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02.07.2004 10:39

Antisemitischer Wolf im Schafspelz der Israelkritik

Stefanie Hahn Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Kommunikationspsychologen der Universität Jena haben in Studie versteckte antijüdische Einstellungen untersucht

    Jena (02.07.04) Kritik an Israel zu üben, ist gerade für Deutsche schwierig. Leicht kommt der Verdacht auf, damit würde eine versteckte antisemitische Grundeinstellung bemäntelt. Kommunikationspsychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena um Prof. Dr. Wolfgang Frindte sind dem Phänomen des latenten Antisemitismus nachgegangen. Vergangene Woche haben sie die Ergebnisse ihrer neuesten Studie auf einem Kongress der Internationalen Gesellschaft für Politische Psychologie im schwedischen Lund vorgestellt. Die jüngste Studie ermöglicht einen differenzierten Blick auf die Einstellungen der Deutschen zwischen berechtigter Israelkritik und Trittbrettfahrern aus der antisemitischen Ecke.

    2003 sind 410 Personen im Alter von 18-83 Jahren von den Jenaer Psychologen gebeten worden, einen standardisierten Frageboden zu beantworten. Er enthielt eine Vielzahl unterschiedlicher Aussagen, mit denen das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden beschrieben wurde. Die Befragten sollten ihre Zustimmung zu den Aussagen auf einer fünfstufigen Skala angeben. Zudem sollten sie ihre eigene politische Einstellung auf einer Links-Rechts-Skala einschätzen.

    "Wenn man verborgene Einstellungen aufdecken und kein schwarz-weißes Bild erhalten will, kommt es sehr auf einzelne Nuancen bei der Formulierung der Fragen an", erklärt Prof. Frindte. So mussten sich die Befragten u. a. mit folgenden Aussagen auseinandersetzen: "Als heute lebender Deutscher muss ich keine Verantwortung mehr gegenüber den Juden übernehmen," oder "Israel ist allein schuldig an der Entstehung und Aufrechterhaltung der Konflikte im Nahen Osten." Die Aussagen, mit denen z. B. eine Verantwortung abgelehnt wird, wurden von 26 % der Befragten befürwortet. Israel-kritisch äußerten sich mehr als 30 %. "Wir beobachten diese Tendenz nicht nur in Deutschland", so Frindte. "Der Bau des neuen ,Grenzzaunes' im Land, das rigorose Vorgehen der israelischen Polizei gegen die Führer der palästinensischen Opposition und nicht zuletzt Ariel Sharons Politik stoßen weltweit auf Kritik."

    Der Jenaer Psychologe beschreibt die Antiisraelisierung als U-Kurve. An ihrem Wendepunkt steht die Israelkritik, die die Befragten üben, egal welchem politischen Spektrum sie sich selbst zuordnen. Auf der linken Seite des U stehen diejenigen aufgeklärten, multikulturell orientierten Personen, die nicht nur Israels Politik, sondern genauso George W. Bush oder die Globalisierung konstruktiv kritisieren. Auf der politisch rechten Seite stehen jedoch diejenigen, die Israelkritik dazu benutzen, um damit manifeste antisemitische Einstellungen bis hin zum Hass zu bemänteln. "Sie transportieren Antisemitismus in neuem Gewand", so Frindte.

    Es handelt sich also um einen latenten Antisemitismus, der Andeutungen und Anspielungen nutzt, um Bezüge zu weit verbreiteten antisemitischen Ressentiments herzustellen. "Tradierte antisemitische Vorurteile und politisch kalkuliert erzeugte Stereotype über Israel ergänzen und verstärken sich gegenseitig", so ein Fazit der Jenaer Wissenschaftler. "Als privates Vorurteil, dessen öffentliche Äußerung tabuisiert ist, wird der neue, versteckte Antisemitismus politisch instrumentalisiert", warnt Frindte. Andererseits hat er während mehrerer Israelaufenthalte erfahren, dass momentan Israelkritik, sei sie auch noch so berechtigt, oftmals als antisemitisch gewertet wird. Es bleibt also besonders für Deutsche schwierig Kritik zu üben. Vermeidet man jedoch solche Themen in der öffentlichen Diskussion, so stärkt man wiederum dem Antisemitismus ungewollt den Rücken. Eine Zwickmühle.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Wolfgang Frindte
    Institut für Psychologie der Universität Jena
    Am Steiger 3 (Haus 1), 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945280
    E-Mail: wolfgang.frindte@uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de/content_page_26104.html#forsch_1


    Bilder

    Prof. Dr. Wolfgang Frindte (Foto: Uni Jena)
    Prof. Dr. Wolfgang Frindte (Foto: Uni Jena)

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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