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Wissenschaft
Durchfluss-Reaktoren, die mit Enzymen gespickt sind, können bestimmte Chemikalien auf sanfte und schonende Weise herstellen. Doch ihre Leistungsfähigkeit ist bislang begrenzt. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums Hereon und der RWTH Aachen konnte die Ausbeute nun um das Tausendfache steigern. Auf Basis einer maßgeschneiderten Nanomembran gelang es, die umzusetzenden Moleküle in viel engeren Kontakt mit den Enzymen zu bringen und dadurch die Reaktionsrate dramatisch zu erhöhen. Anwendung könnte das neue Verfahren unter anderem bei der nachhaltigen Produktion von Phosphat finden. Die Arbeitsgruppe stellt ihre Resultate im Fachmagazin Nature Communications vor.
Enzyme sind Biokatalysatoren, mit denen sich Chemikalien umweltschonend und energiesparend herstellen lassen. Allerdings ist es seitens des Verfahrens nicht immer einfach, sie wirklich effizient einzusetzen. Eines der Konzepte sind Durchfluss-Reaktoren. Sie bestehen aus kleinen Kanälen, an deren Wänden die Enzyme anhaften. Strömt eine Lösung durch diese Kanäle, können die in der Lösung enthaltenen Moleküle an de Biokatalysatoren andocken, um mit ihrer Hilfe zum gewünschten Produkt zu reagieren.
Bislang funktionieren diese Reaktoren noch nicht optimal, denn meistens besitzen diese millimetergroße Kanäle – die Enzyme dagegen sind nanometerklein. Dadurch kommen viele der durchströmenden Moleküle gar nicht mit den Biokatalysatoren in Kontakt, haben also keine Gelegenheit zu einer chemischen Reaktion.
Stoßdämpfer für Enzyme
Um dieses Problem zu lösen, nutzte die Arbeitsgruppe eine spezielle Membran, entwickelt am Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht. „Diese Membran entsteht durch die Selbstorganisation sogenannter Blockcopolymere“, beschreibt Dr. Volker Abetz, Leiter des Hereon-Instituts für Membranforschung und Professor für Physikalische Chemie an der Universität Hamburg. „Ihre Oberfläche besitzt eine hohe Dichte an gleichgroßen zylindrischen Poren.“ Jene sind winzig, ihr Durchmesser beträgt nur 50 Nanometer. Unterhalb der Oberfläche befindet sich eine offenere poröse Struktur aus demselben Blockcopolymer.
Um diese Porenwände mit Enzymen zu spicken, griffen die Fachleute zu einem speziell designten Helfer-Molekül – einer Art Klebstoff-Peptid. „Mit der einen Seite bindet es an die Porenwand, mit der anderen an das Enzym“, erläutert Dr. Ulrich Schwaneberg, Professor für Biotechnologie an der RWTH Aachen und Mitglied der wissenschaftlichen Leitung des Leibniz-Instituts für Interaktive Materialien. „Dabei fungiert das Peptid als eine Art Stoßdämpfer, der das Enzym stets in einem gewissen Abstand zur Porenwand hält.“ Für ihren Prototyp verwendete das Team ein Enzym namens Phytase. Es bewirkt die Zersetzung von Phytat, einer phosphorhaltigen Verbindung, die unter anderem in Getreide enthalten ist. In der Praxis wird das Phytase-Enzym zum Beispiel Tierfutter beigemischt. Dadurch wird die Freisetzung von biogenem Phosphat begünstigt, was sich dann als nachhaltiges Düngemittel verwenden lässt.
Erfolgreicher Dauertest
„Der Prototyp unseres Durchfluss-Reaktors ist relativ einfach aufgebaut“, beschreibt Hereon-Forscherin Dr. Zhenzhen Zhang. „Die Membran ist etwa so groß wie ein Blatt Papier, hinzu kommt ein System, das die Phytat-Lösung durch die Membran strömen lässt.“ Das Resultat: Wegen der engen, dicht mit Enzymen besetzten Poren konnten etwa tausendmal mehr Phytat-Moleküle zu Phosphat umgesetzt werden als in den bisherigen Durchfluss-Reaktoren – eine beachtliche Ausbeute. Nützlich dabei war zudem, dass die Membranporen elektrisch positiv und die Phytat-Moleküle negativ aufgeladen waren. Die resultierenden Anziehungskräfte halfen ebenso, die Moleküle in Kontakt mit den Enzymen zu bringen.
„Wir haben die Membran 30 Tage lang getestet, und sie verlor dabei nur wenig an Effizienz“, sagt Zhang. „Es sollte durchaus möglich sein, unseren Reaktor auf den industriellen Maßstab hochzuskalieren.“ Da sich mit dem Hereon-Verfahren auch Membranen mit kleineren oder größeren Poren herstellen lassen, sollte sich der Reaktor auch mit anderen Enzymen bestücken lassen, die dann andere chemische Reaktionen beschleunigen können. Zuvor aber gibt es noch offene Fragen zu klären, zum Beispiel: „Wir haben noch nicht in allen Einzelheiten verstanden, wie sich die Membranstrukturen bilden“, erläutert Abetz. „Wenn uns das gelingt, hoffen wir, die zylindrischen Poren in der Membran noch deutlich gezielter herstellen zu können als bislang.“
Prof. Volker Abetz
Institutsleiter
Institut für Membranforschung
Helmholtz-Zentrum Hereon
Tel: +49 (0) 4152 87- 2461
volker.abetz@hereon.de
https://doi.org/10.1038/s41467-024-47007-y
Die Membranen bringen auch Vorteile für die Produktion von Düngemitteln. Foto: D O M I N I K J P W v ...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Chemie, Informationstechnik, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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