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Wissenschaft
Kann der Übergang zur kohlenstofffreien Gesellschaft im globalen Süden die nachhaltige Entwicklung vorantreiben? Ein Team vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) hat erstmals einen quantitativen Ansatz entwickelt, mit dem messbar wird, inwieweit bei der Energiewende Faktoren der Energiegerechtigkeit berücksichtigt werden.
Autorinnen und Autoren um Wissenschaftlerin Maria Apergi des in ‚Renewable and Sustainable Energy Reviews‘ erschienenen Artikels „An energy justice index for the energy transition in the global South“ haben einen Index für Energiegerechtigkeit entwickelt, der einen standardisierten und quantitativen Vergleich der Übergangsprozesse der Energiewende in verschiedenen Ländern ermöglicht. Denn inwieweit diese „Wende“ zugleich Gerechtigkeit impliziert, dafür habe bis dato ein quantitatives Maß gefehlt - und zwar über den globalen Norden hinaus. Der nun entwickelte Index kann ebenso auf andere Länder angewendet werden.
Energiegerechtigkeit - das Konzept dahinter
Das Team versteht Energiegerechtigkeit als Konzept, welches sich mit der Fairness von Energiesystemen befasst und dabei die sozialen sowie entwicklungspolitischen Auswirkungen von Technologien, Politiken und Projekten beurteilt. Ein Großteil der bislang veröffentlichten Studien zu Energiegerechtigkeit bewerte lediglich die Auswirkungen von kohlenstoffarmen Übergängen und erneuerbaren Energien auf den Faktor Gerechtigkeit. Das neu entwickelte Konzept diene als analytischer Rahmen, um Ungerechtigkeiten in Energieprozessen zu identifizieren und Lösungen anzubieten. Der Index wurde erstellt, indem verschiedene Komponenten der Energiegerechtigkeit den drei Kernpunkten Verfahrensgerechtigkeit, Anerkennungsgerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit zugeordnet wurden.
Vier Länder im Fokus
Empirisch ausgewertet wurden vier Länderfallstudien von 2010 bis 2019: Kenia, Jordanien, Chile und Malaysia. Um einen Querschnitt der Weltregionen zu erhalten, welche für den globalen Süden relevant sind, ist die Wahl auf diese Länder gefallen. Zudem sind alle vier Länder als Pioniere der Energiewende in ihren jeweiligen Regionen zu werten.
Die Analyse zeige, wie wenig Sekundärdaten zur Messung der Energiegerechtigkeit vorlägen und wie schwierig es sei, an Informationen über angewandte Verfahren bezüglich des Ausbaus der erneuerbaren Energien zu gelangen, insbesondere im Fall von Malaysia. Dies mache deutlich, wie wichtig eine verbesserte Datenlage sei, so die Autorinnen und Autoren.
Ungerechtigkeiten in allen Ländern
Die Ergebnisse belegten, so das Autorenteam, dass es Ungerechtigkeiten in Energiewendeprozessen aller Fallstudienländer gebe, wozu sie Verteilungs-, Verfahrens- und Anerkennungsgerechtigkeit zählen. Die Indexergebnisse zeigen auch eine erhebliche Streuung der Länderergebnisse bei den verschiedenen Komponenten und Grundsätzen der Energiegerechtigkeit. Das Team stellt heraus, dass die Rangfolge der überprüften Länder im Index nicht immer dem Niveau ihrer wirtschaftlichen Entwicklung entspreche. So schnitten beispielsweise Malaysia und Chile bei der Verteilungsgerechtigkeit besser ab, während Kenia und Jordanien bei der Verfahrensgerechtigkeit besser dastehen. Darüber hinaus schnitt Kenia bei der Generationengerechtigkeit und der Kostenverteilung für die Infrastruktur für erneuerbare Energien besser ab.
Folgen für die Klimapolitik
Die Empfehlung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Sowohl nationale Regierungen als auch transnationale Akteure wie multilaterale Institutionen oder Investoren sollten politische Rahmenwerke und Strategien erarbeiten, die systematisch Gerechtigkeitsaspekte berücksichtigten. Gemeint seien damit Regelungen beim Ausgestalten von Energiesystemen wie beispielsweise ordnungsgemäße Verfahren, was den Zugang, die Kosten und andere Verteilungsaspekte beträfe. Ebenso sei unverzichtbar, gefährdete Gruppen zu schützen, etwa durch ländliche Elektrifizierungs-programme und Mikrofinanzierungen. Wirtschaftliche Anreize, die zu Investitionen in erneuerbare Energien anregen, sollten immer auch soziale Kriterien enthalten. Darüber hinaus könnten die politisch Verantwortlichen von der Einführung von Überwachungs-, Berichterstattungs- und Datenüberprüfungsverfahren für Indikatoren zur Energiegerechtigkeit profitieren, um die Qualität und Verfügbarkeit der Daten zu verbessern.
Mit dem Index ergänzt die Studie die Diskussion um Energiegerechtigkeit, weil diese im Zeitverlauf und zwischen den Ländern bewertbar wird. Der Resultate verdeutlichen die Mehrdimensionalität wie Komplexität des Konzepts einer Energiegerechtigkeit – insbesondere, wenn es auf die Energiewende angewendet wird. Mit mehr Daten angereichert und für jeden online zugänglich, kann der Index Forschende und Entscheidungstragende beim systematischen Untersuchen von Energiegerechtigkeit helfen - im globalen Süden und darüber hinaus.
Maria Apergi
Mail: maria.apergi@iass-potsdam.de
Maria Apergi, Laima Eicke, Andreas Goldthau, Mustafa Hashem, Sebastian Huneeus, Renato Lima de Oliveira, Maureen Otieno, Esther Schuch, Konstantin Veit: An energy justice index for the energy transition in the global South, Renewable and Sustainable Energy Reviews 192 (2024) 114238. https://doi.org/10.1016/j.rser.2023.114238
https://www.rifs-potsdam.de/de/news/erstmals-index-fuer-energiegerechtigkeit-im-...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Energie, Gesellschaft, Politik, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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