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13.12.1998 12:17

Was die Seeigel-Liebe mit Virus-Infekten verbindet

Dr. Wolfgang Hirsch Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jenaer Forscher untersuchen Mechanismen der Zellverschmelzung

    Jena. In das Liebesleben der Seeigel wollen Dr. Anne S. Ulrich und ihre Jenaer DFG-Nachwuchsgruppe nicht eingreifen. Vielmehr dienen die marinen Stachelhäuter im Projekt B 13 des mitteldeutschen Sonderforschungsbereichs "Bio- und Modellmembranen" als beispielhaftes Untersuchungsobjekt dafür, wie die Befruchtung von Spermium und Eizelle vor sich geht. Ein großes Eiweißmolekül, das sogenannte "Bindin" sorgt dafür, daß die hauchdünnen, aber recht stabilen Membranhüllen von Ei- und Samenzelle miteinander verkleben und sich schließlich nach innen öffnen, damit die Chromosomen beider Geschlechter zueinander finden. Wer diesen Prozeß - genauer: das Bindin - zu beeinflussen versteht, könnte die Fortpflanzung der Seeigel erfolgreicher machen oder auch unterbinden, je nachdem.

    Aber für die Fruchtbarkeit der Seeigel interessieren sich Anne Ulrich und ihre Kollegen - Biologen, Biochemiker und -physiker - eben nur am Rande. Ihnen geht es vor allem ums Prinzip der Membranfusion, das zu erhellen ihnen die DFG genau fünf Jahre Zeit gewährt. Das Seeigel-Bindin besitzt eine funktionelle Ähnlichkeit mit dem menschlichen Befruchtungsprotein "Fertilin" und auch den Fu-sionsproteinen der hochgefährlichen Ebola- und AIDS-Viren. Diese Viren, die nur aus einer membranumhüllten Erbinformation bestehen, haben ausgeklügelte Mechanismen entwickelt, um an die Membran der Opferzelle anzudocken und ihre Schutzfunktion zu überlisten. Wer ihren ,Fusionsklebstoff' zu blockieren verstünde, könnte die - meist tödlich verlaufenden - Infektionen elegant und wirkungsvoll verhindern.

    All das ist heute noch Zukunftsmusik. Die Entwicklung geht natürlich sehr kleinschrittig, im ganzen aber in einem ungeheuer dynamischen Forschungsgebiet vonstatten. So haben Ulrich & Co dank hochauflösender Kernspinresonanz-(NMR)-Spektroskopie gezeigt, daß ein Teil der Molekülstruktur von Bindin helikal, also spiralförmig, angeordnet ist; diese Helix dockt an die Oberfläche der Zellmembranen an und verklebt sie miteinander. Natürlich wollen die Wissenschaftler genau herausfinden, an welchen Punkten der Protein-Helix dieses Andock-Manöver stattfindet.

    Weil das komplette Bindin zu groß und unübersichtlich ist, arbeiten sie in vitro mit einem nur 18 Aminosäuren langen, aktiven Peptid B18, das den funktionstüchtigen Abschnitt des Bindin-Moleküls darstellt, und mit künstlichen Lipid-Membranen. Angeregt von Zink-(Zn2+)-Ionen ,rollt' sich das Peptid B18, dessen genaue dreidimensionale Struktur die Forscher mit hochauflösend NMR-Spektroskopie gemessen haben, zur alpha-Helix auf und fusioniert die Membranen. Sind jedoch Kupfer-(Cu2+)-Ionen im spiel, nimmt die B18-Peptidkette eine beta-Schleifenform an, und der Fusionsvorgang wird verhindert. Diese Aktivator/Inhibitor-Steuerung funktioniert bisher nur unter Laborbedingungen.

    Aber damit sind die Jenaer Forscher schon einen ganzen Schritt weiter. Besonders aufwendig sind ihre Experimente mit membrangebundenen Peptiden deshalb, weil sie praktisch parallel dazu die Festkörper-NMR-Methoden überarbeiten und verfeinern müssen. In den kommenden zwei Jahren, die sie in Jena noch zur Verfügung haben, wollen sie sich auch stärker mit dem kompletten Fusionsprotein Bindin befassen. Ob sie dann der Lage sein werden, die Verschmelzung von Seeigel-Ei- und -Samenzelle zu manipulieren, oder ob sie auch nur den Befruchtungsprozeß bis ins molekulare Detail verstehen? - Sicher ist nur, daß die Forschung über die Wechselwirkungen von Zellmembranen und membrangebundenen Proteinen auch im nächsten Jahrtausend die Biowissenschaften weltweit in Atem hält. Vielleicht bis eines Tages die Fusionsproteine von Viren gezielt ,kaltgestellt' werden können...

    Ansprechpartnerin:
    Dr. Anne S. Ulrich
    Tel.: 03641/657572
    Fax: 657520
    e-mail: ulrich@molebio.uni-jena.de

    Friedrich-Schiller-Universität
    Referat Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Wolfgang Hirsch
    Fürstengraben 1
    07743 Jena
    Tel.: 03641/931031
    Fax: 03641/931032
    e-mail: h7wohi@sokrates.verwaltung.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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