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12.02.2024 11:33

Mit Hilfe von 3D-Druck zu künstlichem Knorpel

Dr. Florian Aigner PR und Marketing
Technische Universität Wien

    Ein neuer Ansatz zur Herstellung von künstlichem Gewebe wurde an der TU Wien entwickelt: Man arbeitet mit Zellen in Mikrostrukturen aus dem 3D-Drucker.

    Kann man Gewebe im Labor nach einem vorgegebenen Plan wachsen lassen, zum Beispiel um verletzten Knorpel zu ersetzen? An der TU Wien gelang nun ein wichtiger Schritt in Richtung Ersatzgewebe aus dem Labor – und zwar mit einer Technik, die sich von anderen Methoden, die überall sonst auf der Welt verwendet werden, deutlich unterscheidet.

    Mittels eines speziellen Präzisions-3D-Druckverfahrens erzeugt man winzige, poröse Kügelchen aus biologisch verträglichem und abbaubarem Kunststoff, die dann mit Zellen besiedelt werden. Diese Kügelchen kann man dann in beliebiger Geometrie anordnen, die Zellen der unterschiedlichen Einheiten verbinden sich lückenlos zu einem einheitlichen, lebenden Gewebe. Gerade Knorpelgewebe, mit dem das Konzept nun an der TU Wien demonstriert wurde, galt in dieser Hinsicht bisher als besonders herausfordernd.

    Winzige Kugel-Käfige als Gerüst für die Zellen

    „Knorpelzellen aus Stammzellen zu kultivieren, ist dabei gar nicht die größte Herausforderung. Das Hauptproblem ist, dass man normalerweise wenig Kontrolle darüber hat, welche Form das entstehende Gewebe dann annimmt“, sagt Dipl.-Ing. Oliver Kopinski-Grünwald vom Institut für Werkstoffwissenschaften und Werkstofftechnologie der TU Wien, einer der Autoren der aktuellen Studie. „Das liegt auch daran, dass solche Stammzellklumpen im Lauf der Zeit ihre Form verändern und oft schrumpfen.“

    Um das zu verhindern, arbeitet das Forschungsteam an der TU Wien mit einem neuen Ansatz: Mit speziell entwickelten Laser-basierten Präzisions-3D-Drucksystemen werden winzige Käfig-artige Strukturen erzeugt, die wie Mini-Fußbälle aussehen und einen Durchmesser von nur einem Drittel Millimeter haben. Sie dienen als Stützstruktur und bilden kompakte Bausteine, die man dann zu beliebigen Formen zusammenfügen kann.

    In diesen fußballförmigen Mini-Käfigen werden zunächst Stammzellen eingebracht, die das winzige Volumen rasch vollständig füllen. „Wir können auf diese Weise also erstmals zuverlässig Gewebe-Konstrukte erzeugen, in denen die Zellen ganz gleichmäßig verteilt sind und die Zelldichte sehr hoch ist. Mit bisherigen Ansätzen wäre das nicht möglich“, erklärt Univ.Prof. Aleksandr Ovsianikov, Leiter der Forschungsgruppe 3D Printing and Biofabrication an der TU Wien.

    Perfekt miteinander verwachsen

    Das Team verwendete dafür differenzierte Stammzellen – also Stammzellen, die sich nicht mehr zu jeder beliebigen Art von Gewebe entwickeln können, sondern schon auf einen bestimmten Gewebetyp festgelegt sind, in diesem Fall auf Knorpelgewebe. Solche Zellen sind für medizinische Anwendungen besonders interessant, doch gerade bei Knorpelzellen gilt das Konstruieren größerer Gewebe als sehr herausfordernd. Im Knorpelgewebe bilden die Zellen nämlich eine besonders ausgeprägte extrazelluläre Matrix, eine geflechtartige Struktur zwischen den Zellen, die unterschiedliche Zellkügelchen oft daran hindert, auf gewünschte Weise miteinander zu verwachsen.

    Wenn die 3D-gedruckten porösen Kügelchen auf gewünschte Weise mit Zellen besiedelt sind, kann man die Kügelchen in beliebigen Formen anordnen. Die entscheidende Frage ist nun: Verbinden sich dabei auch die Zellen unterschiedlicher Kügelchen zu einem einheitlichen, homogenen Gewebe?

    „Genau das konnten wir nun erstmals zeigen“, sagt Kopinski-Grünwald. „Unter dem Mikroskop sieht man ganz klar: Benachbarte Kügelchen verwachsen, die Zellen wandern von einem Kügelchen ins andere und umgekehrt, sie verbinden sich nahtlos und ergeben eine geschlossene Gesamtstruktur ohne Hohlräume – ganz im Gegensatz zu anderen Methoden, die es bisher gab, bei denen sichtbare Schnittstellen zwischen benachbarten Zellklumpen bleiben.“

    Die winzigen 3D-gedruckten Stützelemente verleihen der Gesamtstruktur mechanische Stabilität, während das Gewebe weiter ausreift. Im Lauf der Zeit bauen sich die Kunststoffstrukturen selbstständig ab. Über einen Zeitraum von Monaten verschwinden sie einfach und lassen das fertig geformte Gewebe in gewünschter Form zurück.

    Erster Schritt Richtung medizinische Anwendung

    Der neue Ansatz ist prinzipiell nicht nur auf Knorpelgewebe beschränkt, daher könnte man auf diese Weise auch andere größere Gewebe wie z.B. Knochengewebe maßschneidern. Auf dem Weg dorthin gibt es allerdings noch einige Aufgaben zu lösen – schließlich müssten für diese Gewebe, anders als in Knorpelgewebe, ab einer gewissen Größe auch Blutgefäße mit eingebaut werden.

    „Ein erstes Ziel wäre, kleine maßgeschneiderte Knorpelgewebsteile zu produzieren, die man nach einer Verletzung in bestehendes Knorpelmaterial einsetzen kann“, sagt Oliver Kopinski-Grünwald. „Wir konnten nun jedenfalls zeigen, dass unsere Methode zur Herstellung von Knorpelgewebe mit Hilfe kugelförmiger Mikro-Gerüsten, prinzipiell funktioniert und gegenüber anderen Technologien entscheidende Vorteile hat.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Aleksandr Ovsianikov
    Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie
    Technische Universität Wien
    Getreidemarkt 9, 1060 Wien
    +43-1-58801-30830
    aleksandr.ovsianikov@tuwien.ac.at

    Dipl.-Ing. Oliver Kopinski-Grünwald
    Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie
    Technische Universität Wien
    +43 1 58801 308107
    oliver.kopinski-gruenwald@tuwien.ac.at


    Originalpublikation:

    O. Kopinski-Grünwald et al., Scaffolded spheroids as building blocks for bottom-up cartilage tissue engineering show enhanced bioassembly dynamics, Acta Biomaterialia, 174, 163 (2024).
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1742706123007055?via%3Dihub


    Bilder

    Die fußballförmigen Zell-Käfige
    Die fußballförmigen Zell-Käfige
    TU Wien
    TU Wien

    Die Zell-Käfige können in beliebiger Form zusammengefügt werden.
    Die Zell-Käfige können in beliebiger Form zusammengefügt werden.
    TU Wien
    TU Wien


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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