb.46.d.2023.evik.zb3.1.0


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Pädagogik / Bildung, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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