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Die zahlreichen Kiesgruben im mittleren Elbtal bei Magdeburg haben bereits viele herausragende archäologische Funde aus dem Zeitraum zwischen dem mittleren Jungpleistozän (Weichseleiszeit) und der Neuzeit geliefert. Insbesondere für das Pleistozän bieten die tiefen Aufschlüsse in sonst mächtig überdeckte Schichten immer wieder überraschende Einblicke und Erkenntnisse. In der Kiesgrube Barleben-Adamsee gelang es nun, neben Feuersteingeräten fünf etwa 42.000 bis 50.000 Jahre alte Schildkrötenpanzerfragmente zu bergen. Bei den Schildkröten könnte es sich um leicht transportable Nahrungsreserven früher Menschen gehandelt haben.
Die Fundstelle Kieswerk Barleben-Adamsee
Die zahlreichen Kiesgruben im mittleren Elbtal bei Magdeburg haben bereits viele herausragende archäologische Funde aus dem Zeitraum zwischen dem mittleren Pleistozän (Eiszeitalter) und der Neuzeit geliefert. Insbesondere für das Pleistozän bieten die tiefen Aufschlüsse immer wieder überraschende Einblicke und Erkenntnisse. Denn andernorts sind die entsprechenden Schichten oft so mächtig überdeckt, dass sie – abgesehen vom Braunkohletagebau – kaum angeschnitten werden. Im Bereich des Adamsees bei Barleben (Landkreis Börde) erfolgte die Aufschotterung über einen Zeitraum von mehreren zehntausend Jahren. Da der Kiesabbau mittels Eimerkettenbagger unter dem Grundwasserspiegel erfolgt, sind Beobachtungen zu den Fundschichten nicht möglich. Somit ist eine Datierung nur über die Form von Geräten oder, insbesondere bei organischen Funden, über naturwissenschaftliche Verfahren (beispielsweise die Radiocarbonmethode) möglich. Die Funde werden in der Regel vom Rüttelsieb des Baggers geborgen. Hier machen sich immer wieder ehrenamtlich beauftragte Bodendenkmalpflegerinnen und Bodendenkmalpfleger besonders verdient. Im Falle der Kiesgrube Barleben-Adamsee sind die Funde der letzten Jahre insbesondere Herrn Uwe Beye zu verdanken.
Eines der ältesten beschliffenen Knochengeräte Mitteldeutschlands
Aus dem Adamsee liegen bislang nicht nur etwa 180 Feuersteinartefakte (darunter Faustkeile, weitere Geräte, Kerne und Abschläge) vor, auch ein ganz besonderer Fund stammt aus der Kiesgrube. Bereits 1998/99 wurde eine 41,8 Zentimeter lange, aus der Rippe eines Boviden (Ur oder Wisent) angefertigte Spitze entdeckt. Die zum Brustbein weisende Partie des Knochens ist in Form einer langen schlanken Spitze auf ungefähr zwölf Zentimeter Länge sehr sorgfältig zugerichtet worden. Die Radiocarbondatierung verortet den Todeszeitpunkt des Tieres mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 32.992 und 32.4o6 vor Christus, in die späte mittlere oder frühe jüngere Altsteinzeit. Das macht den Fund zu einem der ältesten geschliffenen Knochengeräte Mitteldeutschlands. In dieselbe Zeit gehören die Steingeräte. Unter ihnen findet sich beispielsweise das Fragment einer sogenannten Blattspitze, das etwa mit Funden aus der Ilsenhöhle bei Ranis in Thüringen verglichen werden kann. Dort wurden kürzlich von einem Forscherteam unter Beteiligung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt frühe moderne Menschen als Hersteller dieser Geräte bereits vor 45.000 Jahren ausgemacht. Zuvor waren Blattspitzen häufig mit dem Neandertaler in Verbindung gebracht worden.
Schildkröten – lebendiger Proviant?
Unter den neueren Funden aus dem Adamsee stechen fünf Fragmente von Schildkrötenpanzern heraus, die der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) zugeordnet werden können. Alle Fragmente wurden jeweils zwei Mal mit der Radiocarbonmethode datiert. Es ergibt sich ein Alter zwischen etwa 50.000 bis 42.000 Jahren vor heute. Die Schildkröten lebten somit während der Weichselkaltzeit, eine für Mitteleuropa unerwartete Datierung. Denn die in der Erde abgelegten Eier der Europäischen Sumpfschildkröte benötigen eine Temperatur von über 18 bis 20 Grad Celsius, damit die Jungtiere sich entwickeln können.
Die Funde von Barleben-Adamsee dürften damit außerhalb des damaligen natürlichen Verbreitungsgebiets der Europäischen Sumpfschildkröte liegen, was die Frage nach ihrer Herkunft aufwirft. Ethnographische und historische Vergleiche zeigen, dass Menschen Schildkröten häufig als Proviant, gewissermaßen als ›lebende Konserven‹ auf Reisen mitnahmen. Die Tiere sind leicht transportabel und bieten auch bei ausbleibendem Jagderfolg eine Versorgung mit frischem Fleisch. Es wäre möglich, dass eiszeitliche Jäger – Neandertaler oder moderne Menschen – die Schildkröten in nördliche, kühle Gefilde mitbrachten. Ob dem tatsächlich so ist, werden zukünftige Forschungen erweisen müssen.
U. Beye, R.-J. Priloff, T. Weber, Emys orbicularis (Europäische Sumpfschildkröte) aus dem Kieswerk Barleben-Adamsee, Lkr. Börde. Archäologie in Sachsen-Anhalt 11/23, 2023, 45-50.
Drei Panzerfragmente der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) aus dem Kieswerk Barleben- ...
Uwe Beye
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Fragment eines blattspitzenartigen, flächenretuschierten Feuersteingeräts vom Adamsee.
Juraj Lipták
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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