idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.02.2024 12:29

Im Nanokanal wird Wärme zu Strom

Michaela Hütig Science Communication Centre - Abteilung Kommunikation
Technische Universität Darmstadt

    Forschende aus dem Fachgebiet Nano- und Mikrofluidik der TU Darmstadt haben einen Mechanismus entdeckt, der Abwärme geringer Temperatur in elektrischen Strom verwandelt. Welche Rolle Salze und Nanotechnik dabei spielen, beschreiben TU-Professor Steffen Hardt und sein Mitarbeiter Dr. Rajkumar Sarma jetzt im Fachmagazin „Physical Review Letters“.

    Die Abwärme von Industrieanlagen, Rechenzentren und Gebäuden, von Kühlschränken, Smartphones und anderen elektronischen Geräten ist eine bislang kaum genutzte Quelle für die saubere Stromerzeugung. Das Problem: Abwärme, die keine 100 Grad heiß ist, lässt sich bislang nicht effizient verwerten. Das könnte sich zukünftig ändern, denn Steffen Hardt, Professor im Fachbereich Maschinenbau der TU Darmstadt und Leiter des Fachgebiets Nano- und Mikrofluidik, hat zusammen mit seinem Mitarbeiter Dr. Rajkumar Sarma einen neuen Mechanismus identifiziert, der Wärme in elektrische Energie umwandelt. In der aktuellen Ausgabe von „Physical Review Letters“ beschreiben die beiden Forscher diesen Prozess.

    Die neuartige Energiewandlung erfolgt in einem Material mit winzigen Nanokanälen, gefüllt mit einer hochkonzentrierten Salzlösung. Ist eine Seite des Materials wärmer als die andere, kommt es zu einem thermoelektrischen Effekt. Schon ein geringer Temperaturgradient verursache in den Nanokanälen eine elektrische Spannung, die deutlich ausgeprägter sei, als es die etablierte Theorie erwarten lasse, sagt Hardt: „Mit unseren jetzt vorgestellten Modellrechnungen können wir die außergewöhnlich hohe elektrische Spannung erklären, die in einigen Experimenten nachgewiesen wurde.“

    In dem engen Kanal mit der hochkonzentrierten Salzlösung schwimmen die positiven und negativen Ionen des Salzes teils frei umher, teils bilden sie ladungsneutrale Cluster. Die Clusterbildung hängt von der Temperatur ab. Genau das lässt sich für die Umwandlung von Wärme in Strom nutzen, denn wird das mit der Salzlösung gefüllte Nanomaterial an einer Seite erwärmt, zerfallen dort die Cluster. Die freigesetzten Ladungen wandern zur kälteren Seite, um das Konzentrationsgefälle auszugleichen. Dieser Ladungstransport durch den Nanokanal geht einher mit einer hohen elektrischen Spannung.

    Vielversprechende Ergebnisse mit Zellulose

    Die Darmstädter Wissenschaftler untersuchen derartige Phänomene rein theoretisch. Sie kooperieren im Rahmen des EU-Projektes Translate aber mit experimentell arbeitenden Forschungsgruppen. So hat ein Team vom University College Cork den Effekt sowohl in einem Material aus oxidiertem Aluminium untersucht als auch in einer Substanz auf Basis von Zellulose, dem Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellwänden. Beide Materialien besitzen die für die Energiewandlung entscheidenden Nanokanäle. „Am vielversprechendsten waren die Experimente mit Zellulose“, sagt Hardt. Als nachwachsender und reichlich verfügbarer Rohstoff bietet das natürliche Material viele Vorteile. Doch für Hardt und Sarma ist es aufgrund seiner ungeordneten Struktur eine Herausforderung. Die TU-Forscher erweitern jetzt ihr theoretisches Modell, um es mit den Ergebnissen aus Cork in Einklang zu bringen.

    Wann die Technik marktreif ist, kann Hardt noch nicht abschätzen: „Das Prinzip funktioniert, aber wir müssen den Wirkungsgrad steigern und ob das gelingt, hängt vor allem vom Materialdesign ab.“ An Ideen für die Anwendung mangelt es den Forschenden indes nicht. Ihnen schwebt zum Beispiel eine Fassadenverkleidung aus einem Nanomaterial vor, das einen Teil der Abwärme eines Gebäudes in Strom verwandelt. Noch ist das zwar eine kühne Vision, aber sie sollte verfolgt werden, denn aktuell verteilen sich geschätzte 70 Prozent der von Kraftwerken produzierten und von Haushalten sowie Industrie genutzten Energie als Abwärme in der Atmosphäre. Diese Verschwendung können wir uns nicht länger leisten.

    Dr. Uta Neubauer

    Über die TU Darmstadt
    Die TU Darmstadt zählt zu den führenden Technischen Universitäten in Deutschland und steht für exzellente und relevante Wissenschaft. Globale Transformationen – von der Energiewende über Industrie 4.0 bis zur Künstlichen Intelligenz – gestaltet die TU Darmstadt durch herausragende Erkenntnisse und zukunftsweisende Studienangebote entscheidend mit.
    Ihre Spitzenforschung bündelt die TU Darmstadt in drei Feldern: Energy and Environment, Information and Intelligence, Matter and Materials. Ihre problemzentrierte Interdisziplinarität und der produktive Austausch mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik erzeugen Fortschritte für eine weltweit nachhaltige Entwicklung.
    Seit ihrer Gründung 1877 zählt die TU Darmstadt zu den am stärksten international geprägten Universitäten in Deutschland; als Europäische Technische Universität baut sie in der Allianz Unite! einen transeuropäi-schen Campus auf. Mit ihren Partnern der Rhein-Main-Universitäten – der Goethe-Universität Frankfurt und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – entwickelt sie die Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main als global attraktiven Wissenschaftsraum weiter.

    www.tu-darmstadt.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. rer. nat. Steffen Hardt
    Leitung Fachgebiet Nano- und Mikrofluidik

    (hardt@nmf.tu-darmstadt.de)
    +49 6151 16-2427


    Originalpublikation:

    https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.132.098001


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Energie, Maschinenbau, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).